Witiko

H216, S. 282


denen Ähren oder in den Wäldern der Wipfel der Bäume, sondern, wenn dir Gott auch die Gnade verleiht, Geringeres zu verrichten, das aber recht ist, und wenn dich Bertha dann dennoch will, so segne ich euch, und bitte Gott um euer gutes und löbliches Gedeihen. Suche auf gerechtem Wege zu gewinnen, daß Heinrich dir wegen Macht und Ansehen traut. Ich werde, wenn mich die hochehrwürdige Frau Markgräfin Agnes mit Geleite wieder zu [ih]unserer Base Hecila nach [Nürnberg] Landshut zurük führen läßt, Heinrich und Wiulfhilt besuchen, falls sie schon nach Jugelbach zurükgekehrt sind. Wenn sie es aber nicht sind, werde ich zu ihnen kommen, wenn ich Kunde habe, daß sie in der Veste Jugelbach sind. Dann werde ich Bertha sehen, und erfahren, was sie in der Leitung ihrer verehrten Mutter geworden ist. Möchte das Höchste, das du wünschest, wie du früher gesagt hast, in Erfüllung gehen, und möchte dieses Höchste nicht gar zu weit von dem abliegen, was auch vor Gott das Höchste ist. Ich bethe täglich öfter zu Gott dem Herrn, und außer dem [Wohle] Seelenheile der ganzen Christenheit, um das ich bethe, ist es zuerst dein Seelenheil, um das ich ihn anflehe. Von heute an wird auch Bertha in meinem Gebethe sein. Die Gebethe des Vaters Benno gehen wohl um große und wichtige Dinge; aber ich weiß, daß er dich doch in dieselben schließt, und er wird jezt auch Berthas nicht vergessen."

"Mutter, du bist immer gut, und ich wußte, daß du so reden wirst," sagte Witiko, "wenn Gott mein Gebet, das nicht so rein ist wie das deine, erhört, so wirst du lange leben, und noch Freuden auf dieser Erde genießen. Bertha steht erst weit hinter dir zurük."

"Meine Freuden," sagte die Mutter, "liegen jezt in dem, was die Christenheit angeht, und in dir, Witiko."

"Ich will suchen, daß ich die Lezten mehre," sagte Witiko.

"Ich weiß es," antwortete die Mutter.

"Es wird recht gut sein, wenn du mit Herrn Heinrich und seiner Gemalin sprichst," sagte Witiko, "dir vertrauen sie Bertha leichter als mir. Wie lange d[ach]enkest du noch auf diesem Berg zu verweilen?"

"So lange es die hohe Frau wünscht," sagte die Mutter. "Es heißt, daß Otto der fromme Sohn der Markgräfin Agnes, welcher Bischof in Freising ist, und welcher auch wie unser Vater Benno die Thaten der Menschen aufschreibt, in diese Burg kommen wird, und es könnte dann geschehen, daß ich in seinem Gefolge nach Baiern zurük geleitet werde."

"Wie du es fügst, Mutter, so wird es recht sein," sagte Witiko.

"Bleibe du jezt eine Weile hier," entgegnete die Mutter, "die hohe Frau Agnes ist gut gegen dich gesinnt. Ihr Sohn Heinrich hält seinen Hof in Wien. Er hat sein Haus geschmükt, und die Künste und die Ritterlichkeit und die Herren der Kirche sind um ihn. Alles, was schön ist, und gilt, wird jezt in dem Hause Österreich gepflegt. Der Markgraf hegt Sang und Bau in seiner Stadt, und sucht sie zu mehren, und man befleißigt sich zierlicher Sitten. Du wirst sein Geleite sehen, und manchen Mann kennen lernen, wie es gut ist."

"Ich bleibe wohl hier," sagte Witiko, "wenn ich mich in unserem Lande nicht nöthig erachte. Dann aber gehe ich schnell in dasselbe."

"So thue, mein Sohn," sagte die Mutter, "ich werde von Hecila nach Pric kommen, wenn die Sache gegen die Mährer aus ist."

"Ich werde dich dorthin führen," sagte Witiko.

"Jezt richte dich hier ein, und lasse es dir gefallen," entgegnete die Mutter.

Sie stand bei diesen Worten auf, und Witiko folgte. [Sie] Er sezte seine Haube auf, gürtete sein Schwert um, und sie verabschiedeten sich. Die Mutter machte ein Kreuz auf seine Stirne, er beugte sich nieder, und küßte ihre rechte Hand. Dann ging er aus dem Gemache. Sie blieb in demselben zurük.

Witiko stieg zu dem Wartegemache nieder, in welchem er seinen Knecht Raimund gelassen hatte. Dann fragte er den Thorwart um einen Mann, der ihm sein Gemach zeigen könnte. Der Mann kam und führte Witiko und Raimund eine Treppe empor in ein großes Gemach, das für ihn bereitet

Federproben Seite vertikal mit Stift gestrichen