Witiko

H35, S. 45b

"So haben alle, die in jenen Ereignissen Thätig gewesen waren, geendet," sagte der Scharlachreiter.

"Ich habe von diesen Dingen in meiner Kindheit reden gehört," antwortete Witiko, "mögen nun andere Tage auf jene düsteren Zeiten Böhmens erscheinen."

"Sie sind erschienen," sagte der Scharlachreiter, "und es sind Männer gekommen, die die Schiksale gewendet haben. Nach dem Tode Swatopluks wurde auf einem Wahllandtage der dritte von den ersten Enkeln des alten Bretislaw zum Herzoge gewählt, und am eilften Tage nach dem Tode Swatopluks auf den Fürstenstuhl gesezt. Nachdem die sechzehn Jahre vorüber waren, die er in Böhmen geherrscht hatte, und nachdem er auf dem Wysehrad gestorben war, hätte das ganze Land Trauer anlegen und um ihn weinen sollen. Einen großmüthigeren Mann hat es kaum gegeben. Grausamkeit Herrschsucht oder Rachebegier hat er nicht gekannt. Während der ganzen Dauer seiner Herrschaft hat er keinen Tropfen Blut vergossen, obwohl an ihm gefrevelt worden ist, und sich Gräuliches zugetragen hat, und am Ende seines Lebens hat er noch den Streit geschlossen, der in den Nachkommen Premysls Brüder gegen Brüder Blutsverwandte gegen Blutsverwandte getrieben hatte. Seine Brüder und Vettern haben sich schwer gegen ihn vergangen, er strafte sie, weil er mußte, und er verzieh ihnen, da sie wenig waren. Feinden, die ihn angriffen, widerstand er; aber er suchte das Land im Frieden zu beherrschen, und es mit Wohlstand zu zieren. [xxx] Als
(1) d[ie] erste Weihnacht
(2) d[as] erste Weihnacht[fest]
(3) die erste Weihnacht
in Wladislaws Herrschaft heran nahte, welche Herrschaft er noch nicht drei Monden führte, beschloß er [das]dieselbe in Gradec mit seinem Vetter dem schwarzen Otto von Olmüz einem Bruder Swatopluks, der sich ihm unterworfen hatte, zu feiern, und lud ihn dahin ein. Da kam aber auch kurz darauf eine Einladung des Königs Heinrich des Fünften von Deutschland an den Herzog, welche ihn, um mit dem Könige das Neujahrsfest zu feiern nach Regensburg rief. Er sendete also den böhmischen Herrn Wacek mit Geleite nach Gradec, daß er an seiner Stelle den schwarzen Otto empfange, und bewirthe. Er selber ging mit seinen Mannen gegen Regensburg ab, und wollte das Weihnachtsfest in Pilsen zubringen. Da erschien am Tage vor der heiligen Nacht Boriwoy, sein älterer Bruder, der von Swatopluk verdrängt worden war, unversehens mit einem Heere vor Prag, nahm die Stadt so wie den Wysehrad ein, und erklärte sich als Herzog von Böhmen. Wladislaw erhielt diese Nachricht in Pilsen. Sogleich sendete er Bothen zu Otto und Wacek nach Gradec, und hieß sie nach Prag aufbrechen, dem Könige Heinrich that er auch Botschaft um Dazwischenkunft, und dann kehrte er selber mit seinem Geleite gegen Prag zurük. Er schloß nun mit Otto und Wacek den Wysehrad ein, in welchem Boriwoy war, und es entstand ein Kampf der Landeskinder gegen einander, je nachdem sie einem der Brüder anhingen, Väter kämpften gegen Söhne, Söhne gegen Väter, Brüder gegen Brüder, Vettern gegen Vettern, und acht Tage dauerte das Unglük, bis der König Heinrich in Böhmen eingerükt war, durch Abgeordnete einen Waffenstillstand zuwege brachte, und beide Brüder nach Rokycan, wo er stand, zur Entscheidung lud. Sie kamen beide. Wladislaw wurde freundlich empfangen, und Boriwoy als der Anstifter des Unheils in Ketten geschlagen, und in die Feste Hammerstein an dem Rhein abgeführt. Wenn nun auch Wladislaw, da er nach Prag gekommen war, über die Abtrünnigen strenges Gericht hielt, so tödtete er doch niemand. Die schwersten Verräther wurden geblendet, andere verloren ihre Güter.

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