Inwiefern wirkt sich soziale Ungleichheit auf die Gesundheit von Individuen in diversen Gesellschaftsgruppen aus?

Eine Korrelation zwischen Erkrankungen und sozialer Benachteiligung gilt nicht nur für temporäre Infektionskrankheiten, sondern betrifft auch schwerwiegende, chronische Gesundheitsprobleme. Das geht sogar so weit, dass zahlreiche Studien eine vorzeitige Sterblichkeit, also geringere Lebenserwartung, von sozial benachteiligten Gruppen belegen (Huster, 2013).

Wintersemester 2022/23: Benjamin Hofer, Justin Najm

 

Im Laufe meiner Recherche bin ich auf ein sehr spannendes Thema gestoßen, welches eine Korrelation zwischen sozialer Ungleichheit und gesundheitlicher Divergenz herstellt. Daraus ergibt sich die These, dass viele Krankheiten, Beschwerden und Risikofaktoren bei Personen mit schwächerem sozioökonomischem Status häufiger vorkommen als bei Individuen mit höherem sozioökonomischem Status. Dieser Wert wird meistens anhand von Angaben zu Einkommen, Bildung und Beruf gemessen (Lampert, Richter, Schneider, Spallek, & Dragano, 2015). Dies führt mich zu meiner Forschungsfrage: Inwiefern wirkt sich soziale Ungleichheit auf die Gesundheit von Individuen in diversen Gesellschaftsgruppen aus? Zudem möchte ich diese erkenntnisleitende Frage auch in Bezug auf Covid-19 stellen.

Eine Korrelation zwischen Erkrankungen und sozialer Benachteiligung gilt nicht nur für temporäre Infektionskrankheiten, sondern betrifft auch schwerwiegende, chronische Gesundheitsprobleme. Das geht sogar so weit, dass zahlreiche Studien eine vorzeitige Sterblichkeit, also geringere Lebenserwartung, von sozial benachteiligten Gruppen belegen (Huster, 2013). Demzufolge kann man, eventuell etwas radikal aber dennoch wahrheitsgemäß ausgedrückt, sagen, dass soziale Ungleichheit tötet.

Um diesen Sachverhalt genauer zu illustrieren, möchte ich im folgenden Absatz eine Studie, welche durch das Robert Koch Institut durchgeführt wurde und den kausalen Zusammenhang zwischen Mortalität und sozio-ökonomischen Status illustriert, beschreiben. Hierbei wurden Daten des SOEP (sozio-oekonomisches Panel Deutschland), welche aus den Jahren 1995 bis 2005 stammten, mit den amtlichen Sterbetafeln in jenen Perioden zusammengeführt. Mit Hilfe der SOEP-Daten wurden fünf Einkommensgruppen gebildet, ausgehend von dem mittleren Netto-Äquivalenzeinkommen. Die Ergebnisse zeigen, dass Frauen als auch Männer, deren Einkommen sich unterhalb der Armutsrisikogrenze befindet, ein im Verhältnis zur höchsten Einkommensgruppe, um das 2,4- bzw. 2,7-Fache erhöhtes Mortalitätsrisiko aufweisen. Daraus resultiert, dass aus den sozial benachteiligten Schichten ein weitaus geringerer Anteil das 65. Lebensjahr erreicht, verglichen mit den sozial begünstigten Schichten (Siehe Abbildung 1). (Lampert & Kroll, Soziale Unterschiede in Mortalität und Lebenserwartung, 2014)

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Abbildung 1 - Anteil der Männer und Frauen, die mindestens 65 Jahre alt werden, nach Netto-Äquivalenzeinkommen (32.500), Datenquelle: SOEP, Periodensterbetafeln 1995-2005, Lampert & Kroll (2014)

Natürlich kommt jene Studie noch zu diversen anderen Ergebnissen, welche allesamt auf eine Korrelation von sozialer Benachteiligung und gesundheitlicher Benachteiligung hinweisen. Eine ausführlichere Illustration jener Studie würde jedoch den Rahmen dieses Textes sprengen. Dennoch kann ich ein Durchschmökern des Artikels zur Studie, welcher sich in dem Literaturverzeichnis befindet, durchaus empfehlen.

Auch die Covid-19 Pandemie macht vor dieser Korrelation keinen Halt. Denn mittlerweile stellte sich heraus, dass sich nicht alle Personengruppen gleich häufig mit dem Virus anstecken (Knöchelmann & Richter, 2021). „In einer ersten Studie konnte gezeigt werden, dass Langzeitarbeitslose ein deutlich höheres Risiko eines Krankenhausaufenthaltes aufgrund einer COVID-19 Diagnose hatten als Erwerbstätige. Ähnliches, wenn auch weniger deutlich, galt für Personen, die ALG-I bezogen. Geschlechtsbezogene Unterschiede lagen dabei nicht vor“, titelten Knöchelmann und Richter im „Public Health Forum“ (2021). Interessant ist außerdem zu sehen, dass in den Anfangswochen eine Durchseuchung in sozial höher gestellten Gruppen zu sehen war, was sich dann jedoch sehr schnell auf die zahlreichen Reiserrückkehrer zurückzuführen ließ. Nach dieser äußerst kurzen Anlaufzeit wendete sich jedoch das Blatt zu Ungunsten der sozial schwächeren Bevölkerung. Gründe dafür sind unter anderem, dass schlechter bezahlte Berufe oft mit regem Kontakt zu zahlreichen Menschen verbunden ist. Zwar sind solche Berufe wie Kassierer: innen in Supermärkten oder Pfleger: innen äußerst systemrelevant, jedoch unterdurchschnittlich bezahlt und zudem gefährlicher bezüglich des Infektionsrisikos. Die Möglichkeit von „Homeoffice“ ist zudem meistens nur den Mitarbeiter: innen in höheren Positionen erlaubt. Zusätzlich trägt eine intensive Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln und Wohnverhältnisse mit begrenztem Raum und Mangel an Ausweichmöglichkeiten zu einer höheren Infektionsrate bei.

Zusammenfassend lässt sich die Frage, inwiefern sich soziale Ungleichheit auf die Gesundheit von Individuen in diversen Gesellschaftsgruppen auswirkt, so beantworten, dass schwächere Gruppen signifikante Gesundheitseinbußen hinnehmen müssen. Dies gilt sowohl für den Infektionsbereich als auch für chronische Erkrankungen, wie kardio- oder bronchovaskuläre Einschränkungen. Diese Einsicht sollte jedem Einzelnen von uns ein Gefühl dafür geben welche Auswirkungen ein immer stärkeres Auseinanderdriften von Gesellschaftsgruppen hat.

 

Literaturverzeichnis
Huster, S. (1. 6 2013). Soziale Gesundheitsgerechtigkeit. Sparen, umverteilen, vorsorgen? Ethik in der Medizin, S. 165-166.

Knöchelmann, A., & Richter, M. (1. März 2021). COVID-19 und soziale Ungleichheit. Public Health Forum, S. 2-4.

Lampert, T., & Kroll, L. E. (10. 03 2014). Soziale Unterschiede in Mortalität und Lebenserwartung. (R. Koch-Institut, Hrsg.) GBE kompakt(2), S. 1-14.

Lampert, T., Richter, M., Schneider, S., Spallek, J., & Dragano, N. (2. 12 2015). Soziale Ungleichheit und Gesundheit. Bundesgesundheitsblatt, S. 153-165.

 

 

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