Gamestop: Der Spielball der Wallstreet?

Welche spieltheoretischen Handlungsmöglichkeiten ergeben sich nun für die Spieler?

Sommersemester 2021: Katharina Peekhaus und Markus Oliver Pichler

Jeder, der die Börsenwelt in den letzten Monaten verfolgt hat, wird kaum um das Thema Gamestop gekommen sein. Seit Januar stieg der Preis der Aktie kurzzeitig durch einen Short Squeeze auf ein neues All-Time-High von 483$, was einem Kursanstieg von ca. 5000% zum Referenzkurs von 5$ im August darstellt. Jedoch war dies mehr als nur ein rasanter Preisanstieg. Die Aftershow-Party dieses außergewöhnlichen Ereignis ähnelt eher einer Inszenierung von David gegen Goliath. David wird hierbei von einer großen Menge an kleinen Privatanleger repräsentiert, welche gegen die Goliaths der Finanzwelt, mächtige Hedgefonds mit milliardenschweren Portfolios, kämpfen. Einige Hedgefonds spekulierten mit großen Short Positionen in ihrem Portfolio auf einen fallenden Kurs der Gamestop Aktie, sahen sich gezwungen diese aufzulösen, damit sie ihre Verluste aufgrund der steigenden Preisen eindämmen konnten. Dadurch entstanden sprungartige Kursanstiege innerhalb eines Tages. Im Gegensatz dazu haben sich viele Privatinvestoren über ein Unterforum von Reddit zusammengeschlossen und eine Long Position eröffnet, also die hochgradig leerverkaufte Gamestop Aktie gekauft. Nun, da eine Ausgangssituation etabliert wurde, stellt sich die Frage: Welche spieltheoretischen Handlungsmöglichkeiten ergeben sich nun für die Spieler?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie die Spieler agieren können: Wenn ein Spieler seine Position auflöst, wird der Aktienkurs stark in die Richtung gehen, welche dem Gegenspieler hohe Gewinne verschaffen würde. Wenn beide Seiten entscheiden die Position zu halten, resultiert dies in keiner Kursveränderung und somit in keinem Gewinn für beide Seiten. Falls beide Seiten ihre Positionen auflösen würden, würde dies ebenfalls in kaum Kursveränderungen resultieren, allerdings wäre dies mit einem Aufgeben in dem sinnbildlichen Kampf zwischen David und Goliath gleichzustellen und resultiert in negativer Reputation für beide Parteien. Anhand dieser Handlungsmöglichkeiten wurde eine Auszahlungs-Matrix aufgestellt, sodass die strategische Situation analysiert werden kann.

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Abbildung 1: eigene Darstellung

Für beide Spieler bildet die Strategie „Position halten“ eine klar bessere Strategie als „Position auflösen“. Hierbei ist die Strategiewahl des Geg-ners nicht mehr relevant, da die Auszahlung nie negativ sein wird.

Somit bildet für beide Spieler die Strategie „Position halten“ die dominante Strategie. Allerdings wäre es aus der Sicht der beiden Seiten optimal, wenn man selbst hält und der Gegenspieler seine Position auflöst, da man hierbei persönlich bessergestellt wird und eine größere Auszahlung erhalten würde. (vgl. Varian 2016: 579ff.)

Durch das Anwenden des spieltheoretischen Ansatzes kann man erkennen, dass es für beide Spieler zurzeit strategisch sinnlos ist die Position in Gamestop aufzulösen. Die einzig logische Handlungskombination ist, dass beide Parteien an ihren Positionen festhalten. Gleichzeitig bildet diese Kombination das pareto-effiziente Gleichgewicht, da kein Spieler bessergestellt werden kann, ohne den Gegenspieler schlechter zu stellen. Man kann anhand des geringen Trading Volumen der Gamestop Aktie sehen, dass beide Parteien diese Strategie umsetzen und ihre Positionen nicht auflösen. Dies kann man am deutlich reduzierten Handelsvolumen ab Ende März erkennen.

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Abbildung 2: Finanzen.net Gamestop-Chart NYSE

Viele Privatanleger haben zuextrem hohen Kursen gekauft und sitzen nun auf unrealisierten Verlusten. Dies kann man besonders an zahlreichen Reddit-Beiträgen erkennen, bei denen die größten Verluste am meisten gefeiert werden. Trotzdem denkt keine der Parteien daran die Positionen aufzulösen.

Dieses Verhalten lässt sich durch die Neue Erwartungstheorie (Prospect Theory) erklären. Denn Investoren neigen dazu mehr Risiko zu suchen, wenn sie sich im Bereich der Verluste befinden. (vgl. Abdellaoui 2013: 411f.)

Genau dies ist bei den Gamestop Investoren der Fall. Hierbei ist es für beide risikoreicher ihre Positionen zu halten, da die Möglichkeit eines Gewinnes von demVerhalten des Gegenspielers abhängt. Es handelt sich hierbei um eine Entscheidung, die Ausdauer und Standfestigkeit von den Spielern erfordert. Diese Haltung ist jedoch, für den Menschen schwierig zu bewahren, da man davor scheut Risiken einzugehen, um Gewinne zu erzielen.

Spannend ist diese Entwicklung gerade in der jetzigen Zeit, da Gamestop inmitten eines internen Wandels hin zum E-Commerce Unternehmen ist und der Posten des CEOs neu besetzt werden soll. (vgl. Grüner 2021)

Die ersten Schritte wurden diesbezüglich schon gesetzt. Anfang April 2021 gab Gamestop 3,5 Millionen zusätzliche Aktien aus und nahm dadurch insgesamt 551 Millionen Dollar ein. Diese Meldung führte unmittelbar zu einem Kursanstieg. Das eingenommene gesammelte Kapital soll nun in die Wende zum E-Commerce-Unternehmen fließen. (vgl. Kaufmann 2021)

Es bleibt zu beobachten, wie sich die Spieler angesichts der neuen Entwicklungen entscheiden werden und ob diese ihre Strategien verändern werden. Für eine Partei wird es jedoch kein Happy-End geben.

Literaturverzeichnis

Abdellaoui, M., Bleichrodt, H., & Kammoun, H. (2013). Do financial professionals behave according to prospect theory? An experimental study. Theory and Decision, 74(3), 411-429.

Grüner, S. (2021). Gamestop soll neuen CEO suchen, [online] https://www.golem.de/news/digitale-transformation-gamestop-soll-neuen-ceo-suchen-2104-155688.html  [30.04.2021].

Kaufmann, B. (2021). Gamestop: Der erste Erfolg der neuen Strategie, [online] https://www.deraktionaer.de/artikel/medien-ittk-technologie/gamestop-der-erste-erfolg-der-neuen-strategie-20229580.html  [30.04.2021].

Varian, H. R. (2016). Grundzüge der Mikroökonomik. De Gruyter Oldenbourg

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