Der Herdenimmunität Teufelskreis Trittbrettfahrer-Verhalten hinsichtlich der Covid-19 Impfung

Wie, Wo und Warum? … Was könnte man dagegen tun?

Wintersemester 2021/22: Katharina Sieder und Liam Hibbe

Wie, Wo und Warum?
Schon seit geraumer bedroht die COVID-19 Pandemie die globale Bevölkerung.
Gerade in dieser schwierigen Zeit ist es ein essenzielles Ziel für die öffentliche
Gesundheitspolitik Impfungen zur Bekämpfung des Virus zu fördern. Da Impfungen
weder rivalisierend noch ausschließend im Konsum sind, stellen sie ein öffentliches
Gut dar (Ibuka et al., 2014). Die Förderung von Impfungen als öffentliches Gut führen
im Umkehrschluss zu positiven externen Effekten (Abb.1). In diesem Fall wäre dieser
positive externe Effekt die Senkung der Ansteckungsgefahr für Dritte bei
abgeschlossener Impfung eines Individuums, mit dem Ziel der Herdenimmunität.
Herdenimmunität bezeichnet in der Epidemiologie eine Form des Schutzes vor einer
ansteckenden Infektionskrankheit, welcher entsteht wenn ein hoher Prozentsatz der
Bevölkerung immun ist (Zifonun, 2020). Diese Immunität vermindert die
Ausbreitungsmöglichkeiten des Erregers innerhalb der globalen Bevölkerung
(Zifonun, 2020). Immunisierung kann durch Impfungen oder auch durch Infektion
erfolgen. Die Herdenimmunität stellt im Impf Beispiel das globale Optimum dar,
welches durch Beiträge wie Impfungen in das Öffentliche Gut angestrebt wird.

Jedoch spielt hier die Thematik des Trittbrettfahrens eine große Rolle. Trittbrettfahrer
vermeiden “Kosten” der Impfungen, während sie von den Impfungen anderer
Personen profitieren (Ibuka et al., 2014). Da das Infektionsrisiko eines Individuums
von der Anzahl der Impfungen anderer Personen abhängt, nimmt das Infektionsrisiko
mit steigenden Impfungen ab, unabhängig vom eigenen Impfstatus.
Dies reduziert als Folge den Anreiz für Ungeimpfte sich in Zukunft impfen zu lassen,
da sie von den Beiträgen Anderer in das öffentliche Gut indirekt profitieren. In anderen
Worten führt das Trittbrettfahrerproblem somit zu einer Stagnierung der
Impfbereitschaft, welche erneut staatliches Eingreifen erfordert, um wieder Fahrt auf
zu nehmen (Abb.1). Und auch wenn die Herdenimmunität nicht erreicht wird, bedeutet
eine höhere Akzeptanz ein geringes Ansteckungsrisiko, was die Anreize zum Impfen
verringert. (Agranov et al., 2021).

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Abbildung 1: Herdenimmunität-Teufelskreis (eigene Darstellung)

Es lässt sich festhalten, dass Impfungen als öffentliches Gut und mit dem Ziel der
Herdenimmunität (soziales Optimum), sich nicht nur für Geimpfte, sondern auch für
Ungeimpfte als profitabel erweisen. Jedoch sinkt der Anreiz sich impfen zu lassen in
Abhängigkeit von der Anzahl der Impfungen Anderer. Angenommen jedes Individuum
agiert als Trittbrettfahrer, würde die gewünschte Herdenimmunität und somit auch das
soziale Optimum in Zukunft nie erreicht werden. Es stellt sich die Frage wie man
zukünftig aus diesem Teufelskreis ausbrechen könnte.

