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FWF-Projekt "Archäologische Forschungen in Ascoli Satriano"
Nach internationaler Begutachtung wurde das beim Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) eingereichte Forschungsprojekt "Archäologische Forschungen in Ascoli Satriano (Provinz Foggia/Italien)" in der Kuratoriumssitzung vom 23./24.1.2006 unter der Projektnummer P18950 genehmigt. Nach den anonymen Fachgutachter stellt "das Projekt einen wichtigen Baustein in der Erforschung des antiken Apuliens dar" und es werden zu erwartenden "hervorragenden Ergebnisse" sowie die hohe Qualität der am Projekt beteiligten nationalen und internationalen Wissenschaftler betont. Ziel
des Projekts ist durch die Veröffentlichung bisher unbearbeiteten
Fundmaterials und Befunden einen daunischen Siedlungsplatz in seiner Gesamtheit
der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Im Rahmen des
Projekts sollen dabei folgende Punkte bearbeitet werden.
1.
Aufarbeitung des Fundmaterials Erstes
und arbeitsintensivstes Ziel ist nach Abschluss der Grabungsarbeiten die Sichtung,
Aufnahme und wissenschaftliche Aufarbeitung des bisher zur Gänze noch nicht
bearbeiteten, ausgewerteten und unveröffentlichten Fundmaterials vom Colle
Serpente. Im Zuge von sieben Grabungskampagnen durch das Institut für Archäologien
der Universität Innsbruck in den Jahren 1997-2002 kamen ca. 17 500
Kleinfunde zutage. Bei den Vorarbeiten für die Antragstellung konnte ein
kleiner Teil des Materials gesichtet werden, wobei vorerst folgende
Beobachtungen gemacht wurden: Das Kleinfundmaterial kann im Wesentlichen in
drei, allerdings quantitativ stark unterschiedliche Gruppen eingeteilt werden.
Das reichhaltige keramische Fundmaterial stellt mit ca. 85 % den größten Teil
des zu bearbeitenden Materials dar, ca. 10 % entfallen auf Reste von
Tierknochen; metallische Funde (Eisen, Bronze) sind eher spärlich und bilden
nur etwa 5 % des Fundmaterials. Die Keramik lässt sich in drei Hauptgruppen
unterteilen: in die vorwiegend lokale Gebrauchskeramik, die sich aus grober
Impasto-, feiner Gebrauchskeramik und Großgefäßen zusammensetzt, in die
Feinkeramik, die neben der in Form und Bemalung charakteristischen
Subgeometrisch-Daunischen Ware aus engobierter Keramik und einigen
apulisch-rotfigurigen Stücken besteht und in die Baukeramik, mit einem, wie
sich zeigt, umfassenden Repertoire an verschiedenen Dachziegeltypen, sowie eine
große Anzahl an in Form und Verzierung unterscheidbaren Webgewichten.
Über
das Kleinfundmaterial soll auch der Versuch gemacht werden, die stratigraphischen
Befunde vom Colle Serpente innerhalb
des 4. Jh.v.Chr. zu datieren und auch der Frage nach dem Zeitpunkt des
endgültigen Siedlungsendes an diesem Platz nachzugehen. - Die
Bearbeitung und anschließende Veröffentlichung dient der Erweiterung der
Materialbasis von daunischen Siedlungsplätzen und kann in diesem Bereich als
wichtige Grundlage und Beitrag für weitere Forschungen angesehen werden, da
umfangreiche, in Katalogtexten und wissenschaftlich-technischen Zeichnungen
bearbeitete Funde aus daunischen Siedlungsgrabungen, im Gegensatz zur
Nekropolen, bisher kaum veröffentlicht vorliegen.
Die
Skelette der vier Gräber sollen anthropologisch untersucht werden, um
Auskunft über Geschlecht, Sterbealter, eventuelle Verletzungen und Krankheiten
zu erhalten sowie möglicherweise die daraus resultierende Todesursache
festzustellen.
