Die Covid-Schutzimpfung

Im Folgenden werden drei Verhaltensanomalien in Bezug auf die Impfung gegen eine Corona-Erkrankung erklärt.

Sommersemester 2021: Anna Klara Kohlbacher und Jana Spirk

Im Blickwinkel von Verhaltensanomalien:

Bereits Kahnemann und Tversky haben 1979 mit ihrer Prospect Theory festgestellt, dass der
Mensch in der Wirtschaft nicht immer rational als Homo Oeconomicus agiert, sondern seine
Entscheidungen von vielen weiteren Faktoren abhängig sind. Diese Faktoren werden von
sogenannten Verhaltensanomalien geprägt, die unter anderem in der Wissenschaft im Bereich
der Behavioral Economics untersucht werden. Aber natürlich wirken sich diese nicht nur auf
den Menschen im Bezug auf wirtschaftliche Handlungen aus, sondern prägen auch das
alltägliche Leben. Vor allem in der aktuellen Situation der Corona-Pandemie lässt sich diese
Behauptung sehr gut beobachten. Die viel umstrittene AstraZeneca-Impfung geriet vor allem
durch selten vorkommende Hirnvenenthrombosen in Verruf. Dadurch ging die Zahl der
Impfwilligen weit zurück (Daum, 2021). Doch welche Effekte der Behavioral Economics und
Prospect Theory prägen nun die Entscheidung der Leute, sich keiner Schutzimpfung
unterziehen zu lassen?

Im Folgenden sollen drei dieser Verhaltensanomalien in Bezug auf die Impfung gegen eine
Corona-Erkrankung erklärt werden.

Verlustaversion und Besitztums-Effekt:

Die Verlustaversion lässt sich im wirtschaftlichen Zusammenhang sehr einfach erklären. Erhält
man beispielsweise 50 Euro, freut man sich über den Gewinn. Verliert man anschließend die
50 Euro wieder, wiegt dieser Verlust jedoch relativ schwer. Theoretisch hat man nun gleich viel
Geld zur Verfügung wie bereits in der Ausgangssituation, man ist jedoch trotzdem enttäuscht
und unzufrieden. Das lässt sich einerseits damit erklären, dass durch den Effekt der
Verlustaversion, ein Gewinn weniger stark gewertet wird als ein Verlust und andererseits tritt
hier zusätzlich der Effekt des Besitztums ein.

Subjektive Risikowahrnehmung und Überschätzung von geringen Wahrscheinlichkeiten:

Die subjektive Risikowahrnehmung besagt, dass Personen nur schlecht die
Wahrscheinlichkeiten von zukünftig eintreffenden Ereignissen einschätzen und wahrnehmen
können. Vor allem durch die Berichterstattung der Medien bleiben uns oft Ereignisse mit
dramatischen Folgen im Gedächtnis, die allerdings kaum oder sehr selten eintreten. Ein Beispiel
dafür bietet die Angst vor einem Flugzeugabsturz. Durch die Medienpräsenz wird diese Angst
unterstützt und verbreitet. Die geringe Wahrscheinlichkeit eines Flugzeugabsturzes wird also
überschätzt. Gleichzeitig tendieren die Menschen dazu hohe Wahrscheinlichkeiten zu
unterschätzen (Richter et al. 2018). Dass diese subjektive Risikowahrnehmung fatale Folgen
haben kann, zeigte sich bereits nach dem Terroranschlag 9/11. Die geringe Wahrscheinlichkeit
bei einem Flugzeugabsturz ums Leben zu kommen wurde überschätzt, während die hohe Kohlbacher & Spirk
Wahrscheinlichkeit eines Autounfalles unterschätzt wurde. Das Auto wurde dementsprechend
dem Flugzeug als Transportmittel vorgezogen und in Folge dessen kam es zu einem hohen
Anstieg an Verkehrstoten durch Autounfälle (Gaissmeier & Gigerenzer, 2012). In der Corona-Pandemie verhält es sich ähnlich: Durch die Dominanz der negativen Berichterstattung fürchten sich viele von den negativen Auswirkungen einer Schutzimpfung, obwohl diese vergleichsweise gering ist zur Wahrscheinlichkeit an Corona selbst zu erkranken oder zu
sterben. Die positiven Aspekte einer Schutzwirkung für sich und das persönliche Umfeld
werden kaum betont und dementsprechend unterschätzt.

Default-Effekt oder Status-Quo-Bias:

Ein weiteres wichtiges Phänomen, das hier miteinbezogen werden kann, ist der Default-Effekt,
der besagt, dass Menschen bei schwierigen Entscheidungen dazu tendieren, in der aktuellen
Situation zu verweilen. Bei schwierigen Entscheidungen trifft man häufig auf eine Fülle von
Informationen, die nur schwer verarbeitet werden, kann. Um dieser komplizierten Situation aus
dem Weg zu gehen, wählt man meistens den einfachsten Weg: den Status-Quo einfach
beizubehalten (Richter, 2018). Das trifft auch bei der aktuellen Impfsituation wieder zu. Welche
Impfstoffe sind am Markt? Welche bieten mir das geringste Risiko? Welche bieten mir am
meisten Schutz? Um diesen komplexen Fragen auszuweichen, ist die einfachste Variante den
aktuellen Stand beizubehalten, sich also nicht impfen zu lassen, obwohl dieses Verhalten
Menschenleben gefährdet.
Schlussendlich lässt sich sagen, dass die Wahrscheinlichkeit an Corona zu sterben um einiges
höher ist, als die Wahrscheinlichkeit nach einer Covid-Impfung an einer Hirnvenenthrombose
zu erkranken. Trotzdem schrecken viele Menschen aufgrund der vorher dargestellten
Phänomene vor einer Impfung zurück – obwohl dieses Verhalten alles andere als rational ist

Literatur:

Daum, D. (2021). Probleme in Innsbrucks Impfstation. Hälfte verweigert Astrazeneca. Online verfügbar unter:
www.tt.com/artikel/30789882/probleme-in-innsbrucks-impfstation-haelfte-verweigert-astrazeneca
Zuletzt abgerufen am 24.4.2021
Richter, A. Rus, J. Schelling, S. (2018). Moderne Verhaltensökonomie in der Versicherungswirtschaft. Springer. München.
Gaissmeier, W. Gigerenzer, G. (2012). 9/11, Act II: A Fine-Grained Analysis of Regional Variations in Traffic Fatalities in the Aftermath of the Terrorist Attacks. In: Psychological Science. Sage S. 1449-1454.

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