Witiko

H51, S. 59b


in einem sammetnen dunkelpurpurnem weitem Gewande, das ein Gürtel zusammenhielt, in welchem Gürtel aber kein Schwert hing. Der Mann hatte eine hohe kahle Stirne und ein weißer Bart floß auf das Purpurgewand nieder. Neben ihm saß einer in grünem Gewande mit weißen Haaren. Es war Smil ein Kriegsanführer, den Witiko im sächsischen Kriege gesehen hatte. Neben Smil saß einer in schwarzem Gewande mit weißem Barte, und dann noch mehrere in kostbaren Gewändern. In den hinteren Reihen saßen vornehme Herren Böhmens schöngeziert. Alle hatten ein Schwert. Witiko kannte keinen, oder er konnte ihn in der Menge nicht erkennen. Unter denen, die ganz rükwärts waren, glaubte er das Angesicht des Reiters zu erbliken, der sich bei Chynow den Sohn des Nacerat geheißen hatte. Auch sah er einen Mann, von dem er meinte, daß er damals Welislaw genannt worden ist. Noch einen sah er, der in jenem Gefolge gewesen war. Den Scharlachreiter konnte er nirgends erbliken.

Als er in den Saal getreten war, nahm er seine Lederhaube mit der linken Hand ab, strich mit der rechten seine Loken zurük, und stand dann da, seine Augen auf die Versammlung richtend.

Es war ein großes Gemurmel gewesen, als er in den Saal trat, wie es immer ist, wenn viele Menschen in einem Raume sind, und obschon nicht laut doch vielfältig mit einander sprechen. Das Brausen der Rede war noch lauter geworden, da er eintrat. Manche hatten sich von ihren Sizen erhoben, um ihn genauer zu sehen, und die rükwärts waren, standen fast alle in ihrer Größe aufrecht, um besser nach vorwärts schauen zu können.

Als das Geräusch sich nach und nach minderte, erhob sich ein Priester, der neben den Bischöfen geseßen war, trat in den freien Raum vor dem Tische, und rief: "Ich bin der Abt von Kladrau!"

Hierauf schwieg er, und da sich nirgends ein Widerspruch erhob, und da beinahe eine gänzliche Stille eingetreten war, hob er an: "Liebe, Mächtige und Wohlmeinende! Wir haben heute in diesem Hause eine Versammlung, die so groß und ehrfurchterwekend ist, wie selten eine in diesem Lande statt gefunden hat. Viele Getreue haben, als das Unglück zu drohen schien, welches nun dem Reiche bevorsteht, ihre Worte ausgetauscht, was vorzubereiten ist, daß der Jammer nicht erscheine, der schon manchesmal bei einem Wechsel in dieses arme Land gekommen ist: als aber die Nachricht in das Land ging, daß es fast nicht anders sein werde, als daß unser erlauchter Herzog Sobeslaw zum ewigen Leben in der Gesellschaft seiner Brüder seiner Eltern und Voreltern werde einberufen werden, so kam eine große Zahl edler Herren dieses Reiches aus allen Gegenden herein, sie offenbarten ihren Stand und ihren Besiz, und verlangten, zu den Versammlungen gelassen zu werden. Der Rath zu ernster Erwägung der Dinge und zur Findung des Ausganges ist nun heute in diesem Hause eröffnet worden. Aber ehe er seinen Gegenstand pflegen konnte, ist ein Vorfall gekommen, dessen Schlichtung zuerst noth thut. Ein junger Reiter ist erschienen, den unser mächtiger Herzog Sobeslaw gesendet hat, daß er ergründe, was die edlen Herren des Reiches beschließen, und es melde. Er will daher an die Versammlung die Bitte thun,

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