Free Rider ab nach Hause!

Während der Coronapandemie werden im Laufe der Zeit verschiedene Maßnahmen getroffen, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen.

Wintersemester 2021/22: Lea Schöpf

Eine von den getroffenen Maßnahmen ist das „Social Distancing“, also die Einhaltung des Sicherheitsabstandes zu seinen Mitmenschen. Ob es nur bei der Einhaltung des kleinen Babyelefanten im Supermarkt ist oder gar bei der Quarantäne zu Hause – man muss auf gewisse Freuden verzichten wie beispielsweise auf Umarmungen oder gar auf die Sonnenstrahlen im Gesicht. Doch was passiert eigentlich aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive, wenn sich lediglich zwei Personen nicht an die Abstandsregeln oder die Ausgangsbeschränkungen halten? Warum braucht es sogar dann den Eingriff des Staates, damit sich die Ausbreitung des Virus in Maßen hält?

Social Distancing als öffentliches Gut
Um diese Frage zu beantworten, müssen wir das Social Distancing zuerst als öffentliches Gut verstehen. Per Definition müssen öffentliche Güter jedem Individuum zur Verfügung stehen und von mehreren Personen gleichzeitig genutzt werden können. Diese zwei Voraussetzungen erfüllt das Social Distancing in einer Pandemie [1]. Es darf jeder Mensch zu Hause bleiben und es können auch mehrere Personen gleichzeitig zu Hause bleiben – sie sollen bzw. müssen es strafrechtlich gesehen sogar. Spaß macht das in der Regel keinen – deshalb gibt es auch Personen, die sich nicht an die Regeln halten. Solche Personen will man in einer Gesellschaft möglichst vermeiden. Um herauszufinden, wie man das umsetzen kann, schauen wir uns das Problem genauer an.

Die Free Rider Problematik
Bei öffentlichen Gütern tritt oft das Phänomen der Free Rider Problematik auf. Bei Free Ridern geht es um Personen, die den Nutzen aus öffentlichen Gütern ziehen, ohne eine Gegenleistung dafür zu erbringen. Dadurch, dass Personengruppe A schon in das öffentliche Gut investiert, profitieren alle Personen bereits davon, auch Personengruppe B, die nichts investiert. Gruppe B hat also einen größeren Nutzen vom öffentlichen Gut als Gruppe A. Wenn Personen aus Gruppe A das aber selbst beobachten können, werden sie nach und nach zu Gruppe B wechseln (also auch nichts ins öffentliche Gut investieren), wodurch folglich der gesamte Nutzen für alle sinkt, bis irgendwann niemand mehr einen Beitrag zum öffentlichen Gut leistet und somit keiner mehr einen Nutzen aus dem öffentlichen Gut zieht.

Free Rider der Coronapandemie
Diese Free Rider Problematik existiert auch beim Social Distancing während einer Pandemie. Die Personen bringen ihre Leistung indem sie zu Hause bleiben und auf viele Tätigkeiten und Bedürfnisse verzichten. Im Gegenzug dafür wird die Verbreitung des Coronavirus eingedämmt. Das ist ihr Nutzen aus dem öffentlichen Gut. Nun gibt es aber eine (anfangs kleine) Personengruppe, die sich trotzdem mit anderen treffen und somit keine Leistung zum öffentlichen Gut beitragen. Sie ziehen aber trotzdem denselben Nutzen aus dem Social Distancing, nämlich die Verringerung der Inzidenzen. Das macht diese Personengruppe zu Freeridern der Coronapandemie. Beobachten die regelkonform handelnden Personen nun den Vorteil (also den größeren Nutzen) der anderen, werden sie nach und nach auch nichts mehr zum Social Distancing beitragen. Dabei stirbt das öffentliche Gut aus, obwohl jeder eigentlich seinen eigenen Nutzen davon maximieren möchte. Tun das aber alle, geht der Nutzen aus dem öffentlichen Gut für alle eben gegen Null. Deshalb braucht es also den Eingriff des Staates für das Überleben dieses Gutes.

Österreichs Strategie gegen Corona-Freerider
In Österreich wurden beispielsweise Geldstrafen für Verstöße gegen die Covid-Maßnahmen eingeführt. Diese sollen dazu führen, dass der Nutzen aus dem Freeriden gemindert wird durch zusätzlich entstehende Kosten [2]. Zuletzt, beim Lockdown für Ungeimpfte im November 2021, lag die Höhe der Strafe bei Verstößen gegen die Ausgangsbeschränkungen bei 500 Euro [3]. Beim zweiten Lockdown in Österreich (November 2020 bis Februar 2021) wurde ebenfalls mit Geldstrafen gedroht, dort kam es zu 45.485 Covid-Anzeigen in drei Monaten [4]. Das entspricht bei 8.933.346 Einwohnern (Stand 01.01.2021 [5]) einer Anzeige für 0,5 % der Einwohner.

Das Free Rider Problem beim Social Distancing ist also global dasselbe. Der Unterschied liegt nur darin, wie die Regierungen der einzelnen Staaten dagegen vorgehen. Fest steht auf jeden Fall, dass es den Eingriff des Staates in irgendeiner Form braucht, da sich sonst keiner an die Ausgangsbeschränkungen und Abstandsregeln hält.

Verweise

APA/Red. (14. November 2021). Lockdown für Ungeimpfte: Diese Strafen drohen bei Verstößen. Vienna. Von https://www.vienna.at/lockdown-fuer-ungeimpfte-diese-strafen-drohen-bei-verstoessen/7192994 abgerufen

Cato, S., Iida, T., Ishida, K., Ito, A., McElwain, K., & Shoji, M. (13. August 2020). Social distancing as a public good under the COVID-19 pandemic. (Elsevier, Hrsg.) Public Health, S. 51-53. doi:https://doi.org/10.1016/j.puhe.2020.08.005

Diekmann, A. (06. Oktober 2020). Entstehung und Befolgung neuer sozialer Normen. Das Beispiel der Corona-Krise. (D. G. Oldenbourg, Hrsg.) Zeitschrift für Soziologie, S. 2020. doi:https://doi.org/10.1515/zfsoz-2020-0021
oesterreich.ORF.at/Agenturen. (11. Februar 2021). Österreich hat 8,93 Mio. Einwohner. ORF. Von https://oesterreich.orf.at/stories/3089708/ abgerufen

Seiser, B. (17. Februar 2021). Über 45.500 Covid-Anzeigen in drei Monaten Lockdown. Kurier. Von https://kurier.at/ngen/ueber-45500-covid-anzeigen-in-drei-monaten-lockdown/401191840 abgerufen

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