Witiko

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Als eine kurze Zeit vergangen war, öffnete ein Kämmerling die Thür, und führte Witiko herein. Derselbe war in seinem Lederkleide. [Sein Haupt war entblößt.]

Der Herzog winkte dem Kämmerlinge, sich zu entfernen, und sagte dann: "Adelheid, du hast den erkannt, den ich meinte. Trit näher, Witiko."

Witiko trat einige Schritte von der Thür gegen den Herzog.

"Du mußt bis zu dem Bette herzu kommen," sagte Sobeslaw.

Witiko ging hinzu, blieb stehen, und schaute auf den Herzog. Von seinem entblößten Haupte gingen die blonden Loken auf die Schultern h[er]inab. Seine Lederhaube hielt er in der Hand.

"Witiko," sagte der Herzog, "du [hast in dem Streite, den wir in dem vergangenen Jahre mit den Sachsen für den König Konrad hatten, Vernunft gezeigt] bist in dem Zuge, den wir mit dem Könige Konrad nach Sachsen thaten, klug gewesen, du gehörst keinem Vornehmen meines Reiches an, [dem du zuhalten wirst, du bist noch sehr jung und schaust] du blikest ehrlich, [du] und wirst mich nicht [Verrath üben] verrathen. Nimm das beste Pferd, welches in der Burg ist, verwahre dich wohl gegen die Kälte, und reite nach Prag. Dort halten sie auf dem Wysehrad Versammlungen, und berathen, was nach meinem Tode sein wird. Ergründe, was sie sagen, und vorhaben, und bringe mir die genaue Nachricht zurük. Ich werde dir ein goldenes Kreuzlein mitgeben, das zeige dem Bischofe Silvester, der wird dir in deinem Werke an die Hand gehen. Du hast dich zu denen gesellt, die hier um mich sind, du wirst meinen Auftrag vollführen."

"Hoher Herr," entgegnete Witiko, "wenn ich dir die wahre Nachricht zurükbringe, wirst du dann gegen die [Mächtigen] deines Landes, die dir zuwider handeln, feindlich verfahren?"

"Nein, mein junger [Kriegsmann] Reitersmann," erwiederte der Herzog, "ich [habe diesem Lande, seit ich es beherrsche, meinen Sinn zugewendet, ich will] werde nur wissen, was [sie thun] es ist, und werde dann sterben [Die nach mir sind, werden ihre Rechte wahren, wenn sie können. Jezt wäre jedes Beginnen unnüz.]."

"So werde ich gehen, und werde dir die rechte Botschaft bringen," antwortete Witiko.

"Gott geleite dich," sagte der Herzog.

Nach diesen Worten langte er in den hölzernen Schrein, der hinter dem Bette stand, und zog ein Beutelchen von rothem Sammet hervor. Dann öffnete er das Beutelchen, und that ein sehr kleines goldenes Kreuzlein heraus.

"Hier ist das Kreuzlein," sagte er.

Dann stekte er es wieder in das Beutelchen, und reichte dasselbe an Witiko. Witiko nahm es, und barg es in seinem Wamse. Dann neigte er sich gegen den Herzog und die Frau, und schritt gegen die Thür. Die Frau erhob sich, trat zu ihm, und sagte: "Geht mit Gottes Segen, junger Reiter, und [xxx] übet Treue, so lange ihr lebt."

Witiko antwortete nichts.

Die Frau ging vor ihm zur Thür, und vor ihm durch dieselbe hinaus. In dem Gemache, in welches sie kamen, spielten drei Knaben auf mehreren [Hirschdeken] Hirschfellen, die man auf den Fußboden gebreitet hatte. Auf einer Bank saß ein Priester.