Witiko

H32, S. 40c

"Nun gut, es wird sich eine Zeit dazu finden," entgegnete der Scharlachreiter, und wendete sein Pferd wieder um.

Da sie weiterritten, sagte er zu Witiko: "Wenn du in dem Mittage unsers Herzogthumes wohnst, so bist du auch nach Baiern gekommen, und hast den stolzen Heinrich gesehen."

"Ich bin durch längere Zeit in Baiern gewesen," sagte Witiko, "aber in dem Theile gegen Morgen zu und habe den Herzog nicht gesehen, der zumeist in Regensburg oder gar oft in Sachsen ist, in Quedlinburg oder Merseburg oder in einer andern Stadt."

"Und hast du nicht getrachtet, ihn zu sehen?" fragte der Scharlachreiter.

"Ein mal habe ich danach gestrebt," antwortete Witiko, "da es hieß, er werde nach seiner Pfalz Ranshove, die nahe an dem Innfluße liegt, kommen, wo er ein Kloster gestiftet hatte, das eingeweiht wurde."

"Es war in Ranshove ein großes Kirchenfest," erwiederte der Scharlachreiter, "es sind von uns Leute hingegangen. Es ist kurze Zeit her."

"Drei Jahre sind es," sagte Witiko, "ich war eben siebenzehn Jahre alt."

"Und ist der Herzog nicht bei der Einweihung gewesen?" fragte der Scharlachreiter.

"Einige sagten, er und seine Gemahlin Gertrude und sein kleines Söhnlein, das auch Heinrich hieß, seien da<,>" entgegnete Witiko, "aber andere sagten, er sei es nicht, sondern sein Bruder der Welf oder nur Otto der Pfalzgraf. Man konnte nichts recht sehen, weil ein Gedränge des Volkes war, das man nicht zu durchdringen vermochte. Es waren sehr viele geistliche und weltliche Herren zugegen, Bischöfe Äbte Priester Reitersmänner, und es waren Reisige gestellt, die dem Andrange wehren sollten. Die Kirche faßte nicht die Menge der Menschen, sie standen draußen, und harrten des Segens, der ihnen ertheilt werden sollte. Ich war damals nicht auf einem Pferde, und konnte alles nur von ferne sehen. Auch in die Pfalz und in das Kloster konnte ich nicht gelangen."

<">Waren viele hohe Männer aus Baiern zugegen?" fragte der Scharlachreiter.

"Das weiß ich nicht," antwortete Witiko, "der Erzbischof von Salzburg Konrad war zugegen und Regimbert der Bischof von Passau. Ich sah Herren, die ich kannte, die von Rore, welche nahe an dem Kloster hausen, das der bairische Herzog Thassilo in alten Zeiten am Flusse Krems gegründet hatte, die von Hagenau, die von Moosebach, von Poren Meisaha und viele andere. Der Herzog hatte die Stiftung mit Ländern Teichen Zehenten und andern Dingen bedacht, und sie hingen ihre Siegel an die Handfeste."

"Der Herzog Heinrich wird jezt bittere Tage haben, ehe er es verwindet, daß er nicht gewählt worden ist," versezte der Scharlachreiter, "er hatte gedacht, daß er deutscher König werden würde. Nun steht der König Konrad gegen ihn, dem er in Waffen trozen wird wie bisher. Aber der König Konrad ist vorsichtig, und unser Herzog Sobeslaw ist älter und ausdauernd, und steht ihm mit Rath zur Seite. Die Fürsten werden sich zu ihm thun: Sachsen ist dem Herzoge abgesprochen, und Baiern, wenn er sich nicht beugt, sagt man, könnte dem Halbbruder des Königs dem jungen Markgrafen Leopold von Österreich zuerkannt werden, wodurch dieser an Macht sehr gewänne, und ein gesuchter Bundesgenosse würde. Unser Land berührt das wenig, wenn auch unser Herzog an Konrad Hilfe sendet."

"In Baiern sagt man unverhohlen," entgegnete Witiko, "daß der Herzog sich nicht beugen werde, und noch weniger Welf. Es wird Zwietracht und ein Kampf deutscher Völker gegen deutsche Völker kommen."

"Wie es dort und bei uns öfter gewesen ist," erwiederte der Scharlachreiter. "Und wenn unser Volk seine Banner in ferne Länder trägt wirst du dann diesen Bannern folgen?"

"So lange ein Hauch in meinem Munde ist," sagte Witiko.

"So ist es gut," entgegnete der Scharlachreiter, "und hast du denn nicht erfahren, was bei uns in den lezten Zeiten in den Personen unserer Herzoge geschehen ist?"

"Ich habe manches gehört, und hoffe noch vieles zu vernehmen, wenn ich älter werde," antwortete Witiko.

"Kennst du den alten Lechen Cosmas?" fragte der Scharlachreiter.

"Nein," entgegnete Witiko.

"Jezt kannst du ihn auch nicht mehr kennen lernen; denn er ist todt," sagte der Scharlachreiter. "Cosmas ist ein Leche gewesen, der viele Schulen besucht hat. Er hat eine edle Magd Bozetecha geheiratet, die ihm den Zdik geboren hat, der jezt auf dem Bischofstuhle in Olmüz sizt. Als der Leche vier und fünfzig Jahre geworden war, wurde er Priester und Dechant an der Kirche zu Sanct Veit in Prag. Da er fünf und siebenzig Jahre zählte, begann er die Schiksale und Thaten unseres Volkes, wie sie bekannt geworden sind, von den ältesten Zeiten an bis auf die neuen aufzuschreiben. Und so schrieb er fünf Jahre daran, und starb in seinem achtzigsten. Es mögen jezt zwölf oder dreizehn sein."

"Da kann ich ihn ja gar nicht gekannt haben," sagte Witiko; "denn damals war ich kaum acht Jahre alt."

"Aber du könntest das kennen, was er aufgeschrieben hat," antwortete der Scharlachreiter.

"Nein, das kenne ich auch nicht," entgegnete Witiko.

"Nun, so wird es dir vielleicht in Zukunft möglich sein es zu sehen," sagte der Scharlachreiter. "Hast du