Finanzielle Anreize und Geldstrafen sind nicht immer das richtige Mittel

Ob man nun im Wintersale eine zu fünfzig Prozent reduzierte Jacke kauft, die man objektiv gar nicht benötigt oder man doch ein Ticket für den Linienbus löst aus Angst vor einer Geldstrafe, unser Alltag ist durch und durch getrieben von finanziellen Entscheidungen.

Sommersemester 2022: Sebastian Nesensohn und Julia Amanda Percoraro

 

Heutzutage ist allgemein bekannt, dass sich das menschliche Verhalten mit Geld beeinflussen lässt. Ob man nun im Wintersale eine zu fünfzig Prozent reduzierte Jacke kauft, die man objektiv gar nicht benötigt oder man doch ein Ticket für den Linienbus löst aus Angst vor einer Geldstrafe, unser Alltag ist durch und durch getrieben von finanziellen Entscheidungen. Jedoch sind finanzielle Anreize und Geldstrafen längst nicht in allen Situation so sinnvoll wie man im ersten Moment zu denken vermag. Deshalb beschäftigt sich dieser Eintrag heute mit der Frage wann finanzielle Anreize und Geldstrafen nicht das richtige Mittel sind, um eine Person in ihrem Verhalten zu beeinflussen?

In vielen Firmen ist es inzwischen üblich, die Angestellten mit Bonuszahlungen für gute Leistung zu belohnen. Jedoch gibt es bei dieser Handhabung auch unbeabsichtigte Folgen, die genau die Ziele zunichtemachen, die erreicht werden sollen. Die ursprüngliche Absicht bei dieser Art von Anreiz ist die Angestellten zu motivieren, besser/effektiver zu arbeiten und damit auch die Performance der Firma zu erhöhen (Van Der Stede 2007). In der Realität sind Personen, die für die Erreichung eines bestimmten Ziels finanziell belohnt werden, eher dazu geneigt sich unethisch zu verhalten. Laut Grant et al. (2011) äußert sich dies z.B. in Bilanzfälschungen oder der Auslieferung von unfertigen Produkten, wenn die Erwartungen der Analysten nicht erreicht werden. Des Weiteren führen Bonuszahlungen auch zu ungleicher Entlohnung, was die Fluktuation und die Leistung negativ beeinträchtigen kann. Die Wissenschaft hat herausgefunden, dass Personen ihr Gehalt nicht in absoluten Zahlen beurteilen, sondern dies mit der Bezahlung von Gleichgestellten vergleichen. Als Folge kann hier eine ungleiche Bezahlung zu Frustration, Neid und Enttäuschung führen (Grant et al. 2011).

Ein weiteres Beispiel, bei dem ein finanzieller Anreiz negative Effekte auslöst, ist die Blutspende. In einem Feldversuch löste eine Bezahlung als Gegenleistung für die Blutspende einen sogenannten Rückkopplungseffekt aus. Es wurde also weniger Blut gespendet, nachdem eine finanzielle Vergütung eingeführt wurde als ohne Entlohnung. Der Hintergrund dieses Phänomens ist die sogenannte Imagemotivation. Der finanzielle Anreiz verdrängte die intrinsische Imagemotivation, indem der Akt einer freiwilligen Spende aus Selbstlosigkeit oder dem Bedürfnis zu etwas Gutes zu tun durch die Bezahlungen nicht mehr an erster Stelle steht. Überspitzt gesagt ist es nicht mehr nachvollziehbar, ob die Blutspende als sozialer Akt der Nächstenliebe oder aus Geldgier erfolgt ist. Im Allgemeinen zeigt sich dieses Phänomen, wenn soziales Verhalten aus einer Imagemotivation heraus erfolgt und eine öffentliche Bezahlung diesen Anreiz verdrängt (Gneezy et al. 2011).

Darüber hinaus ist es durchaus interessant dieses Thema auch aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Was bewirken finanzielle Anreize, die zu hoch angesetzt wurden? Spontan denken die meisten wahrscheinlich je höher die Bezahlung, desto eher ist man geneigt etwas zu tun. Ein Beispiel, dass dieses Denken entkräften kann, ist die Entschädigungszahlung für den Neubau einer Atommülldeponie. Bietet ein Auftraggeber den Gemeindemitgliedern eine hohe finanzielle Entschädigung im Gegenzug für ihre Zustimmung wird damit signalisiert, dass die Risiken hoch sind. Die Gemeindemitglieder könnten als Folge nicht bereit dazu sein die Anlage zu akzeptieren (Gneezy et al. 2011).

Widmen wir uns nun dem Instrument der finanziellen Bestrafung. In einer israelischen Kindertagesstätte wurde eine 3$ Strafe für die Eltern eingeführt für jedes Mal, wenn das Kinder zu spät abgeholt wurde. Anstatt das der gewünschte Effekt eintrat verspätete Abholungen zu reduzieren, war das Gegenteil der Fall. Der Anteil an Kindern die zu spät abgeholt wurden erhöhte sich signifikant, da das Fehlverhalten der Eltern nun einen Preis hatte. Die relativ geringe Strafe signalisierte, dass zu spät kommen nicht so schlimm sei und selbst nachdem die Strafe wieder abgeschafft wurde, sank das Zuspätkommen nicht wieder auf das ursprüngliche Niveau. Die unterbewusste Botschaft, dass Pünktlichkeit nicht so wichtig sei, hatte sich im Verhalten der Eltern festgesetzt (Gneezy et al. 2011). Nun könnte man argumentieren, dass eine wesentliche Erhöhung der Geldstrafe die Lösung sei. In den USA z.B. hat man die Geldstrafe für zu schnelles Fahren in speziellen Zonen verdoppelt, um die Anzahl an tödlichen Unfällen zu reduzieren. Jedoch hatte diese Maßnahme so gut wie keinen Effekt (Blake 1998). Hierbei wird also deutlich, dass finanzielle Mittel nicht immer die Maßnahmen bewirken, die im Vorhinein beabsichtigt waren.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass finanzielle Anreize und Strafen durchaus ihre Berechtigung haben. Jedoch entscheiden die jeweilige Situation und der Umfang über die Effektivität. Verzerrungen im beabsichtigten Verhalten treten auf, wenn die intrinsische Motivation untergraben wird und dadurch die eigentlichen Ziele nicht erreicht werden können. Zudem besteht die Gefahr falsche Botschaften zu vermitteln und unethisches Verhalten zu fördern. Eine Schlussfolgerung für die Praxis ist daher, dass wenn im Vorfeld Tests wie hypothetische Studien, Datenanalyse und randomisierte Kontrollexperimente durchgeführt werden unbeabsichtigte Nebeneffekte schon im Vorhinein identifiziert oder sogar verhindert werden könnten.

Literaturverzeichnis:

Gneezy, Uri, Stephan Meier, and Pedro Rey-Biel. "When and Why Incentives (don't) Work to Modify Behavior." The Journal of Economic Perspectives 25.4 (2011): 191-210.

Grant, A., Singh, H., Schweitzer, M., Useem, M. & Cappelli, P. (30. März 2011). The Problem with Financial Incentives — and What to Do About It. Pennsylvania. https://knowledge.wharton.upenn.edu/article/the-problem-with-financial-incentives-and-what-to-do-about-it/

Kevin Blake. "Doubled Fines Don't Work." Consumers' Research Magazine 81.12 (1998): 38.

Wim Van der Stede. "The pitfalls of pay-for-performance". Finance and Management, 150 (Dec.). (2007). ISSN 1471-1818

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