Witiko

H48, S. 57b

"Daß sie mich vor sich kommen lassen, und mich anhören," sagte Witiko.

"Das kann ich dir vielleicht bewirken," antwortete der Bischof, "ich werde sie auch bitten, daß sie dir nichts zu Leide thun, weil du unschädlich bist."

"Ich vertraue, daß sie es auch ohne Bitte nicht thun," entgegnete Witiko.

"Ich werde dir schon zuwege bringen, daß sie dein Vorhaben anhören," sagte der Bischof, "jezt gehe in deine Herberge, mische dich nicht unter die Männer, die jezt von außen nach Prag kommen, oder in Prag von dieser Sache sprechen, vermeide alle Reden, und halte dich still zu Hause. Ich werde dir schon eine Botschaft thun, sage meinen Leuten deine Herberge."

"Ich will euren Weisungen folgen," antwortete Witiko.

"Jezt gehe," sagte der Bischof.

Er legte seine Hand leicht auf den Scheitel Witikos. Dieser neigte sich tief, und ging. In dem Vorgemache waren jezt mehrere Männer. Einer derselben geleitete Witiko zur Treppe und über diese hinab. Ihm sagte Witiko seine Herberge. Dann ließ ihn der Thorwart durch das Thor auf die Gasse hinaus. Dort ging er den nehmlichen Weg nach Hause, den er hergekommen war.

Es erschienen nun mehrere Tage, in denen Witiko warten mußte. Er lebte nach der Mahnung des Bischofs. Doch ging er zu Zeiten in der Stadt herum, und betrachtete verschiedene Dinge. Er blikte jedes neue steinerne Haus an, zu dem er kam, ob es nicht unter der Herrschaft des Herzogs Sobeslaw erbaut worden sein mochte, er sah auf die Geschäftigkeit der Menschen in den Gassen und auf den Pläzen und vor den Häusern, und er schritt zu weilen über die lange hölzerne Brüke, welche über die Moldau errichtet worden war. Es kamen immer mehr Fremde nach Prag, und Witiko konnte es manchem ansehen, daß er aus einem entlegenen Theile des Landes gekommen war. Auf der Gasse und in der Herberge hörte er sagen, daß, weil des Herzogs Ende nahe sei, eine große Wahl sein werde, wer ihm folge. Es waren manigfaltige Kleider und Rüstungen zu sehen, darunter auch solche, wie Witiko hatte.

Da der dritte Tag des Monates Hornung gekommen war erschien ein Mann des Bischofes Silvester in der Herberge Witikos, und sagte ihm, der Bischof lasse ihm melden, daß er des andern Morgens wohlgekleidet und geordnet sein möge; denn es werde [ihn] ein Priester zu ihm kommen, und ihm in die Versammlung der Lechen [abholen] führen. Witiko versprach es.

Als der folgende Tag, der vierte des Monates Hornung, angebrochen war, befand sich Witiko schon in Ordnung. Er hatte zwar kein anderes Kleid als sein Lederkleid; allein dasselbe war genau knapp angezogen, und war auf das Äußerste gereinigt. Das Schwert hing am Ledergürtel an seiner Seite. So ging er, da der Priester gekommen war, mit demselben durch die Strassen Prags. Sie schlugen den Weg nach dem Wysehrad ein. Überall, wohin sie kamen, fanden sie eine Menschenmenge, welche in festlichen Kleidern war, und über die Dinge sprach, die heute geschehen sollen. Mancher Reiter, der ein großes Gefolge hatte, kam mit ihnen desselben Weges und mancher eilte auf seinem schnellen Pferde an ihnen vorüber. So langten sie an dem Wysehrad an, den der Herzog Sobeslaw [sehr schön verziert hatte] in manchen Jahren schön hatte verzieren lasse.

Als sie
Verweisungszeichen: vi
eingetreten waren, kam von den Menschen, die sich da befanden, ein Mann in sehr schöner dunkelbrauner Kleidung mit einem kleinen Gefolge auf Witiko zu, und begrüßte ihn. Es war der scharlachrothe Reiter, mit dem Witiko einmal in der Nähe von Chynow zusammengekommen war.

"Sei mir gegrüßt, Witiko," sagte er, "es ist sehr gut, daß du heute da bist. Ich wußte, daß du kommen wirst.
Randnotiz: Siehst du es
Es ist nicht wahr geworden, was wir einmal, da wir eine Streke mit einander geritten sind, gewünscht haben. Es sind seitdem noch nicht zwanzig Monde vergangen, und ein Leben, dem wir eine sehr lange Dauer zugedacht haben, ist, so scheint es, dem Erlöschen nahe. Die schweren Zeiten, die an dieses Ereignis gekettet sind, stehen bevor."
Randnotiz: die an diesen Ereignissen haften

"Sei auch von mir [eherbiethig] in Ehrfurcht gegrüßt," sagte Witiko, "die Zeiten [würden] wären [wohl] nicht [so] schwer [sein], wenn sie die Menschen [sie] nicht dazu machten."

"Aber kannst du die Menschen
(1) so [machen],"
(2) so [umgestalten],"
(3) [so umwandeln],"
(4) wandeln,"
entgegnete der Mann, "daß sie[, wenn Gele-]1 nicht bei Gelegenheit

1 Fortsetzung des getilgten Textes in H48, S.58b. Seite mit X markiert Federproben am Rand: Witiko etc.