Der "rhyme-as-reason" Effekt

Bestimmt sind Sie schon auf den Werbespruch „Haribo macht Kinder froh und Erwachsene ebenso.“ oder „Ehrmann, keiner macht mich mehr an.” gestoßen. Ihnen ist sicher aufgefallen, dass beide Sprüche Reime enthalten. Dies wird gezielt eingesetzt um sich den „rhyme-as-reason“ Effekt zu Nutze zu machen. In diesem Blogbeitrag versuchen wir die Hintergründe und die Relevanz zu erklären.

Wintersemester 2021/22: Marion Feichter und Anna Veronika Zehren

Der „rhyme-as-reason“ Effekt ist ein „cognitive bias“ und besagt, dass Menschen den
Wahrheitsgehalt einer Aussage unter anderem auf Grundlage ihrer ästhetischen Qualität
beurteilen (Tofighbakhsh & McGlone, 1999). Dies führt dazu, dass Aussagen, die Reime
enthalten leichter im Gedächtnis bleiben und geglaubt werden, als Aussagen, die keine Reime
enthalten (The Rhyme-as-Reason Effect: Why Rhyming Makes Your Message More Persuasive,
o. D.).

Wir kennen vermutlich alle die gängige Redewendung “Was du heute kannst besorgen, das
verschiebe nicht auf morgen” . Es ist wahrscheinlicher, dass wir diese Aussage in ihrer
ursprünglichen Form für wahr halten, als wenn der Satz wie folgt formuliert wäre: ”Was du heute
kannst besorgen, das verschiebe nicht auf den nächsten Tag.” Die beiden Sätze unterscheiden
sich im Wesentlichen nicht in ihrem Aussagegehalt, aber die ursprüngliche Variante beinhaltet
einen ästhetischen Aspekt, nämlich in diesem Fall die Wiederholung des betonten Vokals “o”,
wodurch ein Reim entsteht. Ein Experiment aus dem Jahre 1999 in Easton, Pennsylvania
forschte zu genau diesem Phänomen, und befragte 80 Studienanfänger*innen zu ihrem
Verständnis von Aphorismen über menschliches Verhalten. Diese Sprüche waren in drei
Gruppen eingeteilt: eine Gruppe mit der originale Form aus einem Wörterbuch mit einem Reim,
und zwei Gruppen mit modifizierten Versionen des Spruchs ohne reimende Inhalte. Die
Studierenden bewerteten diese auf einer Skala von eins bis neun hinsichtlich Verständlichkeit
und inwieweit sie den Aphorismus als "zutreffende Beschreibung des menschlichen Verhaltens"
empfanden. Die durchschnittlichen Genauigkeitsbewertungen der Probanden für die gereimten
Formen der einzelnen Aphorismen waren signifikant höher (6.38) als die für die nicht gereimten
Formen (5.15 und 5.33). Es gab zudem keine Unterschiede in den durchschnittlichen
Verständlichkeit für die gereimten und ungereimten Formen (Tofighbakhsh & McGIone, 1999).
Diese Ergebnisse untermauern die Auswirkungen des rhyme-as-reason Effektes auf die
Bewertung des Wahrheitsgehaltes eines Satzes.

Es gibt mehrere kognitive Mechanismen, die die Wirkung des „rhmye-as-reacon“ Effekts und die
Ergebnisse des Experiments von Tofighbakhsh und McGlone (1999) erklären. Laut Eagly und
Chaiken (1995) bedienen sich Menschen besonders in Situationen, in denen ihnen die
Motivation oder das Fachwissen fehlt, unterschiedlicher Daumenregeln, sogenannter Heuristiken
(z.B. "seriöse Quellen neigen dazu, wahrheitsgemäße Aussagen zu machen" oder "bekannte
Sprüche sind eher glaubwürdig".) um den Wahrheitsgehalt einer Aussage zu überprüfen. Der
erste und wahrscheinlich wichtigste Effekt zur Erklärung des „rhyme-as-reason“ Effekts ist die
Keats-Heuristik. Sie wird sozusagen als mentale Abkürzung verwendet, bei welcher die
ästhetische Qualität einer Aussage als Grundlage für die Bewertung ihres Wahrheitsgehaltes
herangezogen wird (Tofighbakhsh & McGlone, 1999). Wird also eine Aussage mit Reimen
geschmückt wirkt sie attraktiver, was dazu führt, dass sie als wahrheitsgemäßer wahrgenommen
werden kann.

