Witiko

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"Wir sind nicht mehr in der Schule des Bischofes, Witiko," antwortete Rudolph, "aber einer sollte den andern so lieben wie damals[.], und ich liebe dich, Witiko. Gehe nur mit [den] deinen Knappen über die Treppe zu der Rathhalle, und von ihr in den rothen Saal, und dort harre. Morgen werden wir mit einem Feste den Gruß erst recht begehen, weil du wieder da bist."

[Nachdem er dieses geredet hatte, ging er]

"Das werden wir thun," sagte Witiko.

Nachdem dieses gesprochen war, ging Rudolph wieder durch eine Thür in das Gebäude zurük.

Witiko sagte zu den Stallbuben: "Jezt zeigt uns den Weg zur Unterbringung der Pferde."

Die Buben zeigten den Weg, und halfen die Pferde in den Stall führen.

Als die ersten [Besorgung derselben vorüber war,] Nothwendigkeiten geschehen waren, sagte Witiko zu seinen Begleitern, sie mögen ihm folgen.

Er ging mit ihnen wieder in den Hof hinaus. Dort stand noch der Thorwart und Hanns.

"Ich danke dir, Odilo," sagte Witiko, "was nun ferner [noth thut] sein muß, weiß ich schon."

"Ich habe eingerichtet, daß [a]Alles für dich gut wird," sagte der Thorwart.

["Das ist |sehr freundlich|,"] "Das ist gut," antwortete Witiko.

Nach diesen Worten ging der Thorwart in ein Gemach, das neben dem Thorbogen war. Hanns schloß den Flügel des Thores, und stieg über eine Treppe neben dem Thore in ein Gemach empor.

Witiko aber führte seine Begleiter [zu der] durch die Thür, durch welche Rudolph in das Gebäude gegangen war[. Sie gingen durch die Thür hinein, und kamen], in eine große Halle. Von der Halle führte Witiko seine Begleiter über eine breite Stiege in einen Gang empor. In dem Gange wandelten sie eine Streke weiter. Dann öffnete Witiko eine hohe Thür, und sie kamen durch dieselbe in ein Gemach, in welchem viele Stühle und Tische waren. Von dem Gemache gingen sie [durch eine Thür] in einen großen Saal. Der Saal war mit rothem Marmor gepflastert. An seinen Wänden waren Bänke von gelben Bölstern. Sonst enthielt er nichts. Er hatte drei Thüren. Durch eine war Witiko gekommen, die andere war geschlossen, und durch die dritte, welche offen war, sahen sie in eine große Stube mit vier Fenstern, deren Wände mit rother abgeblaßter Seide beschlagen waren, und die viele Bänke und Gesiedel von gleicher Seide enthielt. Die Fenster des Saales und der Stube sahen auf die Berge, die an dem [rechten Ufer des Inn] jenseitigen Ufer des Flusses Inn standen.

In dem Saale wartete Witiko.

Nach einer Weile kam aus der Seidenstube ein Mann heraus, der eine hohe Gestalt, braune Haare, einen braunen Bart und ein längliches Angesicht hatte. Er war in ein weites veilchenblaues Gewand gekleidet, und trug über demselben eine goldenen Kette und ein goldenes Kreuz. Hinter ihm gingen zwei Männer in priesterlichen Kleidern. Der Mann sah Witiko und seine Begleiter an. Dann gab er den zwei Männern, die hinter ihm waren, ein Zeichen zur Entfernung. Die zwei Männer öffneten die geschlossene Thür, und gingen durch dieselbe in ein weiteres Gemach.

Da dieses geschehen war, trat der Mann in dem braunen Gewande, der mit Witiko gekommen war, gegen den mit der goldenen Kette vor, [und blieb stehen.] und stand ein Weilchen vor ihm.

Dann nahm er die Haube von seinem Haupte, und sprach mit laut tönender Stimme: "Hochehrwürdiger Bischof von Passau, hochedler Graf von Peilstein und Hagenau, ehrwürdiger geweihter Priester Regimbert! ich komme zu dir in dem Gewande Jakobs, da er in der Wüste auf der Flucht war."

"Hochehrwürdiger Bischof und theurer Bruder Zdik," antwortete der Bischof von Passau, "und wenn du in dem Gewande des Lazarus kämest, so wärest du der Herr dieses Hauses. Sei gegrüßt."

Er legte die Hände auf die Schultern des Mannes in dem braunen Gewande, und küßte ihn auf die Stirne. Der Mann in dem braunen Gewande legte dann auch die Hände auf die Schultern des Bischofes, und küßte ihn auch auf die Stirne.

Dann sagte er: "Ich will nicht der Herr des Hauses sein, sondern ich bitte nur, daß ich den Panzer und das Schwert, welche [Dinge] ich durch Tage und Nächte unter diesem Kleide trage, [und welche ich] ablegen darf, daß ich in einfältigen Kleidern gehe, daß dein Dach über meinem Haupte sei, daß ich die geringe Speise genieße, die [dieser] mein Körper bedarf, und daß ich in deiner Kirche zu Gott bethe."

"Lebe, wie du es wünschest, und wie ich dich ehre," sagte der Bischof von Passau. "Und du, Witiko, hast dich der Mühe unterzogen, den hochehrwürdigen Bischof zu [mir zu] geleiten. Sei gegrüßt."

Witiko antwortete: "Der hochehrwürdige Bischof und Abt Silvester hat zu mir gesagt, ich solle in Demuth vor Gott dem Herrn handeln, und ich hätte [für] jeden Verfolgten des Weges [gepflegt] geführt, und hätte ihn geschüzt, um wie viel mehr den [hochehrwürdigen] hohen Bischof Zdik, den ich verehre. Ich [habe ihn mit] bin nebst meinem Knechte, der da steht, [geleitet."] mit ihm geritten."