Neben
dem Kleinfundmaterial sollen durch das
Institut für Prähistorische und Naturwissenschaftliche Archäologie (IPNA) der
Universität Basel die umfangreichen Knochen, Zähne und
Knochenartefakte des Colle Serpente untersucht werden und Tierart,
Geschlecht, Größe, Sterbealter, Zerlegungsspuren und der ungefähre Habitus
des Tieres durch Vergleich mit rezenten Tierknochen bestimmt werden. Die
quantitative Auswertung wird Auskunft über die relative ökonomische Bedeutung
der verschiedenen Arten geben und damit in der Gesamtheit haustierkundliche und
wirtschaftsarchäologische Schlüsse zulassen, wie beispielsweise zu
Jagdverhalten, Domestikation und Nutzung der Tiere. Die Tierknochenfunde im
Bereich der Opferplätze werden Aussagen zu bevorzugten Opfertieren,
Riten und Bräuchen im Bereich des Kultes ermöglichen. Mit diesen
Forschungen würde ebenfalls wissenschaftliches Neuland betreten werden, da
erstmalig eine umfangreiche archäozoologische Auswertung einer daunischen
Siedlung durchgeführt werden könnte. Das Institut wird zudem die archäobotanische
Analyse der Gefäßinhalte der Gräber vom Colle Serpente vornehmen, um hier
mögliche Hinweise auf die darin ursprünglich aufbewahrten und dem Toten ins
Grab mitgegebenen Substanzen zu bekommen.
2.
Auswertung der Befunde Einhergehend
mit der Kleinfundbearbeitung soll das Fundmaterial auch im Kontext der Befunde
und Schichtbeobachtungen gesehen werden. Vornehmlich stellt sich die Frage nach
der Identifizierung der einzelnen Baustrukturen (Grubenhaus, Haus 1-3)
und Zuweisung entweder an Einzelhäuser oder größere zusammengehörige
Komplexe. Hierbei werden zum einen Beobachtungen der massiven Ziegelverstürze
und ihrer exakten Begrenzungen, zum anderen Fragmente von Baukeramik (Antefixe)
Aufschluss geben. Innerhalb der Gebäudestrukturen soll die Zuordnung von
Raumfunktionen anhand des vorwiegend angetroffenen Kleinfundmaterials
(beispielsweise gehäuft auftretenden Fragmenten von großen Vorratsgefäßen)
durchgeführt werden.
Auch
die in der bisherigen Forschung allein in Beziehung zu den Grabanlagen
gedachten, für die daunische Kultur charakteristischen Kieselpflasterungen,
gilt es zu hinterfragen und ihren gleichzeitigen Bezug zu den
Siedlungsbefunden bzw. die gemeinsame Nutzung und zeitliche Einordnung zu klären.
Da
Gräber in Daunien in ihrem Aufbau und ihren Inventaren bereits gut bekannt und
dokumentiert sind, ist die Erforschung von Siedlungen und die Rekonstruktion von
Hausbefunden aus wissenschaftlichen Grabungen um so wichtiger. Bisher gibt es in
ganz Daunien für diese Zeit kein Dutzend gesicherter und ausgewerteter
Hausbefunde, so dass mit den vier Gebäuden vom Colle Serpente v.a. dem für
seine Zeit einzigartigen Grubenhaus wichtige neue Aspekte zu Hausbau und
Siedlungsgewohnheiten gewonnen werden können.
3. Rekonstruktion der Bebauung Nach
der Auswertung der Befunde werden auch Überlegungen zur Rekonstruktion der
Gebäude angestellt. Dabei wird zunächst der Frage nach dem Aufbau der
Wandstrukturen (Holz, luftgetrocknete Lehmziegel, Fachwerk,...) nachzugehen
sein. Durch die Erarbeitung einer Ziegeltypologie und Gewichtsermittlung wird
man die notwendigen tragenden Elemente ableiten und das Aussehen der massiven
schweren Ziegeldächer rekonstruieren können.
Die
Ziele des Projekts „Forschungen zur Siedlungstopographie auf dem Colle
Serpente in Ascoli Satriano (Provinz Foggia/Italien)“ liegen in der
Auswertung von bisher unbekannten Befunden
und Funden einer daunischen Siedlungsgrabung und Nekropole und
der abschließenden monographischen Veröffentlichung (Befunde /
Kleinfundkatalog). Die wissenschaftliche Vorlage des bisher zur Gänze noch
unbearbeiteten Kleinfundmaterials aus den Jahren 1997-2002 im Kontext der Bau-
bzw. Grabbefunde stellt ein Desiderat der Erforschung der daunischen Kultur in
Apulien dar und wird wesentlich zu neuen Erkenntnissen über Siedlungsgewohnheiten
beitragen. Die umfangreiche Materialaufnahme wird zum einen als Basis für
weitere Forschungen dienen, zum anderen entscheidende Impulse für die
Erforschung Ascoli Satrianos und darüber hinaus ganz Dauniens liefern. Die
Bedeutung des Ortes soll herausgearbeitet und seine Stellung innerhalb der übrigen
daunischen Städte präzisiert werden.
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