Witiko

H33, S. 41b


von dem trozigen Swatopluk gehört?"

"Ja, er war vorher Fürst in Olmüz und dann Herzog in Böhmen," sagte Witiko.

"Er war ein grimmer Mann," entgegnete der Scharlachreiter, "der es nicht sehen konnte, daß ein anderer als er den Stuhl der Herzoge von Böhmen inne habe. Vor hundert Jahren lebte ein edler Mann, der Bretislaw hieß, und den Herzogstuhl in Prag besaß. Der hat mit seinen Lechen und Zupanen die Ordnung vereinbart, daß fortan Böhmen nicht mehr getheilt werden dürfe, und daß von seinen Nachkommen immer der älteste als Oberherzog Böhmen beherrsche, die andern als Herzoge, welche Antheile in Mähren erhalten sollten, ihm zu gehorchen haben, so lange einer von dem Geschlechte des Premysl des Gatten der Libusa, dem sie alle angehörten, übrig wäre. So sollte jeder aus dem Geschlechte Premysls die Hoffnung haben, wenn er zu Jahren komme, auf den Fürstenstuhl Böhmens gelangen zu können, und er solle daher für das Land sorgen, es sollten Streitigkeiten vermieden werden, und es sollte stets ein erfahrener Mann den Stuhl besizen. Aber schon die Enkel Bretislaws thaten anders. Er hatte zahlreiche Enkel. Durch seinen ältern Sohn Wratislaw, der der erste unter den böhmischen Fürsten den höchsten Glanz erreichte, dessen sie je theilhaftig werden können, nehmlich die Königskrone, hatte er vier Enkel: Bretislaw Boriwoy Wladislaw und Sobeslaw, der jezt Herzog ist. Durch seinen jüngeren Sohn Konrad den Fürsten von Brünn hatte er die Enkel: Ulrich Lutold Swatopluk Otto und Bretislaw. Als von den ersten Enkeln nach dem Rechte Bretislaw auf den Fürstenstuhl gelangte, brach er mit Zustimmung der Mächtigen des Landes das Gesez seines Großvaters, und sezte seinen Bruder Boriwoy als Nachfolger. Boriwoy bestieg nach dem Tode Bretislaws den Herzogstuhl. Aber die zweiten Enkel erhoben sich zum Widerspruche, weil der älteste derselben Ulrich älter war als Boriwoy, und ihm daher der Herzogstuhl gebühre. Ulrich fügte sich bald; aber Swatopluk nicht. Er versuchte zuerst Gewalt, und strebte mit einem Heere Prag zu erobern; allein er fand zu wenig Anhang, und mußte wieder nach Mähren zurük. Da sandte er einen falschen Bothen zu Boriwoy, der mußte sagen, er sei von Swatopluk mißhandelt worden, und gehe daher zu Boriwoy. Er wolle ihm die geheimsten Gedanken Swatopluks sagen. Er erzählte ihm nun Dinge, die Boriwoy als wahr wußte, und dann andere, die erdichtet waren, er nannte ihm seine Feinde, und nannte ihm seine besten Freunde als Feinde. Da mißtraute Boriwoy allen, und überwachte alle. Seinem Bruder Wladislaw wurde er feind, daß er entweichen mußte. Er glich einem Mann, der auf eine Leiter steigt, und die Sprossen unter sich abhaut. Er unterlag in dem Kampfe, der da kam, und Swatopluk wurde Herzog von Böhmen. Boriwoy flüchtete sich mit seinem jüngsten Bruder Sobeslaw außer Landes zu seinem Schwager Wipprecht von Groitsch. Unter Swatopluk hat ein denkwürdiges Geschlecht sein Geschik erfahren. Hast du den Namen der Wrse nennen gehört?"

"Ich habe ihn nennen gehört," antwortete Witiko, "es war ein reicher und mächtiger Mann in diesen Landen."

"Vor sehr alten Zeiten hat ein Mann mit Namen Wrs gelebt, und von ihm kömmt das Geschlecht," sagte der Scharlachreiter. "Es war stets vom Verhängnisse getrieben. Vor ihm lebte ein noch älteres Geschlecht, das der Slawnik, das in Libic hauste. Mit diesen kam es in Feindschaft. Als noch das Tausend der Jahre seit der Geburt des Heilands nicht erfüllt war, wurde Woytech der Sohn eines Slawnik zum Bischofe von Prag erwählt. Er war der zweite in der Reihe der Bischöfe. Er nannte sich Adalbert, und führte ein geistliches Leben. Er war schön von Gestalt reich von Geburt und leutselig im Benehmen. Er wurde von allen geliebt. Da geschah es einmal, daß die Gattin eines Wrsen im Ehebruche gefunden wurde, und zu Adalbert flüchtete. Es ist ein altböhmisches Gesez gewesen, daß die Ehebrecherin von der Hand des Gatten sterben müsse. Sie gelobte Buße, und daß sie büssen könne, [xxx] schüzte sie Adalbert, und sendete sie zu den Frauen des Klosters des heiligen Georg. Die Wrse brachen in das bischöfliche Haus, und suchten die Schuldige. Da sie dieselbe nicht fanden, kamen sie vor Adalbert, und schmähten ihn, daß er den Ehebruch beschüze. Dieser trat zürnend in den Haufen, und strafte dessen Blutdurst mit strengen Worten. Nicht den Ehebruch schüze er, nicht die Strafe verweigere er; aber die Erfüllung eines alten gräßlichen Brauches hindere er, der dem Gebote des christlichen Glaubens widerspreche, welches nicht den Tod sondern die Besserung des Sünders wolle.