Witiko

H241



"Gegen mich ist er gut und freundlich gewesen," sagte Witiko.
Randnotiz: (Hier folgt die Beilage)1

[2"Möchte doch auch in unserem Herzoglande Alles geordnet werden," sprach Heinrich, "es sind üble Kämpfe gewesen, und es ist Schweres geschehen. Manche Männer, denen noch eine lange Zeit auf der Erde bevor stand, mußten das Leben verlieren, und viele, die in der Sache sehr eifrig waren, sind nicht mehr da. Unser übergemutheter Herzog Heinrich, der von dem einen Meere bis zu dem anderen geboth, und dem schier der Kaiserhut zu klein schien, ist in das Grab gestiegen, die verwittwete Kaiserin Richenza, welche mit den Sachsen mannhaft gegen Konrad gestanden war, liegt in der Erde, dann Adalbert, der Erzbischof von Mainz, der dem Könige Konrad so feindselig gewesen ist, und endlich Leopold von Österreich, den der König Konrad mit dem Herzogthume Baiern belehnt hatte, und der sich dieses Land im Streite erringen wollte. Nun wird die Wittwe unsers stolzen Herzogs Heinrich mit einem des feindlichen Geschlechtes vermählt, mit Heinrich, dem Markgrafen von Österreich, dem Bruder des verstorbenen Leopold[s von Öster]<.> So endigten sie mühsam den verworrenen Streit. Möge Gutes aus dem Bunde entstehen. Dem Söhnlein unsers stolzen Herzogs haben sie Sachsen gegeben, Baiern hält der König Konrad noch in seiner Hand, um für einen Ergebenen einen Lohn in Bereitschaft zu haben. So mußte mancher Mann, der viele Arbeit gethan hat, in verschiedenen Ländern gewesen ist, wieder in Sorge und Arbeit gehen, und konnte sich den Siz der Ruhe für sein Alter nicht gründen, indeß die besten Jahre, deren er noch theilhaftig ist, vorüberflossen."

"Gott kann Alles fügen, und kann uns Freuden bereiten, die wir nicht vermuthet haben," sagte Wiulfhilt.

"So füge er es," antwortete Heinrich. "Ihr habt euch großes Vertrauen bei den Leuten erworben, die in dem Walde wohnen, Witiko."

"Ich liebe auch den breiten und langen Streifen des Waldes und seine Leute sehr," sagte Witiko.

"Es kann da [V]vieles gethan werden," sagte Heinrich, "bestrebet euch, Witiko.<">

"Ich suche nach dem Ersprießlichen, wie ich es verstehe," entgegnete Witiko.

"Ihr seid in den Jahren, die wir euch nicht gesehen haben, viel männlicher geworden," sprach Wiulfhilt.

"In der Jugend ändert man sich schnell," sagte Heinrich, "in unserem Alter bleibt man oft Jahre lang gleich."

"Ihr scheinet mir wirklich wie dazu mal,["] hochedle Frau," sagte Witiko, "selbst die Haare habt ihr wieder in dem Goldneze."

"Sie ist immer die Gleiche, sogar in ihren Irrthümern," sagte Heinrich.

"Doch nur so lange, mein Gemal, bis ich sie erkenne," antwortete Wiulfhilt.

"Ja," erwiederte Heinrich, "und möget ihr, mein lieber Gastfreund, wenn ihr wieder wie jezt erst nach vielen Jahren ein mal zu uns kömmt, uns als die Gleichen und so jung sehen wie heute."

"Oder mögen die Wirren der Zeiten sich legen," sagte Wiulfhilt, "und unser junger Gastfreund Muße finden, früher zu kommen und länger zu bleiben als jezt."

"Der gute Empfang vor vier Jahren und der [heutige] von heute laden mich ein, daß ich wieder kommen möchte," sagte Witiko.

"Und ich hoffe, daß der Empfang immer ein guter sein wird," entgegnete Heinrich.

"Ich habe den Ankunftsgruß gebracht, und eure Zeit genommen, hohe Frau," sagte Witiko, "erlaubet, daß ich euch nun verlasse."]

Mit diesen Worten stand er von seinem Size auf.

Wiulfhilt sagte: "Nehmt noch ein mal das Willkommen, und handelt bei uns nach euerm Gefallen."

["Seid gedenk, Witiko," sagte Heinrich, "]

"[Nehmet] Gebraucht eure Zeit nun für euch, Witiko," sagte Heinrich, "und seid gedenk, daß ihr, wenn die Gloke schallt, mit den Eurigen zum Abendessen kommt.

"Ich werde folgen," antwortete Witiko.

Er verließ hierauf das Gemach[, und ging].

Er ging jezt wieder in die Kammern, die ihm zur Herberge angewiesen worden waren. Dort standen auf einem Tische Speisen und Wein; aber es saß niemand vor ihnen. Raimund war nicht [in den Gemächern] da, und der Mann in dem braunen Gewande lag angekleidet auf einem Bette, und schlief.

Witiko verließ nun [diese Wohnung auch wieder.] auch die Gemächer wieder.

Er ging [in den Hof hinab, und von dem Hofe] durch den Hof in das Freie. Dort lenkte er seine Schritte dem rauschenden Wasser entgegen, das von dem Walde der drei Sessel herab floß. Er ging auf dem weichen Rasen dem Wasser entgegen und dem großen breitaufsteigendem Walde zu. Als er an den
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1 Vgl. Beilage zu H S.241.
2 Die äußeren Tilgungsklammern zeigen die Streichung durch Schraffierung an.