Ich les das dann später! Warum wir prokrastinieren

Warum prokrastinieren wir und helfen uns selbst gesetzte Deadlines dabei wichtige Aufgaben nicht aufzuschieben?

Wintersemester 2021/22: Sarah Vonmetz und Maximilian Danler

Ich hab' aufgeräumt und Staub gewischt. Ordnung herrscht unter dem Bett und auf dem Tisch. Meine Timeline kenn' ich auswendig. Die Mails im Eingang beantwortet. Das wär' bemerkenswert. Wär' da nicht. Der Gedanke an… Da war noch was. Jaja das passt. Ich fang' gleich an. Ich mach' das dann schon. Ich google nur noch kurz die Bedeutung des Wortes Prokrastination. (Moop Mama, “Prokrastination”, 2018)

Eigentlich sollten wir diesen Blogeintrag verfassen, trotzdem hören wir lieber den Song einer deutschen HipHop Band. Wer kennt es nicht? Die Arbeiten auf dem Schreibtisch stapeln sich und auf einmal entflammt der Drang die Wohnung zu putzen, oder sich Youtube Videos anzuschauen. Man weiß, es wäre besser die Arbeit gleich zu erledigen, warum also fällt es uns so schwer das offensichtlich Dringende gleich in die Tat umzusetzen? Dieser Blogeintrag richtet sich an alle die es schwierig finden Tasks rechtzeitig zu erledigen: Es gibt Hoffnung, denn das Phänomen des “Trödelns” lässt sich wissenschaftlich fundiert erklären:


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Bild1: Prokrastination

Warum prokrastinieren wir, obwohl wir es eigentlich besser wüssten?

Unter Prokrastination versteht man also das Aufschieben von Aufgaben, mit dem Wissen, dass das Hinauszögern mit negativen Konsequenzen verbunden ist. (Strzoda, 2019) Im Folgenden werden wir versuchen das Phänomen der Prokrastination aus verhaltensökonomischer Perspektive mit dem Modell der “hyperbolischen Diskontierung” zu erklären. Generell könnte man annehmen, der Nutzen eines Gutes hätte heute den gleichen Wert wie morgen. Das würde bedeuten, die Kosten dafür eine Arbeit heute zu erledigen, wären für uns morgen, beziehungsweise in Zukunft gleich hoch. (Ariely&Wertenbroch, 2002) Ein homo oeconomicus, wie wir ihn aus der Wissenschaft kennen, würde genauso denken und rational und nutzenmaximierend handeln. Er/sie würde also “exponentiell diskontieren” und sich zeit-konsistent verhalten. Das heißt, seine Präferenzen wären im Laufe der Zeit immer stabil und er/sie unterläge keiner Tendenz zur Gegenwart. Ihm/Ihr wäre bewusst, dass die Arbeit in der nächsten Periode gleich viel Aufwand darstellt wie heute. Wie wir alle bereits wissen existiert ein solcher Homo Oeconomicus in der Realität nicht. (Strzoda, 2019)

Im echten Leben ist ein gewisser Grad an irrationalem Verhalten viel wahrscheinlicher. In der Wissenschaft wird dieses Verhalten als hyperbolisches Diskontieren bezeichnet. Beim hyperbolischen Diskontieren messen Menschen zukünftigen Lebensereignissen zu wenig Gewicht bei und unterschätzen zukünftige Kosten und Nutzen stark. Das bedeutet wir verschieben gerne Aufgaben auf morgen, weil uns die Kosten dafür niedriger erscheinen, als wenn wir sie heute erledigen müssten. (Ariely&Wertenbroch, 2002) Das Problem bei der Prokrastination ist jedoch, dass die Aufgabe auch am nächsten Tag kostspieliger erscheint, als zu einem zukünftigen Zeitpunkt. Das Rad dreht sich also weiter bis ein Zeitpunkt kommt, in dem der Task unaufschiebbar ist und gegebenenfalls zu extrem hohen Kosten erledigt werden muss. Menschen mit hyperbolischer Diskontierung als Zeitpräferenz unterliegen daher einer Gegenwartstendenz und nehmen, wie wir beobachten können, sogar zusätzliche Kosten in der Zukunft in Kauf. (Strzoda, 2019) Heute denkt man sich: Den Geschirrspüler räume ich lieber morgen ein wenn ich nicht so müde von der Arbeit bin. Als man am nächsten abermals langen Arbeitstag nach Hause kommt hat sich jedoch nichts gebessert... Und zu allem Überfluss ist der Teller Nudeln mit Pesto auch noch eingetrocknet und muss mit Hand gespült werden!

Nun stellt sich die Frage, wie wir diesem Verhalten entkommen können. Googelt man Prokrastination findet man etliche Einträge darüber wie man diese überwinden könnte. Stichwort “Deadline”: Kommt die Abgabe dann eines Tages näher steigt die Produktivität zuletzt meistens doch noch. Man könnte also meinen, dass es Sinn machen würde sich selbst Deadlines zu setzen, um der Prokrastination einen Strich durch die Rechnung zu machen und sich entsprechend rational zu verhalten. Aber funktioniert das wirklich?

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Bild2: Deadline

Dabei ist zunächst wichtig zu beachten, dass etwas zu verschieben nicht unbedingt unter den Begriff der Prokrastination fallen muss. (Strzoda, 2019) In manchen Situationen kann es auch von Vorteil sein eine Tätigkeit aufzuschieben. Das heißt, dass eine Person, welche sich zeit-konsistent verhält, sich selbst keine Fristen setzen würde, da dies ihre Entscheidung, auf einen besseren Zeitpunkt zu warten, einschränkt. (Bisin&Hyndman, 2014) Denn wie bereits erwähnt ist es in manchen Fällen tatsächlich besser bis zum nächsten Tag zu warten (War die Wäsche auf der Leine tatsächlich schon trocken?).

Sich selbst eine Frist zu setzen, ist also nicht immer nutzensteigernd oder rational. Je optimaler wir uns also mit diesem Wissen eine Deadline setzen, desto wirksamer hilft sie im endlosen Kampf gegen den inneren Schweinehund. Zusätzlich können sogenannte “committment devices” dabei helfen, den Effekt selbst gesetzter Deadlines zu verstärken. Ein Verschieben von selbst gesetzten Deadlines ist damit nicht mehr sanktionslos und kann somit möglicherweise verhindert werden. Schiebt man zb den Besuch beim Frisör zu lange vor sich her, hilft es einen Termin bereits kostenpflichtig beim vorigen Besuch zu buchen.

Probiert es aus!

...heute, morgen oder vielleicht doch lieber erst nächste Woche…

Literatur:

Ariely, D. & Wertenbroch, K. (2002). Procrastination, deadlines, and performance: Selfcontrol by precommitment. Psychological Science, 13, 219–224. https://doi.org/10.1111/1467-9280.00441.

Bisin, A.& Hyndman, K. (2014): Present-Bias, Procrastination and Deadlines in a Field Experiment. NBER Working Paper No. 19874, Cambridge.

Strzoda, P. (2019): Prokrastination. Ursachen und ökonomische Wirkungen. GRIN Verlag, München.

Abbildungsverzeichnis:

Bild1: MaiLab: 3 Tipps gegen Prokrastination (www.youtube.com)

Bild2: Deadline (www.shutterstock.com)

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