Choice Architecture als möglichen Lösungsansatz
Aber was wären mögliche Ansätze, die dem Problem des Freeridings
entgegenwirken? Also wie kann man die Impfbereitschaft erhöhen? In diesem
Blogeintrag entschieden wir uns auf Choice Architecture einzugehen. Choice
Architecture ist ein zentrales Konzept der Verhaltensökonomik und beschreibt die
verschiedenen Möglichkeiten, wie dem Konsumenten Entscheidungen präsentiert
werden können. Anhand der Gestaltung der Wahlmöglichkeiten, will man die
Entscheidungsfindung des Verbrauchers in die gewünschte Richtung lenken (Thaler
et al., 2013). Mit dieser Strategie will man das gewünschte Verhalten intuitiv gestalten,
ohne dabei die Optionen der Entscheidungsträger zu ändern oder einzuschränken.
Eine sehr liberale Anwendung wäre hier Nudging. Ein Nudge beschreibt wortwörtlich
übersetzt einen Anstupser, welcher - ohne dem Entscheidungsträger einzuschränken
- seine Entscheidung lenken kann. (Thaler et al., 2008) Beispiele: Eine simple
Erinnerungs-SMS kann schon hilfreich sein, den Entscheidungsträger “anzustupsen”.

Auch könnte man hier durch Poster oder Bilder, welche eine positive Assoziation zu
der Impfung erschaffen, in stark besuchten “Gegenden” aufhängen. (In
Einkaufszentren, an Schulen, etc.) Weiters bietet es sich hier an auf Defaults
zurückzugreifen. Ein Default ist eine Standardwahl (Standardeinstellung).
Verbraucher richten sich oft nach der "einfachsten" Option und das ist meist die Wahl,
die regelmäßig (bis immer) getätigt wird. Ökonomisch betrachtet minimiert ein Default
die Kosten der Auswahl, sowie der Entscheidung, was gekauft (getan) werden soll.
(Thaler et al., 2013) Es fällt uns schwerer von unserem Status Quo abzuweichen. Und
anhand von Choice Architecture kann ein solcher Default gesetzt werden. Wenn
Menschen sich anmelden müssen (Opt-In), bleiben viele bei der Standardoption, sich
nicht anzumelden. Wenn man sich aber bewusst abmelden muss (Opt-out), werden
viele die vorgeschlagene Option annehmen. So wäre es hier eine gute Strategie für
Ungeimpfte intuitiv einen Impftermin zu vergeben. Die Chancen, dass sie diesen
Termin wahrnehmen, sind sehr hoch. (Pettinger, 2021)

Abschließend können wir zusammenfassen, dass Menschen auf Heuristics und
Biases gut ansprechen. Um jedoch eine so dringliche Angelegenheit durchzubringen,
wird man ohne staatliches Eingreifen das gewünschte Ziel nicht erreichen können.
Monetäre Anreize, sowie Strafen oder Subventionen würden sich hier auch anbieten.
In den nächsten Monaten wird sich herausstellen, ob sich hier in Österreich die
paternalistische Impfpflicht erfolgreich durchsetzt, oder ob wir uns weiterhin im
Herdenimmunität Teufelskreis verweilen.

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Literaturverzeichnis:

Agranov, M., Elliott, M. and Ortoleva, P., 2021. The importance of Social Norms
against Strategic Effects: The case of Covid-19 vaccine uptake. Economics Letters,
206, p.109979.

Ibuka, Y., Li, M., Vietri, J., Chapman, G. B. & Galvani, A. P. (2014). Free-Riding Behavior
in Vaccination Decisions: An Experimental Study. PLoS ONE, 9(1), e87164.
https://doi.org/10.1371/journal.pone.0087164

Pettinger, T., 2021. Economicshelp. [Online]
Available at: https://www.economicshelp.org/blog/glossary/choice-architecture/
[Zugriff am 04 12 2021].

Thaler, R. H. &. S. C., 2008. NUDGE: Improving Decisions About Health, Wealth, and
Happiness. s.l.:Penguin.

Thaler, R.H., Sunstein, C.R. and Balz, J.P., 2013. Choice architecture. In The behavioral
foundations of public policy(pp. 428-439). Princeton University Press.

Zifonun, G. (2020b). Zwischenruf zu „Herdenimmunität“. Sprachreport Jg. 36, 3, 38–
40. https://doi.org/10.14618/sr-3-2020-zif

Herd Image: Pixabay.com

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