Witiko

H272


seine [besten] Leute dahin nahm[en]. Dann verließ er Köln, sammelte [wieder] neuerdings Männer, und zog gegen Lotharingen. Da kam eines Tages Burkhard, der Bischof von Münster zu ihm, und sagte: Dein Vater, der Kaiser sendet dir das Reichsschwert, welches damals nicht in Bingen gewesen ist, [als man ihm die Reichskleinode abnahm,] du sollst es hinfort führen; denn er ist am siebenten Tage des Erntemonates in Lüttich gestorben. Er läßt dich bitten, daß du ihn begrabest, und den Seinigen verzeihest. [Der Bischof von Lüttich begrub den Vater christlich;] Aber Heinrich begrub den Vater nicht. Der Bischof von Lüttich begrub ihn christlich, aber er mußte ihn wieder ausgraben, weil er im Banne gestorben war. Die Leiche stand nun auf ungeweihetem Grunde auf einer Insel der Maas, und nur ein einziger Pilger aus Jerusalem bethete und sang bei ihr. Dann wurde sie mit dem Willen meines Bruders in einem steinernen Sarge nach Speier gebracht. Der Diener des Vaters, Erkenbold, wollte sie mit Priestern und Volk in der Kirche der heiligen Jungfrau Maria, welche der Vater gebaut hatte, begraben; aber der Bischof von Speier gestattete es nicht. Von da stand [die Leiche] sie fünf Jahre in einer ungeweiheten Kapelle. Nach dieser Zeit wurde sie begraben, und der Bruder feierte das Begräbniß. Er waltete nun fortan als das weltliche Haupt der Christenheit. Heute ist der [Jahrestag und der] Tag des Gedächtnisses [jen] an jenen Tag, an welchem mir endlich nach vielem Bethen von Gott die Gnade verliehen worden ist, [ihm] meinem Bruder gänzlich verzeihen zu können[. Darum haben wir heute bei dem Gottesdienste feierlich gebethet, und darum habe ich auch heute von diesen Begebenheiten erzählt. Er hat einen Theil seiner Schuld noch in diesem Leben büssen]<,> was er an dem Vater gesündigt hat. Darum war feierlicher Gottesdienst, und darum erzähle ich davon. Es ist meinem Bruder auch die Gnade zu Theil geworden, seine Schuld noch hier ein wenig büssen zu können. Der Schoß seines Weibes blieb unfruchtbar, er wurde in den Bann der Kirche gethan, und er starb in den Mannesjahren an einem kleinen Geschwüre, das sich vergrößerte, und ihn dahinraffte. Die deutsche Krone ist auf den Sachsen Lothar übergegangen. Rothart, der Erzbischof von Mainz, der den Namen von [Hartesbe] Hartesberg trug<,> starb drei Jahre nach dem Vorgange in Bingen, Adalbert, der Bischof von Worms, zwei Jahre darauf, Friedrich, der Erzbischof von Köln, der den Namen Ortenberg hatte, lebte noch über zwanzig Jahre, ist aber jezt auch todt. Eben so ist jener Markgraf von Meißen dahin gegangen, der so schnell gestiegen ist, und dessen Geschlecht dann so Unglükliches erlebte."

Agnes schwieg nun[, und d]. Die Mutter Witikos nahm das Wort, und sagte: "Hohe Frau, lasse diese traurigen Dinge nicht in deinem Gemüthe emporleben, sie sind vergangen, Gott hat sie geschehen lassen, und richtet [nun] über sie. Denke an die Gegenwart. Du bist verehrt wie eine [jen] der Frauen, die im Leben heilig gewandelt sind, [verehrt,] das Volk in diesen Ländern [segnet] heiligt das Andenken deines Gemales, und du hast [vortreffliche] wohlgerathene Kinder. Der Kaiser Lothar, der Sachse, ist todt, und die Herrlichkeit der deutschen Königskrone ist auf [dem] das Haupt[e] deines Sohnes Konrad[, und die] gekommen, und auf die Königskrone wird die Kaiserkrone [wird auf die Königskrone] folgen. Das neue starke Geschlecht der Hohenstaufen wird [sie mit Macht und Verherrlichung tragen, und wird die Krone selber verherrlichen,] von der Krone geziert, und ziert die Krone bis in Zeiten[, dahin wir nicht zu schauen vermögen], die in der entfernten Zukunft sind. Dein Sohn anderer Ehe, Heinrich, herrscht als Markgraf in diesem schönen Lande, er hat sich die Wittwe seines Feindes in Liebe verbunden, er wird den Herzoghut tragen, und die Österreicher werden mit den Hohenstaufen in Freundschaft [des selben] des gleichen Weges gehen bis in die Zeiten, von denen ich gesagt habe."

