Impfen: gegen das Virus, für sich selbst oder für die Gesellschaft?

Wieso gibt es, trotz des Drangs nach einem normalen Leben, Impfgegner?

Sommersemester 2021: Kristina Strobl und Magdalena Trinks

Seit über einem Jahr leben wir in einer Welt, die nahezu still steht. Der Grund dafür ist das
neuartige Virus Sars-CoV-2, welches uns in einen Ausnahmezustand versetzt hat.
Schreckliche Bilder aus der ganzen Welt kursieren durch die Medien und erinnern fast
täglich, in welch dramatischer Situation wir uns befinden. Von einem normalen Alltag, wie
wir ihn kannten, sind wir weit entfernt. Seit Beginn der Pandemie wird heftig darüber
diskutiert, wie der Weg zurück zur Normalität bestritten werden soll und die Antwort war
bald gefunden: Impfen! Wieso gibt es, trotz des Drangs nach einem normalen Leben,
Impfgegner?

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Abbildung 1: Absage des Oktoberfest 2021 auf Grund der Covid-19 Pandemie; „Spielverderber“ von Martin Erl1

Gegen das Impfen zu sein, ist eigentlich schwer vorstellbar, denn dadurch entwickelt sich eine
Herdenimmunität gegen Covid-19. Diese stellt das Ergebnis des öffentlichen Gutes Impfstoff
dar und der Beitrag des Individuums ist es hierbei, sich impfen zu lassen. Das Verabreichen
von Impfstoffen führt nicht nur dazu, dass Individuen nicht mehr an Covid-19 erkranken
können, sondern auch dazu, dass von diesen die Krankheit nicht mehr übertragen werden
kann und somit gilt der Schutz nicht nur für Geimpfte, sondern auch deren Mitmenschen.
Diesen Effekt nennt man eine positive Externalität. Leider werden positive externe Effekte
selten in eine wichtige Entscheidung einkalkuliert und Unannehmlichkeiten, die für das
Individuum bei der Impfung entstehen, werden schwerer bewertet, als der positive Effekt, der
sich daraus entwickelt.2

Nicht nur das nicht Einkalkulieren des positiven Effekts, sondern auch das Festlegen von
Präferenzen bezüglich der Impfstoffhersteller, führt Menschen dazu, sich gegen Impfungen
auszusprechen.
Bis zum jetzigen Zeitpunkt (Ende April 2021) sind in der europäischen Union vier Impfstoffe
zugelassen und weitere werden noch auf eine Zulassung untersucht. Es ist davon auszugehen,
dass die Bewertung der Impfstoffe von verschiedenen Herstellern auch einen Einfluss auf die
Impfbefürwortung hat. Hierbei gibt es jedoch stark differenzierte Meinungen über die
verschiedenen zugelassenen Impfstoffe, die folglich auch die Nachfrage bestimmen. Mitte
März wurde öffentlich bekannt, dass es einen Zusammenhang zwischen dem AstraZeneca
Impfstoff und einer selten auftretenden Hirnthrombose gibt. Daraufhin wurde die Verteilung
dieses Impfstoffes fast europaweit gestoppt. Nach ausführlichen Überprüfungen erklärte die
europäische Arzneimittelagentur EMA den Impfstoff für uneingeschränkt nutzbar und fügte
eine Hirnthrombose auf die Liste der Nebenwirkungen mit geringer Wahrscheinlichkeit. Trotz
der Empfehlung wird das AstraZeneca Vakzin nur noch eingeschränkt eingesetzt. Laut des
Robert-Koch-Instituts wurden in Deutschland bis zum 15. April 2021 mehr als 4,2 Millionen
Erstimpfungen mit dem AstraZeneca Vakzin verabreicht. Bis zu diesem Tag erkrankten 59
Menschen an einer Hirnvenenthrombose, wovon 12 tödlich endeten. Dies sind tragische
Einzelfälle, jedoch liegt die Wahrscheinlichkeit eine Thrombose durch eine AstraZeneca
Impfung zu bekommen bei 0,001% und daran zu sterben sogar nur bei 0,0003%.3 In
Deutschland wird, als Folge dieser Fälle, eine Impfung mit AstraZeneca nur noch Menschen
über 60 Jahren angeboten.4

Es handelt sich hierbei um eine Überbewertung von winzigen Wahrscheinlichkeiten. Aus der
Perspektive der Verhaltensökonomie betrachtet, handelt es sich hierbei um die “Prospect
Theory”, die von Kahneman und Tversky formuliert wurde. Diese Theorie beschreibt, wie
Menschen unter Unsicherheit Entscheidungen treffen und inwiefern diese dadurch nicht
immer als rational bezeichnet werden können. Es wurde hierbei eine Risikoaffinität
hinsichtlich Gewinne und eine Risikovermeidung in Bezug auf Verluste aufgezeigt, als auch
eine klare Überschätzung kleiner Wahrscheinlichkeiten, wie es auch offensichtlich in der
aktuellen Impfdebatte der Fall ist.5

