Witiko

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[zwei und zwanzig Jahren geboren worden. Mein Vater starb, da ich noch ein Kind war. Meine Mutter ging mit mir zu einer Base nach Baiern, und lebte dort. Wir besizen einige kleine Gründe in diesem mittäglichen Böhmen nahe an den Waldorten, die jezt dort im Entstehen sind, an Friedberg und an dem Plane, welcher der obere heißt. Meine Mutter sandte zuweilen jemand aus Baiern nach diesen Gründen. Sonst sind wir nichts. Einmal, so geht die Sage, als die Bewohner Böhmens von Christus noch nichts wußten, seien wir groß und mächtig gewesen, und hätten schon den neuen Glauben gehabt. Aber wie es ist, ob es so gewesen ist oder nicht, ist jezt einerlei, jezt sind wir nichts.]
neres im Wangetschlage. Mein Geschlecht soll in uralten Tagen im großen Walde sehr mächtig gewesen sein. Aber wie es auch ist, jezt sind wir nichts. Ich bin vor zwei und zwanzig Jahren im Lande geboren worden. Mein Vater starb bald. Meine Mutter war mit mir öfter in Baiern, öfter in unserm Eigen. Als ich reiten gelernt hatte, und die Waffen führen konnte, ritt ich von Baiern durch meine Heimath nach Prag, um Sobeslaw dem Herzoge unseres Landes zu dienen. Es sind seither achtzehn Monde verflossen. Ich kam unter Männer, die als Reiter[dienste thaten] dienten. Als im vergangenen Jahre der [Krieg] Zug unseres Volkes in Verbindung mit dem deutschen Könige Konrad gegen die Sachsen war, und als ich einen Weg ausforschte, [auf] durch welche[m]n unsere Schaar [an die Feinde von einer Seite herankam, wo sie es nicht vermutheten, dadurch dem anderen Theile unseres Heeres der Sieg erleichtert wurde] eine bessere Aufstellung machen konnte, sah ich den Herzog, welcher mich belobte. Als der Herzog krank war, ritt ich auf Hostas Burg, um zu erfahren, wie schwer er leide. In dem vorigen Monate ließ er mich in sein Krankengemach rufen, und sagte, ich solle nach Prag reiten, es seien auf dem Wysehrad Versammlungen, welche berathen, was nach seinem Tode sein wird. Ich solle ergründen, was sie sagen und vorhaben, und soll ihm die genaue Nachricht [zurük] bringen. Zum Zeichen, daß ich nicht aus mir selber rede, hat er mir ein Kreuzlein gegeben, an welches geglaubt werden wird."

Witiko brach hier ab, zog das Beutelchen hervor, nahm das Kreuzlein heraus, trat einige Schritte vor, und reichte es dem Bischofe Zdik.

Dieser betrachtete das Kreuz, und gab es dann an den Bischof Silvester. Der Bischof Silvester gab es in die Hände der Äbte und Priester, welche an seiner Seite saßen. Von diesen kam es an die übrigen Priester [und], und von den Priestern an die weltlichen Herren. Der Mann mit dem purpurnen weiten Gewande betrachtete es genau, [und sah es noch einmal an, da es von rükwärts nach vorne kam, und gab es dann dem Bischofe Zdik zurük. Der Bischof legte es wieder in die Hände Witikos.] und gab es dann weiter. Die es besehen hatten, gaben es wieder weiter, und es kam immer mehr zurük. Dann kam es wieder vorwärts bis in die Hände des Bischofes Zdik. Zdik gab es Witiko. Dieser trat an seinen Plaz zurük, und barg es in seinem Fache und mit ihm in seinem Gewande.

Als dieses geschehen war, trat ein Priester von denen, die abseits der Bischöfe und Äbte saßen, auf den freien Raum1 hervor, und rief: "Ich bin Daniel der Sohn des Magnus, ein Untergebener des ehrwürdigen Propstes von Prag Otto und mit ihm des hochehrwürdigen Bischofes Silvester. Ich bitte mit der Genehmigung meiner Obern die mächtigen Herren um Gestattung einer Zwischenrede wegen des Kreuzes."

Da nach diesen Worten alle still waren, sagte er: "Das Zeichen, welches der Bote vorgewiesen hat, gehört unserm erlauchten Herzoge Sobeslaw. Es ist ein Kreuzlein, welches er trägt, seit er sich mit seinem sterbenden Bruder Wladislaw versöhnt hat. Es ist von dem Bischofe Meinhard geweiht worden. Ich bin [damals] dabei im Kirchendienste neben meinem Vater gestanden, und habe es auf einem Kissen gehalten. [Ich erkenne es an] Es hat den Namen Jesus[, den es] in [seinem] feine[n]m Golde [trägt], und
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