Witiko

H49, S. 60a


schlimmer ist als ein Kundschafter im Kriege: so ist mein Wort dieses: Nehmt den jungen Frevler, werft ihn in den Thurm, sezt ein Gericht über ihn, das einen Spruch fälle, und verfahret nach dem Spruche.
Randnotiz: wahrt den jungen Mann im Thurme.
Nach diesen Worten sezte sich der welcher geredet hatte, wieder nieder.

Hierauf erhob sich einer in einem rothen Gewande, ein Mann, welcher in den hinteren Bänken saß, auf der schwarzen Haube eine rothe Feder trug, und an dem Kinne einen starken grauen Bart hatte, und rief: "Ich bin Domaslaw."

Dann sagte er: "Weil der Knabe eingestanden hat, daß er das, was in dieser Versammlung geredet und beschlossen werden wird, dem kranken Herzoge hinterbringen will, weil diese Handlung, wenn sie vollführt wird, große Verwirrung in der jezigen Lage des Landes anrichten kann, und weil diese Handlung, wenn wir sie auch dadurch verhindern, daß wir den Knaben entfernen, doch vermessen ist, und der Versuch eines Verrathes sein kann: so meine ich, daß der junge Reiter sogleich in Haft genommen, und nach dem Tode des erlauchten Herzoges Sobeslaw dem künftigen Herzoge zum Gerichte übergeben werden soll."1

Dann sezte er sich wieder auf seinen Siz.

Nach ihm erhob sich ein junger Mann in der Mitte der rechten Seite des Saales. Er hatte blonde Loken und blaue Augen. Die schwarze Haube mit den weißen Reigerfedern hielt er im linken Arme, der ein braunes golddurchwirktes Kleid zeigte. Der Mann rief: "Ich bin Milhost!"

Dann rief er mit lauter Stimme: "Weil diese Versammlung das höchste Heil des Landes zu bewahren hat, weil sie die größte Würde besizt, die irgendetwas in diesem Lande zu besizen vermag, so ist jeder, der sich gegen sie auflehnt, ihr befehlen will, in ihr Entzweiung zu stiften vorhat, oder ihre Beschlüsse hindern will, der größte Verräther, und zur Warnung, daß niemand es wage, durch Zerwerfung der Versammlung das Land zu zerwerfen, möge dieser junge Mann an den Galgen gehängt werden, und dort allein sichtlich hängenbleiben, bis eine Stunde, bevor der neue Herzog in [diesem Hause] seiner Hauptstadt
Randnotiz: in Prag
auf den böhmischen Fürstenstuhl gesezt wird."
Randnotizen:
xxx
auf einen hohen Pflok hängen
xxx
soll sie ihren Zank zu Ende führen muß sie dich höchste Macht im Lande sein

Dann sezte sich der, welcher so gerufen hatte, wieder auf seinen Siz.

Nach ihm erhob sich ein alter Mann, der in einer der vorderen Bänke saß. Er hatte ein dunkelbraunes Kleid eine schwarze Haube ohne Feder und einen langen weißen Bart. Er rief: "Ich bin Bolemil."

Ein sehr tiefes Schweigen entstand nach seinem Rufe, und er sagte dann: "Ich hätte jezt noch nicht geredet, wenn nicht die Reihe an mir wäre; so aber spreche ich Folgendes:
Randnotiz: weil ich glaubte, daß unsere Redenszeit jezt nocht nicht ist, aber weil meine Vormänner gesprochen haben, und die Reihe mich trifft, so sage ich Folgendes:
ich habe eine lange Reihe von Jahren gelebt, und habe vieles gesehen. Ich habe noch den alten römischen Kaiser Heinrich den vierten gekannt, der den Streit mit dem heiligen Vater Gregor dem [S]siebenten hatte, und der zu gleicher Zeit mit unserem Herzoge Wratislaw lebte, welcher Herzog ein König gewesen ist. Ich habe vor mehr als fünfzig Jahren Dienste gethan, als dieser Herzog zum Könige gekrönt worden ist. Ein solches Fest ist in Böhmen nicht gewesen, und wird nicht wieder sein. Der Herzog und seine Ehegemalin, Swatawa, die vor vierzehn Jahren gestorben ist, in königlichen Gewändern am Sanct Veitstage im Dome zu Sanct Veit von dem Erzbischofe von Trier Egilbert gekrönt und gesalbt, Fürsten Bischöfe alle Lechen Böhmens und alles Volk zugegen, und der Ruf: "Dem von Gott gesalbten Könige Wratislaw dem großen und guten Heil und Segen." Es waren damals Gesänge, die man schier vergessen hat. Ich erfuhr es, wie dieser König von dem Pferde stürzte, und todt war. Ich habe seinen Sohn Bretislaw gekannt, welcher acht Jahre geherrscht hat, und dann im Walde [von] bei Bürgliz ermordet worden ist. Ich habe dann die blutigen Kämpfe erlebt, welche um den Fürstenstuhl erfolgt sind, weil unter Bretislaw die Alterserblichkeit aufgehoben worden ist. Ich habe den Bruder und Nachfolger Bretislaws Boriwoy gekannt, der zuerst mit Ulrich von Brünn um die Herrschaft kämpfen mußte und dann mit Swatopluk von Olmüz, dem er unterlag. Ich habe erfahren, wie Swatopluk nach zweijähriger Herrschaft, in welcher er wieder mit Boriwoy um den Stuhl [kämpfen] ringen mußte, [[xxx]] fernen Gegenden] jenseits des Riesengebirges durch einen Lanzenwurf ermordet worden ist. Ich habe dann den zweiten Bruder Bretislaws Wladislaw gekannt, der die blutigen Kämpfe in Prag und in diesem Hause mit Boriwoy und den schweren Krieg mit Polen, welches sich für Boriwoy erhob, um seinen Fürstenstuhl kämpfen mußte.
Randnotizen: ringen den blutigen Streit führen mußte.
Ich lernte dann den dritten Bruder Bretislaws kennen unsern jezigen Herzog Sobeslaw, und bin mit ihm noch in der großen Schlacht bei Chlumec gewesen, die auch er schlagen mußte, damit er gegen die Ansprüche des schwarzen Otto Herzog in Böhmen bleiben konnte.

1 Absatz mit Klammer und Fragezeichen versehen sowie mit dem Vermerk: (gehört) oder (gesät) Verweisungszeichen: vi Wir sind nun in der schweren Krankheit, die unsern Herzog getrofen hat, hieher zusammengekommen, damit