Ein weiterer Grund ist die Fluency-Heuristik, welche besagt, dass Informationen, welche leichter
verarbeitbar sind, mehr Wert zugesprochen wird. Somit gilt: je einfacher eine Aussage zu
verarbeiten ist, desto wahrscheinlicher ist sie wahr (The Rhyme-as-Reason Effect: Why Rhyming
Makes Your Message More Persuasive, o. D.). Wenn ein Reim, die Verarbeitung einer Aussage
durch seine Einfachheit unterstützt, lässt er sie wahrer erscheinen.

Gereimte Werbeslogans können durch ihre Eingängigkeit dazu führen, dass sie von ihren
Betrachtern häufig wiederholt werden. Dadurch werden sie vertrauter und wirken in der Folge
durch den Vertrautheitsmechanismus immer überzeugender. Dieser besagt, dass Menschen eine
Aussage überzeugender finden, wenn sie ihn wiederholt hören (The Rhyme-as-Reason Effect:
Why Rhyming Makes Your Message More Persuasive, o. D.).

Im Allgemeinen sind Menschen sich der Faktoren, die ihr Urteil und Verhalten beeinflussen, oft
nicht bewusst. So erfreut sich dieses Konzept des Reimens im Marketingbereich bereits Anfang
des 20. Jahrhunderts an großer Beliebtheit. Das Ende eines sich reimenden Satzes bietet dem
Leser oder Zuhörer einen angenehmen Anreiz, da das letzte Wort meist selbst erraten werden
kann. Diese Möglichkeit der Selbsterzeugung von Wörtern wirkt sich sehr positiv auf das
Einprägen der Wörter aus (Filkuková & Klempe, 2013). Unternehmen nutzen dieses
verhaltenswissenschaftliche Phänomen aktiv in Marketingstrategien, um Werbeslogans
attraktiver und glaubwürdiger zu gestalten. Eine Studie von Filkuková und Klempe aus dem
Jahre 2013 untersucht diesen Effekt mithilfe von neuen, künstlich geschaffenen Werbeslogans.
Das Experiment zeigt, dass die gereimten Sprüche nicht nur als sympathischer, origineller und
einprägsamer wahrgenommen wurden als ihre ungereimten Pendants, sondern auch als deutlich
vertrauenswürdiger und überzeugender.

Wenn Sie aufmerksam durchs Leben gehen wird Ihnen der rhyme-as-reason Effekt im Alltag
noch des öfteren begegnen.

Quellen:

Eagly, A.H.; Chaiken, S. (1995.) The psychology of attitudes. Psychologie & Marketing, 12(5),
459-466.

Fulkuková, P.; Klempe, S. H. (2013). Rhyme as reason in commercial and social advertising.
Scandinavian Journal of Phsychology, 54 (5), 423-431.

McGlone, M. S.; Tofighbakhsh, J. (1999). The Keats heuristic: Rhyme as reason in aphorism
interpretation. Poetics, 26 (4), 235-244.

The Rhyme-as-Reason Effect: Why Rhyming makes your Message more persuasive, o.D. URL:
https://effectiviology.com/rhyme-as-reason/#:~:text=More%20Persuasive%20–%20Effectiviology-,The
%20Rhyme-as-Reason%20Effect%3A%20Why%20Rhyming%20Makes%20Your,to%20those%20that
%20do%20not, aufgerufen am 22.11.2021.

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