"O Wentila," entgegnete Agnes, "die traurigen Dinge leben nicht in meinem Gemüthe empor, sie leben in demselben immer fort, und wenn sie auch vergangen sind, [und wenn sie hundert Jahre vergangen wären,] und Gott über sie richtet, so ist die Vergangenheit doch in mir, und ich bin in ihr. Und heilig kann ich nicht wandeln, ich kann nur für meine Sünden [Buße thun, und kann] büßen, und für die Lebenden [bethen und für die] und [und]1 Todten bethen[, so für meinen Bruder Heinrich wie für den Vater, der gut und weichherzig gewesen ist. Und d]<.> Die Macht und die Kronen aber sind Dinge, welche tauglich sind, mit ihnen Gutes zu thun, sonst sind sie nichtig."

"Und die Deinigen haben mit diesen Dingen schon Gutes gethan," sagte Wentila, "Konrad hat den wilden Krieg des trozigen Mannes[, der über alle herrschen wollte, beendigt, und hat die Feinde versöhnt. Er] aus Baiern beendigt, er hat die Kraft des deutschen Landes [befestiget, er wird die wälischen Städte und Lande in Zucht bringen, er wird um die Kaiserkrone gehen, und die Augen seiner Macht auf die heiligen Stätten] viel[, und wird sie] befestigt, und wird sie noch mehr befestigen, und dann seine Augen auf Jerusalem und Bethlehem richten. Heinrich waltet in seiner Mark[, und sucht sie zu erheben und das Gute zu stüzen.]. Er wird der erste Herzog [der [Ostmark] selben sein, die Völker werden auf seine Zukunft schauen] derselben sein, und die Dinge in den heiligen Ländern können [an ihm] durch ihn auch an Gedeihen [zunehmen."] gewinnen."

[2"Ja,die Macht dient zum Guten," sagte Agnes, "sie dient aber auch, zu unternehmen, was man sonst nicht unternommen hätte. Die Hohenstaufen und die Osterreicher wollen das [Gute] Rechte; aber sie lieben den Kriegsruhm, und hegen mit Eifer [den eitlen Sang und das weltliche Wissen] wesenlose Dinge wie den eitlen Sang und das weltliche Wissen und ergözliche Spiele und Heiterkeiten und Vergnügen. Du hast[, o Witiko, von Thaten gesprochen, o Witiko, aber wie erscheinen sie], o Witiko, von Thaten gesprochen; aber wer kann sagen, wie Thaten sind? Die besten Thaten sind die, welche zum Heile unserer Seele gereichen, und zum Heile der Seelen anderer Menschen, die uns anvertraut oder durch Nächstenliebe an uns gebunden sind. [Wer] Wenn der Mann seine Ehefrau liebt, seine Kinder christlich erzieht, seine Habe ehrlich mehrt, und seine Unterthanen schüzt, und fördert, so hat er rechte Thaten gethan. Wer weiß es, ob es nicht ein<e> bessere That ist, wenn wir hier dieses]2
%%
1 Ausgeschrieben
2 Die äußeren Tilgungsklammern zeigen die Streichung durch Schraffierung an, die die Randkorrekturen miteinschließt. Textersatz ist die Grundschicht am Beginn von H S.273.