Witiko

H8, S. 12


Bleiben die Gefühle der Seele im Munde des Volkes ausströmt. Alle Gefühle des Jubels der Freude der Lust der Trauer der Sehnsucht der Liebe der Schalkhaftigkeit können durch solche Töne deutlich und stark ausgedrükt werden, wie einstens, da es noch keinen Gesang gab, der Schrei des Menschen die Lust und Freude den Zorn den Schrek und das Entsezen aussprach. Dieser Gesang ist sehr alt, weil er so ursprünglich ist, weil er in den Zeiten, die wir kennen immer derselbe geblieben ist, weil er nur von dem Volke gesungen wird, und nur in den Bergen und Wäldern, wohin bis jezt die Wandlungen der Zeiten nicht gedrungen sind. Er war in den Jahrtausenden vor dem Noricum, im Noricum, und nach diesem. Es ist dasselbe Herz, das er ausspricht, und das dasselbe bleiben wird, bis die Umwälzungen der Menschen auch in die hohen Berge und in die Wälder kommen, und das alte Kleinod wegnehmen. Meistens sind es zwei Stimmen, die vereint die starken Regungen des ursprünglichen Herzens austönen, und die sich im Ergusse wechselseitig [noch] verstärken. Die zwei Stimmen, die der Reiter hörte, hoben sich, senkten sich, trugen sich, trennten sich, nekten sich, schmollten. Es war dieses Mal nur die Lust und Freude, die sie aussprachen. Sie schienen näher zu kommen, und wenn sie auch eine Weile geschwiegen hatten, so erhoben sie sich wieder, schwellten sich, und stiegen gleichsam [in einem] wie leuchtende[n]r Bogen [auf] empor, und belebten den Wald. Der Reiter ging nun wieder längs der Richtung hin, um zur Stelle zu gelangen, woher der Gesang zu kommen schien. Der Gesang wurde deutlicher, und es war, als ob er nur mehr durch einige Stämme von dem Reiter getrennt wäre. Plözlich traten zwei Gestalten aus den Tannen hervor und standen auf derselben Wiese wie der Reiter, in nicht großer Entfernung von ihm. Sie hielten sich mit zwei Armen [um] die Naken umschlungen, die anderen zwei Arme hatten sie frei. Es waren junge Mädchen mit bloßen Köpfen, von denen jedem zwei Zöpfe nieder gingen. An den Armen war weißes Linnen, von den Busenlazen, die roth waren, fiel der starkfaltige dunkle Rok [nieder] gegen die xxx. Eines der Mädchen trug wilde rothe Rosen in einem dünnen Kranze um das Haupt. Das andere hatte keine Zierde. Da sie auf die Wiese getreten waren, und den Mann sahen, hörte plözlich der Gesang auf. Sie blieben stehen, sahen auf ihn hin, und er gleichfalls still stehend auf sie. [[Da] Darauf] Dann begann [d]er [Reiter], langsam auf [sie] die Mädchen zuzugehen. Sogleich [barg] [zog] trat [sich] das Mädchen, welches keine Rosen hatte, in de[m]n Wald[e] zurük, daß es nicht mehr gesehen werden konnte. Dem anderen rief er zu: "Rosenmädchen, fürchte dich nicht."
Randnotiz: Das andere blieb stehen, und der Reiter rief ihm zu:

Es blieb stehen, er näherte sich, und da er vor demselben stand, sagte er: "Warum hast du denn diese Rosen auf deinem Haupte?"

"Ich bin hier in meiner Heimath," antwortete sie, "aber du bist hergekommen, was willst du denn?"

"Was ich will," entgegnete der Reiter, "nun, was ich will; ich suche mein Glük."

"Dein Glük? hast du das verloren?" fragte das Mädchen, "oder suchest du ein anderes Glük, als man zu Hause hat?"

"Ich will es dir sagen," antwortete der Reiter, "ich bin auf dem Wege nach einem sehr großen Schiksale, das dem rechten Manne ziemt."

"Kennst du dieses Schiksal schon, und weißt du, wo es liegt?" fragte das Mädchen.

"Nein," sagte der Reiter, "das wäre ja nichts Rechtes, wenn man schon wüßte, wo das Glük liegt, und wenn man [es] nur gehen und es aufheben dürfte. Ich werde mir mein Geschik erst machen."

"Und bist du der rechte Mann, wie du sagst?" fragte das Mädchen.

"Ob ich der rechte Mann bin," antwortete der Reiter, "siehe, das weiß ich nicht; aber ich will in der Welt das Ganze thun, was ich kann."