Witiko

H273



[1"Ja die Macht dienet zum Guten," sagte Agnes, "aber sie dienet auch zu unternehmen, was man sonst nicht unternommen hätte. Die Hohenstaufen und die Österreicher streben nach dem Guten; aber sie lieben den Kriegsruhm, und beide hegen noch allerlei Dinge, den eiteln Sang und das weltliche Wissen und ergözliche Spiele und Heiterkeiten und Vergnügungen. Du hast, o Witiko, von Thaten gesprochen; aber wer kann es sagen, wie die Thaten sind. Die besten Thaten sind die, welche zum Heile unserer Seele gereichen, und zum Heile der Seelen der Menschen, die durch die Geburt und die Nächstenliebe zu uns gehören. Wer seine Ehefrau liebt, seine Kinder christlich erzieht, seine Habe ehrbar mehrt, und seine Unterthanen schüzt und fördert, hat rechte Thaten gethan. Wer weiß es, ob es nicht eine bessere That ist, wenn wir hier dieses Tuch zum Dienste der Kirche stiken, oder auch nur zu einem weichen Fußtrite eines Greises, als wenn wir Herzogthümer eroberten und zertrümmerten. Meine Söhne Otto und Konrad haben sich den heiligen Verrichtungen zugewendet."

"O du hohe Frau," sagte Wentila, "es sind bei den Menschen unzählbare Dinge, wie es unzählbare Bäume und Kräuter gibt."

"Sie sind," entgegnete Agnes, "und Gott leitet sie. Möge den Hohenstaufen die Gewalt zum Guten sein, und mögen sie nicht in die großen Wirrsale gerathen, wie die, welche vor ihnen die Gewalt gehabt haben. Witiko, meine Schwiegertochter hat von dir geredet, Heinrich hat von dir geredet, weil du in dem Kriege gehandelt hast, der gewesen ist, und deine Mutter hat mir erzählt, daß du gut bist. Ich habe dich]1
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Randnotiz: (Hier folgt die Beilage)2
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gesehen. Gehe jezt mit deiner Mutter in ihre Kammer, und [begrüßet euch, wie ihr euch begrüßet,] redet, wie ihr redet, wenn ihr allein seid. Bleibe bei uns und deiner Mutter auf dem Kahlenberge, so lange du willst. Gehe zu meinem Sohne Heinrich, und gehe zu den alten und zu den jungen Rittern, und [erzähle] sage dann in der Heimath deinen Freunden, wie es bei uns ist. Hecila [sage] melde Kunigunden, daß sie de[m]n Vogt[e vermelde, er solle] anweise Witiko seine Wohnung zu zeigen."

Eine von den zwei jungen Frauen erhob sich von ihrem Size, und ging aus dem Gemache.

"Du beurlaubest uns, erlauchte Frau," sagte Wentila, "und wir entfernen uns.<">

Sie stand von ihrem Size auf, und Witiko stand auch auf.

Er sprach, da er stand: "Nehmet noch ein mal den Dank für die gute Aufnahme, hocherlauchte Frau, und den für die Gewährung der Beherbergung, ich werde ihrer in Gemeinschaft mit meiner Mutter pflegen, und mich bestreben, sie zu verdienen."

["Bleibe bei] "Genieße mit deiner Mutter," sagte Agnes, ["und genießet,] "wie es ist, wenn Eltern und Kinder einig sind."

Die junge Frau, welche aus dem Gemache gegangen war, kam wieder zurük.

"Du hast deinen Auftrag vollbracht, Hecila," sagte [Agnes.] Agnes.

"Es ist geschehen," antwortete die Frau.

"Nun, so wollen wir, die wir zurük bleiben, wieder an die Arbeit gehen, und sie zu fördern suchen," sagte Agnes.

"Gehabe dich wohl, hohe Frau," sagte Wentila.

"Du auch," entgegnete Agnes.

Wentila und Witiko neigten sich vor Agnes, und verließen das Gemach.

Sie gingen durch die Stube, in welcher die jungen Mädchen spannen, und als sie draußen waren, sezte Witiko die Lederhaube wieder auf sein Haupt.

Wentila geleitete Witiko durch einen Theil des Ganges, und führte ihn zu einer Thür. Sie öffnete dieselbe, und sie traten in ein Gemach, in welchem ein Mädchen saß, und nähte.

Das Mädchen stand auf, da die Mutter und der Sohn herein kamen.

"Sei gegrüßt, Lutgart," sagte Witiko.

"Seid gegrüßt, hoher Herr," antwortete das Mädchen.

Es ging zu einer Thür, und öffnete sie in eine zweite Stube.

"Sorge, daß wir nicht gestört werden[, Lutgart,"]," sagte Wentila.

"Ich werde es thun, hochverehrte Frau," antwortete das Mädchen.

Wentila führte Witiko [durch die Thür] in die zweite Stube, und das Mädchen schloß hinter ihnen die Thür.

"Lege deine Haube auf diesen Tisch, Witiko, und lege dein Schwert dazu," sagte Wentila.

Witiko nahm seine Haube von dem Haupte, und legte sie auf den Tisch. Dann lösete er sein Schwert ab, und legte es zu der Haube.

Hierauf sagte er: "Sei mir nun erst recht gegrüßt, meine liebe ehrwürdige Mutter."

"Sei mir gegrüßt, mein guter Sohn des guten Wok," antwortete Wentila.

Sie nahm ihn mit beiden Händen an dem Haupte, und küßte ihn auf die Stirne.

Dann streichelte sie mit den Händen seine Wangen.

"Seze dich zu mir auf eine[s] dieser [Gesiedel] Bänke," sagte sie darauf, "und genießen wir[, was] die Einigkeit, wie die Frau Markgräfin gesprochen hat[, wie es ist, wenn Eltern und Kinder einig sind.]."

Sie sezte sich auf eine gepolsterte Bank, und Witiko sezte sich zu ihr.
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1 Die äußeren Tilgungsklammern zeigen die Streichung durch Schraffierung an. Zunächst Textersatz für den getilgten Text am Ende von H S.273.
2 Vgl. die Beilage zu H S.273.