Witiko

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tiefer, und fassen mehr alle Bestandtheile der Länder an als die, welche früher gewesen sind. Und [xxx] wenn sie fortdauern, so wird der Herzogstuhl zittern, wird ein Schatten werden, und in die Macht eines fremden Mannes fallen. Nicht die Frage ist jezt die größte, wer soll Herzog sein, sondern die, wie soll die Nachfolge bestellt werden. Und wenn ihr heute in unsrer Versammlung den Besten wählt, welcher auf dem Erdboden ist, und wenn er ein langes Leben führt, und während dieses langen Lebens die Länder wohl beherrscht, so ist das Unglük nur aufgeschoben, und es bricht nach seinem Tode aus, es wäre denn, daß dort wieder der beste gewählt werden könnte, und so immer fort[.], und daß jeder Gewählte die Macht habe, die, welche die Wahl als kein Gesez erkennen wollen, nieder zu halten. Wie ich zu erkennen meine, neigen sich die Herren der Länder Böhmen und Mähren dahin, die Herzoge nach dem Tode der Vorgänger von nun an durch die Wahl zu bestellen; aber [da] dann wäre es besser, zu dem verlassenen schlechten Alterserblichkeitsgeseze zurükzukehren, als alles auf diese Spize zu sezen. Es scheint glaublich, daß man durch die Wahl immer sollte den Besten erkiesen können; aber ich habe lange gelebt, und viele Menschen gesehen: wie wenige gibt es, die zu wählen verstehen, und wie wenige, die wählen dürfen, wenn auch die Herren der Länder Böhmen und Mähren das Land sind, so sind doch auch die Bauern da und die anderen, derer sie gedenken müssen; aber auch wenn sie ihrer gedenken, so ist die große Zahl der Menschen so, daß sie zuerst ihrer selbst gedenkt, und auch nicht recht ihrer selbst sondern ihrer Lust. Die, welche nach dem Fürstenstuhle trachten, werden Versprechungen machen, und wenn der gewählte Herzog Einigen zuwider handelt, so werden sie sich verbinden, einen neuen zu wählen, der gefügiger ist, und wieder einen andern, und dieses werden sie gerade desto mehr thun, je mehr sie durch Kriege, die diese Dinge begleiten, wild und begehrlich geworden sind. Sie werden sich theilen, bis ein Fremder den geschändeten Stuhl nimmt, [und ihn mit seiner Macht behält.] wie in den traurigen Zeiten des rothaarigen Boleslaw schon der polnische Boleslaw gethan hat. Möge dann der Fremde eine milde weise und mächtige Hand über die Länder streken. Diese meine Augen, so alt sie sind, können es noch sehen, daß viele von denen, die heute für Wladislaw den Sohn des vorigen Herzoges Wladislaw stimmen, wenn er erwählt ist, wieder von ihm abfallen, und gegen ihn in den Waffen stehen. Ich muß daher mit christlichem Glauben sagen: Haltet euer Versprechen, welches ihr Wladislaw dem Sohne unseres Herzoges Sobeslaw gegeben habt, und1 huldiget ihm nach dem Tode seines Vaters als Herzog. Vereinigt euch um ihn, und ihr werdet mit ihm, wenn er auch jung ist, im Rechte stark sein, wie der hochehrwürdige Bischof Silvester gesagt hat, sonst aber schwach. Das Versprechen in Sadska war nicht erzwungen; denn es mußte keiner hingehen, [und] [xxx] oder er konnte es wieder [vor einer] ohne Zusage verlassen. Wenn aber die Herrschaft dieses Wladislaw[s] mit euch fest gegründet ist, dann verbindet euch mit ihm, und errichtet in langem und reifem Rathe eine Herrscherfolge, daß das jezige Unheil und [der] alles künftige [Landesverlust] vermieden werde. So spreche ich, und kann in meinem Alter die Gedanken nicht mehr ändern."

Nach diesen Worten sezte sich Bolemil wieder nieder.

Als er geendigt hatte, brachen Rufe aus: "Ja, unsere Lage ist sehr übel," "er hat recht, wir sind in Wuth und Kämpfe gerathen," "das Land geht dem Unheile entgegen," "das muß geändert werden," "wir wollen nicht wieder Gut und Blut verlieren," "wir sollen nicht von hier fortgehen, bis alles geordnet ist," "wir müssen einmal Ruhe haben."

Hierauf waren die Laute nicht mehr verständlich, und es war ein bloßes Getümmel.

Als durch eindringliche Zeichen des Bischofes Zdik das Tosen sich gelegt hatte, und eine solche Stille eingetreten war, daß man Worte vernehmen konnte, rief er: "Die Reihe der Rede ist nun an mir."

Da es ganz stille geworden war, sprach er: "Ich habe nur weniges zu sagen, aber bedenket es. Als wir vor zwei Jahren in Sadska waren, haben wir ein gutes Werk vollbracht. Wir haben den künftigen Herzog vorbestimmt, daß bei dem Übergange der Herrschaft die Ordnung des Reiches gewahrt werde. Unser edler Herzog Sobeslaw war noch nicht so alt, daß wir an seinen baldigen Hintrit hätten denken sollen, und wir erwarteten, daß er seinen Sohn Wladislaw, den wir anerkannt hatten, unter seinen
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