Witiko

H295

"Männer und Frauen, Jünglinge und Jungfrauen! sehet euch um, wir haben ein schönes Wohnland. Die Bäche rinnen von den Bergen, die Moldau wandelt in den Thälern, und die großen Bäume stehen daran. Wir haben Felder und Wiesen und Weiden, und gewinnen uns unsere Nahrung. Wenn man von uns gegen Mitternacht geht, sind Gründe, in denen der Weizen steht, und wo das Obst in Fülle gedeiht; aber in den reichen Gründen des Weizens und des Obstes ist ein Herr und Leche, dem die Bewohner eine Burg bauen mußten, dem sie die Burg erhalten und ausbessern müssen, dem sie Wege und Stege und Brüken bauen müssen, dem sie Getreide und Obst und Holz und Vieh und Wild und Fische liefern müssen, dem sie Gräben und Schanzen und Verhaue errichten müssen, dem sie in der Burg Wachedienst thun müssen, dem sie streiten helfen müssen, und wenn er Feste feiert, müssen sie das bringen, was die Gäste verzehren, und wenn er reiset, müssen sie ihn und die Seinigen beherbergen und verpflegen, und wenn er jagt, müssen sie ihn und die Jäger erhalten, und seine Hunde ernähren, und wenn ein Verbrechen begangen wird, muß die Flur Gerichtskosten zahlen, und für den Schaden haften. Bei uns ist nur der hocherlauchte Herzog der Herr, dem wir kleine Gaben senden, und der uns beschüzt. In dem Frühlinge des vorigen Jahres sind viele reiche Herren, wie der ist, von dem ich sagte, nach Mähren gegangen, weil sie noch reicher werden wollten, und weil der, welcher eine oder zwei Zupaneien hatte, noch mehr Zupaneien haben wollte; denn der Herzog Wladislaw beschüzte die kleinen Männer, und litt nicht, daß die Großen Alles an sich reißen. Sie sind zu Konrad, dem Herzoge von Znaim gegangen, der ihnen viele Versprechungen gemacht hat, daß er ihnen reichlich geben wolle, wenn sie ihm den Herzog Wladislaw von dem Fürstenstuhle vertreiben helfen. Sie haben ein Kriegsheer gesammelt, und sind in dem Monate April nach Böhmen gedrungen. Zu dem Herzoge Wladislaw haben sich die kleinen Männer gesellt, und auch viele von den großen, denen noch Gerechtigkeit in dem Sinne war. Auf dem Berge Wysoka ist der Streit gewesen. Nun, ihr wisset, was dort geschehen ist, ihr seid dabei gewesen, und habet zum großen Theile das Gute bewirket. Die Feinde haben dann die alte Stadt Prag belagert, und haben Unheil und Verwüstung gestiftet; aber der Herzog ist mit seinem Schwager Konrad, dem Könige der Deutschen, gekommen, und sie mußten nach Mähren zurük fliehen. Der deutsche König ging wieder heim, und Wladislaw belohnte seine Krieger, und entließ sie, und zeichnete sich auf, wer ihm gute Dienste gethan hatte. Die Feinde sind von der Zeit in ihren Ländern und Burgen; aber wenn der Schnee von den Gefilden schmilzt, können sie wieder hervor kommen, und aufs Neue beginnen. Der Herzog Wladislaw ruft die Seinigen auf, um die Entscheidung zu gewinnen. Wenn Konrad, der Herzog von Znaim den Sieg erhält, wird er seine Helfer belohnen, und ein reicher Leche wird zu euch als Herr in den Wald kommen. Ich meine also, Männer unserer Fluren, wir sollten, so viele wie es vermögen, aufstehen, und zu dem gütigen Herzoge Wladislaw gehen, damit ein Kriegsheer werde, das nach Mähren eile, ehe es sich die Feinde versehen, und sie nieder werfe, und ihnen die Macht und Alles nehme, was zur Vergeltung nothwendig ist, und daß sie nicht mehr schaden können. Der Herzog wird dann immer ein Freund der Geringen sein, er wird mit uns leben, und wir werden mit ihm leben. Und wenn er uns einen Herrn sendet, so wird er von einem kleinen Geschlechte sein, das uns liebreich ist, das Kirchen stiftet, ein wohlthätiges Kloster baut, und das Leben in dem Walde versteht. An vielen Stellen rüsten sie schon, weil sie so denken wie ich, und meine Meinung ist, wir sollten die Sache in unserem Haupte überlegen, und nach dem Sinne verfahren, der uns eingegeben werden wird. So rede ich, der ich mit Sorgfalt auf das sehe, was geschieht, und auf das, was geschehen wird."

Als er diese Worte gesprochen hatte, sezte er seine Lederhaube wieder auf das Haupt, und nahm seinen Plaz auf der Bank wieder ein.

Es war eine kurze Zeit eine Stille. Dann sagte ein alter Mann: "Ich habe mir das auch schon so ein wenig gedacht, was du gesagt hast, Witiko."

"Mir sind die Gedanken auch schon in dem Kopfe gewesen," sagte ein Anderer.

"Ich habe auch darauf gedacht, und das ist so eine Sache," sagte wieder Einer.

"Das ist so eine Sache," sagte ein sehr alter Mann.

"Die Dinge müssen wir sehr überlegen," sagte ein Mann, der ebenfalls hoch in den Jahren war.

"Wir begreifen sie nicht recht, und uns achten die Herren nicht," sagte ein Anderer.

"Es ist nur, daß man davon redet," sprach wieder ein Anderer.

"Daß man redet, und wir dürfen reden, und wir reden auch," sagte wieder Einer.

"Wir reden davon, und wir denken daran," sagte Einer, der neben Witiko saß.

"Und wir sollen es recht überlegen, das ist eine Sache, das ist so eine Sache," sagte ein Anderer.