Witiko

H90, S. 101a


und als man noch andere Dinge in ihr in Ordnung gebracht hatte, sagte man Witiko, daß diese zwei Gemächer zu seiner Wohnung dienen sollten. Der alte Mann wohnte in einem Stüblein, welches an der andern Seite des Vorhauses der Stube gegenüber lag, und dessen Fenster auf den Hof sahen, [und] die Magd hatte ein sehr kleines Kämmerlein neben der Küche[.] , und der Knecht seinen Verschlag im Stalle.

Da der Abend dieses Tages gekommen war, besorgte Witiko noch einmal sein Pferd, und legte sich dann auf sein Tannengestelle zur Ruhe.

Als am andern Tage die Sonne über die Föhren, die im Morgen von den Häusern über einen sanften Bühel hinstanden, aufgegangen war, und als von den Häusern und Hütten der Rauch von den Feuern, an denen das Morgenmahl bereitet wurde, zwischen den Waldbäumen gerade gegen den Himmel empor stieg, stand Witiko schon angekleidet in der Stube, und betrachtete durch die Fenster diese Dinge. Und als ihm sein Morgenmahl gebracht worden war, das Lucia aus Milch und Mehl bereitet hatte, verzehrte er es, und verlangte dann von Martin, ob er ihm Fußbekleidungen verschaffen könnte, mit denen er durch jede Tiefe des Schnees zu gehen vermöchte. Da Martin einen Mann, der solche Dinge verfertigte, herbeigebracht, da Witiko sich zwei Paare langröhriger von starkem dichtem Leder verfertigte Stiefel aus den vorgelegten Vorrathe ausgelesen und bezahlt hatte, da er ein Paar angezogen und die Besorgung seines Pferdes vollendet hatte, nahm er sein Schwert und seine Lederhaube, und ging von dem Hause ins Freie. Er ging auf dem engen Schneewege des Hauses zu den andern Häusern, er ging zwischen ihnen bis zur Kirche empor, er ging an der Kirche vorüber, und begann den hinter ihr liegenden flachen Berg, auf welchem das rothe Kreuz stand, zu besteigen. Er fand hier keinen Weg, sondern bahnte sich in dem tiefen Schnee und zwischen dem Gestrippe, das er jezt als lauter Wachholder erkannte, seine Richtung. Er ging bis auf den Gipfel empor, blieb neben dem rothen Kreuze stehen, und sah herum. Zu seinen Füssen lag der kleine Ort, dessen Schneedächer in dem allgemeinen weißen Schnee[gewande] ringsherum kaum zu erkennen waren, nur der aufsteigende Rauch zeigte zuweilen die Stelle, wo eine Hütte stand. In der Kirche ertönte das Glöklein, welches die Menschen zur Andacht rief. Unterhalb des Ortes war die weiße Hülle, unter der die Wiesen und Felder und die Moldau liegen mußten, sonst war
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alles dunkler dichter Wald, der von dem Froste bereift war. Im Morgen standen einige Hügel, die größtentheils Föhren trugen, und über die man gegen die Ferne nicht hinaus zu sehen vermochte. Weiter rechts, wo der Morgen gegen den Mittag neigte, war ein sehr breiter dunkeldämmriger Rüken, etwa vier Wegstunden entfernt, der an dem reinen Himmel dahin ging. Witiko kannte ihn sehr wohl, es war der große Wald, durch den ihn Florian [von dem Aigen herüber] zu der Moldau und dem Orte Fried-