Witiko

H62, S. 69b


glauben wollen, so müßte es gewiß um ein Großes wachsen, wenn er1 erführe, daß der junge Mann, den er mit einem Auftrage betraut hat, von uns zurük gestoßen oder gefangen gehalten oder mißhandelt würde [xxx,]. Und wenn jemand hier die Meinung sagt, daß der Herzog unsere besten Beschlüsse, weil sein Geist durch die Krankheit getrübt ist, mißbilligen könnte, so wäre es nach solchen Vorgängen möglich, daß er durch sein krankes Gemüth auf übereilte Rathschlüsse käme, und das Unheil einträte, [eben] das wir [uns bemühen, es] zu vermeiden streben. Wenn wir aber seinen Boten zu uns zu lassen, so wird er auf dessen Antwort harren, und wir gewinnen indessen diese Zeit, was [in der |gegenwärtigen| Lage] bei seiner Krankheit sehr viel gewonnen heißen kann. Ja es mag auch geschehen, daß [der Herzog] er nicht blos, wenn er gegenwärtig sein könnte, wie der hochehrwürdige Bischof Zdik gesagt hat, das Gute, das hier geschaffen wird, sähe, sondern daß er es auch, wenn es ihm hinterbracht wird, [durch den] troz des Schleier<s> der Krankheit erkennt, und daß dann alles ausgeglichen ist, und gut vorüber geführt wird. Ich meine daher, so weit meine Einsicht alles zu fassen vermag, daß nicht blos die Hochherzigkeit dieser Versammlung, wie der hochehrwürdige Bischof vor mir dargelegt hat, sondern auch die Klugheit verlangt, daß wir den jungen Mann, der vor uns steht, zum Zuhören in unsere Versammlung aufnehmen."

Nach diesen Worten ging der Priester Daniel wieder zu seinem Size.

Da rief der junge Mann Milhost: "Die Erhabenheit dieser Versammlung soll nicht durch die Klugheit [zu der Feigheit gebracht] geschändet werden, sich vor Feindseligkeiten zu fürchten. Ob Feind[seligkeiten sind]schaft ist oder nicht, ist [einerlei] gleich; nur die Macht und Gewalt dieser Versammlung soll über allem bestehen, was da ist."
Randnotiz: Milhost2

Der Bischof Zdik that einen starken Schlag auf die Gloke, und rief: "Du hast dein Urtheil in dieser Sache schon abgegeben, es ist die Reihe der Rede nicht an dir, ich verwarne dich Milhost, daß du die Ordnung der Versammlung nicht störst."

"Die Ordnung, die Ordnung," riefen mehrere Stimmen.

Der junge Mann sezte sich nieder, und Zdik ging wieder zu seinem Size.

Hierauf erhob sich ein dunkelgekleideter sehr alter Mann in der zweiten Reihe der Size, und sagte: "Ich bin Lubomir, und bin nach dem ehrwürdigen Priester Daniel an der Reihe der Rede. Ich hätte nach dem, was gesprochen worden ist, auf meine Worte Verzicht geleistet, jezt aber sage ich, daß die Menschlichkeit, weil wir hier versammelt sind, um unser armes Land vor Unglük zu bewahren, verlangt, daß wir in diesen ungewissen Zeiten Zank und Zwietracht vermeiden. Es bedeutet nichts, wer zuhört, die Ehre der Versammlung hängt von ihre[m]n [Vorgehen ab.] Thaten ab, nicht von dem Dasein oder Absein eines Kindes.3 Laßt den Knaben nieder sizen, und zuhören."
Randnotiz: Lubomir4

Nach diesen Worten sezte sich Lubomir wieder nieder.

Nun stand ein Mann in mittleren Jahren auf, grün gekleidet mit einer schwarzen Feder auf der Haube. Er sprach: "Ich heiße Jurik, und sage, daß die Versammlung so hoch ist, daß sie im Angesichte der ganzen Welt beschließen kann."
Randnotiz: Jurik5

Nach ihm erhob sich ein alter Mann in weißen Haaren [und] dunkelbraunem Gewande und mit einer ¢grauen¢ Feder auf der schwarzen Haube. Er sprach: "Ich bin Wsebor, und sage: "Es ist vor allem unsere Pflicht, daß wir das schwere Leiden unseres Herzoges, dessen Unterthanen wir ja noch sind, ehren."
Randnotiz: Wsebor6

Es erhob sich ein Ruf des Beifalls nach diesen Worten.

Hier auf stand in der ersten Reihe der Kriegsanführer Smil auf, und sagte: "Ich bin Smil, und führe nur die Worte an: Die Kraft einer jeden Versammlung ist ihre Mäßigung[;] die Gefahr [derselben aber ist, wenn Einzelne, |welche Macht und Ansehen|] aber ihre Anmaßung; und diese entsteht, wenn Einzelne, welche Macht und Ansehen7 nicht haben, solche mit Hilfe ihrer Versammlung

Randnotiz: Smil

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