Witiko

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Dann sagte er: "Der Bote vor uns will unsere Beschlüsse, wie wir [eben] vernommen haben, an den Herzog Sobeslaw melden. Wir sind in [einer] der lautern Absicht hier, [nehmlich] zu berathen, was nach dem Tode unseres erhabenen Herzogs, welcher nahe bevor zu stehen scheint, geschehen soll, damit unser Vaterland von den Übeln verschont bleiben möge, welche nach einem solchen Falle [leicht] eintreten können. Unsere Beschlüsse mögen wie gut immer sein, so kann es geschehen, daß sie dem Herzoge Sobeslaw mißfallen, und daß sein Geist, der von der Krankheit getrübt ist, Anordnungen trift, die Verwirrung und Unglük im Lande erregen. Was der junge Bote offen anstrebt, ist daher Verrath an unserem Vaterlande. Wir können die Ausführung dieses Verrathes verhindern, wenn wir den Abgesendeten von unserer Versammlung entfernen; dann bleibt aber [immer] noch der Versuch des Verrathes übrig, in welchem er in diesem Augenblike vor uns begriffen ist. Darum sage ich, daß man den Jüngling in Gewahrsam nehmen, und dem künftigen Herzoge zum Gerichte übergeben soll."

Hierauf sezte er sich wieder nieder.

Nun stand auf der linken Seite des Saales ein Mann auf, der ein dunkelblaues Gewand einen rothen Bart und rothe Haare und eine weiße Feder auf der dunkelblauen Haube hatte. Der Mann rief: "Ich bin Benes!"

Dann sprach er: "Wenn auch das alles zur Wahrheit besteht, was die Männer vor mir gesagt haben, so ist es gleichfalls wahr, daß die höchsten Männer des Reiches in diesem Gemache versammelt sind, deren Name, wenn er gerufen wird, allen bekannt ist, und die das Geschik der Völker, welche in diesen Landen wohnen, in ihre Hand nehmen dürfen. Den Bothen, der vor dem Tische steht, kennt niemand, und seine Jahre geben ihm auch kein Recht an dieses Gemach. Es gesellt sich daher zu dem Verbrechen die Vermessenheit, und beides muß gestraft werden. Ich sage also: Wartet nicht auf den künftigen Herzog, sondern sezet ein Gericht zusammen, das über ihn urtheilt."

Er ließ sich wieder auf seinen Siz nieder.

Sogleich stand in der Mitte der rechten Seite des Saales ein junger Mann auf. Er hatte blonde Loken und blaue Augen. Die schwarze Haube mit den weißen Reigerfedern hielt er im linken Arme, der ein braunes golddurchwirktes Kleid zeigte. Er rief: "Ich bin Milhost!"

Dann rief er mit lauter Stimme: "Weil diese Versammlung das höchste Heil des Landes zu bewahren hat, so besizt sie die größte Würde, die es in diesem Lande gibt. Soll sie aber ihren Zwek zu Ende führen, so muß sie die höchste Gewalt sein, der niemand widerstreben kann, die niemand zerwerfen kann, ohne sich selber zu zerwerfen. Darum sage ich: Lasset einen hohen Pfahl vor dem Wysehrad errichten, und hänget diesen jungen Mann auf den Pfahl, und lasset ihn zum Schrek und Beispiele hängen bis eine Stunde vorher, da der neue Herzog in Prag auf den Fürstenstuhl gesezt wird."

Der, welcher so gerufen hatte, sezte sich wieder auf seinem Plaz nieder.

Nach ihm erhob sich ein alter Mann, der in einer der vorderen Bänke saß. Er