Der Gang in eine falsche Richtung

Die Zwiespältigkeit hinter den Demonstrationen gegen den Klimaschutz

Sommersemester 2021: Marian Machacka und Nicolas Weiser

Häufig kann man in den Medien von Demonstrationen gegen den Bau von neuen Windparks, welche für grünen und sauberen Strom sorgen sollen, lesen. Dabei steht meist nicht der Umstand, dass in eine saubere Umwelt investiert wird, im Vordergrund, sondern die Sorge der Menschen, dass die Windräder in der Nähe ihres Hauses errichtet werden könnten. Die Bürger haben häufig Angst, dass durch die neuen Gebäude das Landschaftsbild verändert wird und, dass für die Anrainer eine Lärmbelästigung entsteht, wodurch die Lebensqualität abnimmt und die Immobilien und Grundstücke an Wert verlieren. Zeitgleich zeigt aber eine Studie, dass die gesellschaftliche Zustimmung für die Bewältigung der Klimakrise durchaus gegeben ist, denn 81 % der Befragten sind der Meinung, dass die Energiewende viel zu langsam voranschreitet und 92 % sprechen sich positiv für den Ausbau von Solar- und Windenergie aus.1 Deshalb stellt sich die Frage, warum es diese Zwiespältigkeit in der Bevölkerung überhaupt gibt. Im nachfolgenden Teil wird das Problem erklärt und aus spieltheoretischer Sicht analysiert. Zudem werden zwei Lösungsstrategien geboten, wie die Beteiligung am Ausbau der grünen Energie und allgemein am Klimaschutz gesteigert werden kann.

Der Interessenskonflikt zwischen der Befürwortung und der Ablehnung von Windrädern kann mit dem Trittbrettfahrerproblem (engl. „Free-rider-problem“) erklärt werden. Als Trittbrettfahrer werden Personen bezeichnet, welche „die Wirkung einer Maßnahme mitbenutzen, ohne eine entsprechende Gegenleistung zu erbringen“2. Also all jene Personen, die zwar den Ausbau der Windenergie befürworten würden, allerdings selbst keinen Nachteil aus dem Bau von Windrädern erfahren möchten. Das Free-Rider Phänomen tritt in der Regel häufig bei der Bereitstellung von öffentlichen Gütern, wie zum Beispiel bei der Bereitstellung einer sauberen Umwelt, auf. Ein öffentliches Gut dient der Gesamtheit, egal von welcher Partei es bereitgestellt wird, da zum Beispiel niemand von der Nutzung der sauberen Umwelt ausgeschlossen werden kann. Zudem weist es die Eigenschaft auf, dass die Nutzung keinen negativen Einfluss auf Dritte hat.3 Bezogen auf die Umwelt kann also gesagt werden, dass alle Bürger gleichermaßen von einem Ausbau der Windräder profitieren, egal wo die Windräder gebaut werden. Laut Rational Choice Theorie, welche davon ausgeht, dass Menschen nur aus Eigeninteresse handeln, kann man also sagen, dass die Demonstranten demnach rational handeln, indem sie gemäß eines egoistischen "Homo Oeconomicus" ihren individuellen Nutzen maximieren, und deshalb den Bau von Windrädern in der eigenen Stadt verhindern wollen.4

Betrachtet man das Free-Rider Problem aus spieltheoretischer Sicht, so wird der Interessenskonflikt weiter deutlich. Nachfolgend wird davon ausgegangen, dass eine Stadt i (z.B. Innsbruck) vor der Entscheidung steht, in eine saubere Umwelt zu investieren oder die Investition nicht zu tätigen. Dabei kostet der Bau eines Windparks 1000€, während dadurch ein Nutzen von 1500€ für die gesamte Gesellschaft geschaffen wird. Zudem gilt zu beachten, dass die Welt so groß ist, dass sich die individuelle Entscheidung einer Stadt nur marginal auf die gesamte Umwelt auswirkt und, dass die restlichen Städte der Welt mit einer einheitlichen Stimme agieren. Die folgende Auszahlungsmatrix stellt die Aus-zahlungen der Stadt i und der gesamten anderen Städte, je nach Entscheidung der jeweils anderen Partei, dar: 5

