Witiko

H9, S. 13


Zeichen."

"Meine Rosen?"

"Ja, [M]meine Mutter hat ein Gärtlein, die Umhegung trägt solche Rosen, wie du sie hast. In dem Gärtlein sind andere mit vielen Blättern, die du nicht kennst. Da war ein feines Herrlein, älter als ich. Das sagte einmal zu meiner Mutter, sie sollte arbeiten, um Brod zu verdienen, statt die Zeit mit den Rosen zu vertreiben. Ich sprang hervor, und sagte ihm, das kümmere niemand, wenn meine Mutter Freude an den Blumen habe, und diesen Rosen wird er einmal Ehrfurcht zeigen müssen, er wird wieder knieen müssen vor den Rosen."

"Ich kenne deine Rosen, die voll von Blättern sind," sagte das Mädchen. "Sie stehen in unserem Garten auch, der Vater hat sie ein mal gebracht."

"Und warum hast du denn die Rosen da auf deinem Haupte," sprach der Reiter, "ich habe dich schon ein mal gefragt."

"Ich habe sie, weil ich will," entgegnete das Mädchen.

"Und warum willst denn?" fragte der Reiter fort.

"Für den Willen gibt es keine Ursache," sagte das Mädchen.

"Wenn man vernünftig ist, so gibt es für den Willen immer eine Ursache," erwiederte der Reiter.

"Das ist nicht wahr," sagte das Mädchen, "wenn man auch noch so vernünftig ist, so gibt es Eingebungen, die über alle Vernunft sind."

"Trägst du diese Rosen aus einer Eingebung?" fragte der Reiter.

"Das weiß ich nicht," entgegnete das Mädchen, "aber, wenn ich auch eine Ursache habe, muß ich sie dem sagen, der nach ihr frägt?"

"Nein, wenn er nicht Vater oder Mutter ist," antwortete der Reiter; "aber ich habe dir ja auch von meiner Mutter und ihren Rosen gesagt."

"Nun, so will ich dir auch von meinem Vater und meiner Mutter und ihren Rosen sagen," erwiederte das Mädchen. "Meine Eltern haben von hier weiter oben ein Haus. Wir würden es erreichen, wenn wir hier in den Wald gingen, wo ich mit meiner Gespannin herausgetreten bin, wenn wir in dem Walde nach aufwärts fort gingen, bis wir ein Wasser rauschen hörten, und wenn wir dann zu dem Wasser gingen, und demselben immer entgegen, dann würden endlich Wiesen und Felder kommen, und in ihnen das Haus. An dem Hause ist ein Garten, wo die Sonnenseite ist, und in dem Garten stehen viele Blumen. Aber hinter dem Garten ist ein Hügel von alten Zeiten. Er hat allerlei Gestein und dürre Erde, und ist nur sehr klein. Auf ihm wachsen viele Waldrosen, und ich habe diese Waldrosen noch weiter fortgepflanzt. Und da habe ich ein Reifchen, das um meinen Scheitel paßt, das Reifchen hat Löcher, in die Löcher steke ich zuweilen an einem Sonntage Rosen, und seze sie auf mein Haupt."

"Weil wir noch mehr sprechen werden," sagte der Reiter, "so gehen wir ein wenig an dem Waldsaume hin, woher du mich kommen gesehen hast. Da werden wir Steine finden, welche zu Sizen sehr tauglich sind. Auf dieselben können wir uns sezen, und dort sprechen."

"Ich weiß es nicht, ob ich noch mehreres mit dir sprechen werde," antwortete das Mädchen, "aber ich gehe mit dir zu den Steinen, und seze mich ein wenig zu dir. Ich kenne die Steine sehr gut, und habe selber die Size machen lassen. Im Sommer ist es am Vormittage dort sehr heiß, am Nachmittage aber schattig. Im Herbste ist es [V]vormittags lieblich und mild."

Sie wandelten nun in der Richtung an dem Saume des Waldes hin, in welcher der Reiter zu dem Mädchen hergekommen war. Sie hatten bald jene Steine erreicht, an denen der Reiter versucht hatte, ob sie zu Sizen tauglich wären. Er blieb stehen, und harrte, bis das Mädchen sich gesezt haben würde. Es sezte sich auf einen glatten Stein. Der Reiter sezte sich zu ihrer Linken auf einen, der etwas niederer war, so daß nun sein Angesicht mit dem ihrigen sich in gleicher Höhe befand. Das Schwert legte sich zu seiner Linken zwischen die Steine. Es zeigte sich, wie das Mädchen gesagt hatte. Die Vormittagssommersonne schien warm auf die Size. Die Ahorne, welche hinter ihnen standen, warfen ihre Schatten rükwärts. Da nahm der Reiter seine Lederkappe mit ihrem Anhange

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