Witiko

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nicht schon achtzig Jahre alt gewesen wäre, als er auf dem vielen Pergamente die Thaten unseres Volkes aufgeschrieben hatte, so hätte er gesehen, was die Alten an sich gehabt haben, sie sind arg gewesen, und wir sind die Guten. Hast du von den zwei großen Geschlechtern unsers Landes gehört, du lederner Reiter, die so groß gewesen sind, daß keines größer war, und kaum ein größeres kommen wird?"

"Ich habe von manchem Geschlechte dieses Landes gehört," antwortete Witiko, "ich weiß nicht, welches du meinst."

"So horche," sagte der Scharlachreiter, "es war ein Mann im Lande, der auf der Burg Libic hauste, und Söhne und Töchter hatte, und Länder besaß, die quer durch das Herzogthum gingen. Er hieß Slawnik. Vor ihm waren schon viele Slawnik. Als seit dem Heile der Welt noch nicht das tausendste Jahr angebrochen war, wurde ein Sohn von ihm, der Woytech hieß, Bischof von Prag. Er war in der Reihe der Bischöfe der zweite, und nannte sich Adalbert. Cosmas lobt ihn, und hat von ihm auf das Pergament geschrieben, daß er reich an Geburt war, schön an Gestalt, leutselig an Benehmen, geistlich im Wandel, und daß er von allen geliebt wurde. Und da lebte auch vor alten Zeiten ein Mann Namens Wrs, von dem die Wrse stammten. Da geschah es ein mal, daß das Weib eines Wrsen im Ehebruche gefunden wurde. Es war eine Sitte, daß das Weib, das sich dessen schuldig gemacht, von der Hand des Gatten sterben sollte. Sie floh aber zu Adalbert, und gelobte Buße, und daß sie Buße thun konnte, sandte sie Adalbert zu den Frauen des heiligen Georg. Die Wrse rannten zu Adalbert, und suchten das Weib. Da sie es nicht fanden, schmähten sie Adalbert den Verbrecher und Beschüzer des Ehebruches. Er aber sagte: "Nicht den Ehebruch beschüze ich, sondern einen schreklichen Brauch hindere ich, der gegen das Christenthum ist, das nicht den Tod des Sünders will, sondern, daß er sich bessere." Da sprang das Haupt der Wrse zu Adalbert, und rief: "Dich will ich nicht tödten, daß du nicht ein Märtirer wirst, aber deinen Brüdern und deinem Hause will ich es gedenken bis in das lezte Glied." Dann liefen sie fort, und als man ihnen den Aufenthalt der Schuldigen verrathen hatte, drängten sie das Kloster, bis ihnen die Frau heraus gegeben wurde. Und als ihr Ehegatte sich entsezte, sie zu tödten, ließen ihr die Wrse durch einen gemeinen Diener den Kopf abschlagen. Adalbert zürnte, weinte, verfluchte die Wrse, verließ sogleich Prag, und eilte nach Rom. Die Wrse begannen die Fehde gegen die Brüder Adalberts, deren noch fünf im Lande waren, das ungetheilte Erbe Slawniks besassen, und in der Burg Libic hausten. Der Kampf dauerte lange, er ruhte, er fing wieder an, ruhte wieder, und begann wieder, und da die Slawnike alles bis auf Libic verloren hatten, wurde auch Libic belagert. Anastasius der Abt von Brewnow, der ein Freund des Geschlechtes der Slawnike war, befand sich in der Burg, und rieth, als die tapfere Gegenwehr vergeblich war, sie sollen sich in die Kirche flüchten. Alle Nachkommen Slawniks gingen in die Kirche und zu dem Altare, und da die Wrse in die Burg kamen, und die Flüchtigen aus der Kirche durch Versprechungen gelokt hatten, ermordeten sie alle ohne Unterschied Männer Weiber Kinder und Jungfrauen. Was sie von Dienern und Mannen der Ermordeten in der Burg fanden, führten sie in die Leibeigenschaft ab. Der Abt Anastasius floh nach Ungarn, und ist nie wieder zurük gekehrt.["]

["Und warum haben die Herzoge xxx?" fragte Witiko.

"Ja es war ein Prinz der] Die Wrse nahmen die Güter der Slawnike, und das Haupt derselben wohnte nun öfter in Libic.["

"Und warum xxx?" fragte Witiko.

"xxx" antwortete der Scharlachreiter.] Drei der Slawnike waren dem Untergange ihres Geschlechtes entronnen: Adalbert, welcher in Rom war, Radim sein jüngster, welcher ihn begleitet hatte, und Sobebor der älteste, welcher, da einmal die Fehde ruhte, in einem böhmischen Heere mit dem Kaiser Otto gegen die mitternächtlichen Slawen gezogen war, den polnischen König Boleslaw kennen gelernt, in Polen geblieben war, und dort Besiz und Ansehn erworben hatte. Aber das Geschlecht erhob sich nie wieder, und blieb erloschen."

"Und warum haben denn die Herzoge [s]Solches nicht gewehrt?" fragte Witiko.

"Ja, da war ein Prinz," antwortete der Scharlachreiter, "der Boleslaw Rothhaar hieß, und der mit seinem ganzen Anhange die Wrse begünstigte, und sogar mit ihnen gegen die Slawnike kämpfte. Und als er den Herzogstuhl bestiegen hatte, gab er einem Wrsen seine Tochter