Witiko

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erführe, daß der junge Mann, den er mit einem Auftrage betraut hat, von uns zurük gestoßen, oder gefangen gehalten oder mißhandelt würde. Und wenn jemand hier die Meinung hegt, daß der Herzog unsere besten Beschlüsse, weil sein Geist durch die Krankheit getrübt ist, mißbilligen könnte, so wäre es [nach solchen Vorgängen] möglich, daß er nach solchen Vorfällen durch sein krankes Gemüth auf übereilte Rathschlüsse käme, und das Unheil gerade einträte, das wir zu vermeiden streben. Wenn wir aber seinen Boten zu uns lassen, so wird er auf dessen Antwort harren, und wir gewinnen [indessen diese] Zeit, [was bei seiner Krankheit sehr viel gewinnen heißen kann.] und er verliert Zeit. Ja, es mag auch geschehen, daß er nicht blos, wenn er gegenwärtig sein könnte, wie der hochehrwürdige Bischof Zdik gesagt hat, das Gute, das hier geschaffen wird, sähe, sondern, daß er es auch, wenn es ihm hinterbracht wird, troz des Schleiers der Krankheit erkennt, und dann alles ausgeglichen ist, und gut vorüber geführt wird. Ich meine daher, so weit meine Einsicht alles zu fassen vermag, daß nicht blos die Hochherzigkeit dieser Versammlung, wie der hochehrwürdige Bischof vor mir dargelegt hat, sondern auch die Klugheit verlangt, daß wir den [jungen Mann] Jüngling, der vor uns steht, zum Zuhörer unserer Versammlung aufnehmen."

Nach diesen Worten ging der Priester Daniel wieder zu seinem Size.

Da rief der junge Mann Milhost: "Die Erhabenheit dieser Versammlung soll nicht durch die Klugheit geschändet werden, sich vor Feindseligkeiten zu fürchten. Ob Feindschaft ist oder nicht, gilt gleich; nur die Macht und Gewalt dieser Versammlung soll über allem bestehen, was ist."

Der Bischof Zdik that einen starken Schlag auf die Gloke, und rief: "Du hast dein Urtheil in dieser Sache schon abgegeben, es ist die Reihe der Rede nicht an dir, ich verwarne dich, Milhost, daß du die Ordnung der Versammlung nicht störst."

"Die Ordnung, die Ordnung," riefen mehrere Stimmen.

Der junge Mann sezte sich nieder, und Zdik ging wieder zu seinem Size.

Hierauf erhob sich ein dunkelgekleideter sehr alter Mann in der zweiten Reihe der Size und sagte: "Ich bin Lubomir, und bin nach dem ehrwürdigen Priester Daniel an der Reihe der Rede. Ich hätte nach dem, was gesprochen worden ist, auf meine Worte Verzicht geleistet; jezt aber sage ich, daß die Menschlichkeit, weil wir doch hier versammelt sind, um unser armes Land vor Unglük zu bewahren, verlangt, daß wir in diesen ungewissen Zeiten Zank und Zwietracht vermeiden. Es bedeutet nichts, wer zuhört, die Ehre der Versammlung hängt von ihren Thaten ab nicht von dem Dasein oder Absein eines Kindes. Laßt den Knaben nieder sizen und zuhören." ~i

Nach diesen Worten sezte sich Lubomir wieder nieder.

Nun stand ein Mann in mittleren Jahren auf, grün gekleidet, mit einer schwarzen Feder auf der Haube. Er sprach: "Ich heiße Jurik, und sage, daß die Versammlung so hoch ist, daß sie im Angesichte der ganzen Welt beschließen kann."

Nach ihm erhob sich ein alter Mann in weißen Haaren dunkelbraunem Gewande und mit einer Feder auf der schwarzen Haube. Er sprach: "Ich bin Wsebor, und sage: ["]Es ist vor allem unsere Pflicht, daß wir das schwere Leiden unseres Herzoges, dessen Unterthanen wir ja noch sind, ehren."

Es erhob sich ein Ruf des Beifalls nach diesen Worten.

Hierauf stand in der ersten Reihe der Kriegsanführer Smil auf, und sagte: "Ich bin Smil, und führe nur die Worte an: Die Kraft einer jeden Versammlung ist ihre Mäßigung, die Gefahr aber ihre Anmaßung; und diese entsteht, wenn Einzelne, welche Macht und Ansehen nicht haben, solche mit Hilfe ihrer Versammlung erringen wollen."

Nach ihm erhob sich in der Mitte des Saales ein alter Mann in dunkelrothsammetnem Gewande und sagte: "Ich bin Bozebor, und verzichte auf meine Worte."