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Bei der Ermittlung des Nash Gleichgewichts probiert man immer eine Strategiekombination zu finden, welche aus den wechselseitig besten Antworten besteht. Man schaut also was die Stadt i tun wird, wenn alle anderen Städte einen Windpark bauen. Da in diesem Fall die Auszahlung für die Stadt i höher ist, wenn sie das Geld spart, wird sie keine Investition tätigen. Analog dazu wird auch die Stadt i nicht investieren, sofern alle anderen Städte der Welt nicht investieren. Somit sieht man, dass sich das Free-Riding für die Stadt i als dominante Strategie herausstellt. Umgekehrt ist es aber für die restlichen Städte optimal, wenn sie als geschlossenes Kollektiv je einen Windpark bauen. Das Nash Gleichgewicht liefert also das Strategieprofil (Geld sparen, Windpark bauen). Das bedeutet, dass eine einzelne Stadt keinen Windpark errichten wird, auch wenn eine gemeinsame Kooperation aller Städte zum sozial-optimalen Ergebnis führen würde. Wenn also auch alle anderen Städte nicht als Kollektiv handeln würden, so würde keine Stadt einen Windpark bauen.

Insgesamt wird also ersichtlich, dass es externe Anreize braucht, um die Kooperationsbereitschaft einer rational agierenden Stadt zu erhöhen. Ein solcher Anreiz wurde beispielsweise geschaffen indem gemeinsame Verträge und Klimaabkommen, wie zum Beispiel das Pariser Klimaabkommen oder das Kyoto-Protokoll, verbindlich unterschrieben wurden. Der Erfolg solcher Abkommen kann am Beispiel der EU gesehen werden, welche durch gemeinsame Zusammenarbeit das Ziel erreichen konnte, die Treibhausgasemissionen seit dem Jahr 2008 um 20% zu reduzieren.6 Angesichts der Windrad-Proble-matik könnten auch noch weitere Anreize, wie zum Beispiel Subventionen oder Entschädigungszahlungen für die benachteiligten Bürger, geschaffen werden, damit der Bau von Windparks voranschreitet. Solche Zahlungen könnten durch Ökosteuern oder Strafen bei nicht-Kooperation finanziert werden, wodurch wiederum ein weiterer Anreiz für mehr Klimaschutz entstehen würde. Nur mit solchen Anreizen kann man es schaffen einen rational agierenden Homo Oeconomicus in die richtige Richtung zu lenken und ihn auf einen Weg zu bringen, der gemeinsam mit allen Erdbewohnern gegangen wer-den muss - Der Weg in eine grüne und saubere Zukunft.

1 vgl. Knuth, H. (2020). …ich will trotzdem kein Windrad vor der Tür. Online: https://www.zeit.de/2020/08/windenergie-erneuerbare-energien-klimaschutz-klimapolitik?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.de%2F, Abruf: 19.04.2021.

2 Kirsch, G. (2020). Trittbrettfahrer. Online: http://www.wirtschaftslexikon24.com/d/trittbrettfahrer/trittbrettfahrer.htm, Abruf: 12.04.2021.

3 vgl. Wiegand, L. (2010). Klimawandel als kollektives Risiko: ein Experiment zum Einfluss der Verlustrisikofunktion auf die Zielerreichung (Doctoral dissertation, Universität Oldenburg).

4 Grüsgen, V. (2011). Der gerechte Trittbrettfahrer? Der Einfluss des Gerechtigkeitsmotivs und des Eigeninteresses im Sozia-len Dilemma" Umweltschutz".

5 vgl. Cansier, D. (1993). Umweltökonomie. Stuttgart/Jena: Gustav Fischer.

6 vgl. Europäischer Rat. (2020). Maßnahmen der EU gegen den Klimawandel. Online: https://www.consilium.eu-ropa.eu/de/policies/climate-change/, Abruf: 19.04.2021.

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