Witiko

H223, S. 284b

"Wir haben unsere Fähnlein aus dem Lande der Ens und Traun an dem bairischen Walde hinan getragen, und sind bei dem Orte Furth zu dem Könige Konrad gekommen," antwortete der Ritter.

"Damals bin ich mit dem Herzoge Wladislaw in der Vorhut gewesen," sagte Witiko.

"Ich habe von dir erst sprechen gehört, als wir wieder auf dem Wege zu dem deutschen Lande zurük waren," entgegnete der Ritter.

"Sie können von mir nicht viel reden," sagte Witiko.

"Sie haben hingeredet, und haben widergeredet," sagte der Ritter. "Und nach dem Kriege bist du in deine Heimath gegangen."

"Ich bin in meine Heimath gegangen," antwortete Witiko.

"Und jezt bist du von deiner Heimath nach Wien gekommen," sagte der Ritter.

"Ich bin zuerst nach Passau gegangen," antwortete Witiko, "und dann bin ich auf einem Donauschiffe nach Wien herab gefahren. Ehe wir die bairische Stadt Linz erreichten, habe ich an unserer rechten Seite den Waldberg gesehen, auf welchem eure Burg steht, und ich habe deiner gedacht, Fiedler vom Kürenberge."

"Ich bin damals nicht auf dem Kürenberge gewesen, weil ich schon lange nicht mehr auf dem Kürenberge gewesen bin," erwiederte der Ritter. "Ich bin schon, seit Regimar nicht mehr ist, in allerlei Landen gewesen, und bin dann schier alle Zeit an dem Hofe in Wien gewesen. Als der Zug von Nürnberg nach Prag entboten worden ist, bin ich zu unseren Leuten gegangen, die sich dem Zuge versprochen haben, und bin mit dem Zuge geritten. Und als die Sache aus war, und als unsere Fähnlein wieder in den Burgen waren, die an der Ens und an der Traun und an der Alm und an der Krems und an der rechten Seite der Donau stehen, bin ich auf dem Kürenberge und in Oftering und in Wels und in Efferdingen und in Olmek und in Leobenbach und am Sippbache und in Kremsmünster und in Pernstein und in Ens auf Jagden und Fahrten gewesen, und bin dann wieder nach Wien gezogen. In der Burg, welche auf dem waldigen Kürenberge steht, sizt mein Vater, und handhabt die Geige, die ich von ihm streichen gelernt habe, und trägt den Speer in den Wald, und erhebt die Stimme, wenn ein Lied bei den Männern, die zusammen kommen, nothwendig wird, und ertheilt seinen Rath, wenn in den Versammlungen ein Rath geheischt wird, und tröstet meine Mutter, wenn ein Leid über sie kömmt, und waltet unter den Knechten. Und in der Ebene unten, nicht weit von dem Kürenberge, wo die kleinen dünnen Föhren auf der Haide gegen die Stadt Wels gehen, sizt ein anderer alter Mann in der Burg Oftering, Heinrich von Oftering, er handhabt auch die Fiedel, und läßt seine Stimme erschallen, und trit mit meinem Vater in den Wettstreit. Sie reiten nicht mehr nach dem Hofe, und leben mit den Nachbarn in dem Lande. Ich bin zu dem Hofe nach Wien gegangen. Da sind die alten Degen, die sich im Schimpfe und Ernste herum thun, und das Saitenspiel lieben, und da sind die jungen Degen, die noch zierlicher stehen, und die Stimme in gewaltigeren Schwingungen ertönen lassen. Siehst, der hinter dem Markgrafen reitet, und den braunen Mantel trägt, ist der von [Kuenring] Chunring, Hademar genannt. Er ist in dem Geleite gewesen, das der Schwester des Markgrafen, Gertrud, mitgegeben worden ist, als sie die Brautfahrt zu eurem Herzoge Wladislaw nach Böhmen gemacht hat. Sein Gemüth ist tapfer, er achtet aber nicht des Klanges der Saiten und der Stimmen. Der in dem dunkeln Gewand ist der Kapellan Rudbert, und der in dem schwarzen mit der weißen Feder auf der Haube ist Rüdiger. Er ist der Mann der höchsten Ehre, er hat die schönste Hausfrau heimgeführt, und liebt Gesang und Saintenspiel. Neben ihm reitet Tibert der Kämmerer, ein guter Mann und guter Degen. Dann kömmt Chunrad von Asparn, der auch im Brautgeleite gewesen ist, und an seiner rechten Seite reitet Gotescalc, der Abt von Heiligenkreuz. Dann kommen Bruno von Pusinberg, Albero von Chunring, Heinrich von Mistelbach, Hartung von Ruhenegk, Udalrich von Marbach und Heinrich von Gundramsdorf. Siehst du dann den Mann, der ein gelbes Gewand hat und ein grünes Wamms und eine rothe Feder?"

"Ich sehe ihn," sagte Witiko.

"Der ist Thiemo von der Aue," sagte der Ritter vom Kürenberge, "er kleidet sich wie ein Zeisig, und hat Füße wie rothe Krebsscheren, und die Schnäbel an den rothen Schuhen werden immer länger, daß er sie mit einer Schnur wird an seinen Gürtel binden können, und die Ärmel des Rokes werden weiter, daß sie auf die Schuhe werden hinabzu hängen [können] vermögen. Er trägt die Farbe des Fräuleins Kunigunde von Hartheim, das er heirathen gewollt hat, da er mit dem Markgrafen Leopold, dem

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