In Österreich wird hingegen von einem “positiven Nutzen-Risiko-Profil” gesprochen und der
Impfstoff wird weiterhin uneingeschränkt an die österreichische Bevölkerung verteilt.6
Durch unzählige negative Schlagzeilen bezüglich der Hirnthrombose, haben die
ÖsterreicherInnen mittlerweile ihr Vertrauen in das AstraZeneca Vakzin verloren. Laut einer
Befragung, die von der Universität Wien durchgeführt wurde, schließen 57% der Befragten
eine Impfung mit AstraZeneca gänzlich aus und nur 23% würden sich damit impfen lassen.
Die Befragungswerte bezüglich des Impfstoffes von Biontech und Pfizer sind hierbei deutlich
besser, denn 66% der Befragten würden sich mit diesem Vakzin impfen lassen, eine
grundsätzliche Ablehnung beschränkt sich hier auf lediglich 17%.7

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Abbildung 2: Priorisierung verschiedener Corona-Impfstoffe; von de.statista.com8

Letzten Endes ist die Wahrscheinlichkeit eine Hirnthrombose durch das Vakzin von
AstraZeneca zu erleiden, so gering, dass es als irrational zu bewerten ist, wenn eine Impfung
dieses Herstellers abgelehnt werden sollte. Die Erklärung dieses Verhaltens liegt in der
Verfügbarkeitsheuristik. Situationen, die gut vorstellbar sind, können bei Entscheidungen
irreführend sein und ein geringes Risiko kann sehr schnell zu einem größeren gemacht
werden. Die Entscheidung wird oft nicht auf der Grundlage realer Daten gemacht, sondern
durch eine Vorstellung einer schlechte Situation verzerrt.9 Die ständig aufkommende negative
Berichterstattung in Zusammenhang mit dem AstraZeneca Impfstoff erinnert, welche
Nebenwirkungen bei Einzelpersonen auftreten können, weshalb diese Situation auf sich selbst
übertragen wird und die eigentlich sehr kleine Wahrscheinlichkeit von 0,001% außer Acht
gelassen wird.

Die Grundvoraussetzung für eine Herdenimmunität und somit der Weg aus der Pandemie, hin
zu einem normalen Leben, ist eine möglichst hohe Impfbereitschaft, unabhängig welcher
Impfstoff. Das Gallup Institut untersuchte Anfang Dezember 2020 und Ende Januar 2021 die
Impfbereitschaft der ÖsterreicherInnen. In diesem Vergleich ist eine deutliche Zunahme der
Impfbereitschaft in Zusammenhang mit Corona von 49% auf 61% zu erkennen. Der Anteil
der Impfgegner sinkt von 37% auf einen 33 %igen Anteil der Befragten.10 Durch das
vermehrte Verlangen nach Normalität steigt die Bereitschaft sich impfen zu lassen vor allem
von den Beteiligten, die bei der ersten Erhebung keine Angabe gemacht haben.

Die Corona Pandemie ist nach wie vor eine große Herausforderung für unsere Gesellschaft.
Der Drang nach einem normalen Leben und das Ende der Pandemie kann nur durch
flächendeckende Impfungen erfolgen. Impfgegner und -zweifler wird es leider trotzdem
immer geben, denn kleine Wahrscheinlichkeiten werden auch in Zukunft überschätzt, der
positive externe Effekt wird in Entscheidungen nicht einkalkuliert und Situationen werden
weiterhin irrational bewertet.

 

1 Vgl. https://www.rnz.de/politik/karikatur_galerie,-Die-Karikatur-_mediagalid,8.html  (Aufgerufen am 06.05.2020)

2 Vgl. https://www.forschungsinformationssystem.de/servlet/is/328934/  (Aufgerufen am 28.04.2021)

3 Vgl. https://www.br.de/nachrichten/wissen/astrazeneca-und-thrombosen-alles-wichtige-zu-hirnvenenthrombosen,SRpoHLf  (Aufgerufen am 26.04.2021)

4 Vgl. https://www.tagesschau.de/ausland/europa/ema-astrazeneca-117.html  (Aufgerufen am 23.04.2021)

5 Vgl. https://idw-online.de/de/news747777  (Aufgerufen am 27.04.2021)

6 Vgl. https://www.basg.gv.at/konsumentinnen/wissenswertes-ueber-arzneimittel/covid-19-impfstoffe#c23094  (Aufgerufen am
23.04.2021)

7 Vgl. https://de.statista.com/infografik/24556/anteil-der-befragten-in-oesterreich-die-sich-mit-folgenden-impfstoffen-impfen-lassenwuerden/ (Aufgerufen am 22.04.2021)

8 Vgl. https://de.statista.com/infografik/24556/anteil-der-befragten-in-oesterreich-die-sich-mit-folgenden-impfstoffen-impfen-lassenwuerden/ (Aufgerufen am 03.05.2021)

9 Vgl. https://lexikon.stangl.eu/4713/verfugbarkeitsheuristik  (Aufgerufen am 26.04.2021)

10 Vgl. https://www.gallup.at/fileadmin/documents/PDF/marktstudien/2021/PA_Gallup_Umfrage_Impfbereitschaft_Charts_20210128.pdf (Aufgerufen am 26.04.2021)

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