Witiko

H216, S. 281

"Ich habe die Dinge erfahren, welche in unserem Lande geschehen sind," sagte die Mutter, "es halten die Baiern, die jezt herzogslos sind, und die an Österreich fallen können, ein wachsames Auge auf Wladislaw den Herzog von Böhmen, der die österreichische Gertrud, die Tochter der frommen Agnes geheirathet hat, die dich eben ihres Anblikes und ihrer Rede werth geachtet hat. Manches haben mir deine Bothen erzählt, und der Vater Benno weiß alle Thaten, welche jezt überall geschehen, und welche sonst überall geschehen sind. Er schreibt sie in zierlichen Zeilen auf. Du wirst in den Zügen sein, Witiko, wie deine Vorfahrer gewesen sind, du wirst stark sein, und du wirst klug und vorsichtig sein."

"Ich werde thun," sagte Witiko, "was mich der Ehre werth macht, mit den Männern genannt zu werden, die in unserem Lande sind, und die Geschike aller lenken, welche um sie wohnen."

"Hüthe dich aber vor Thaten, mein Sohn," sagte die Mutter, "wie sie Agnes genannt hat."

"Ich werde nie etwas Ungerechtes thun oder gestatten, wenn die Hinderung in meiner Macht liegt," sagte Witiko, "selbst wenn ich das Höchste, was ich mir jezt wünsche, verlieren müßte."

"So ist es gut, mein Sohn," antwortete die Mutter.

"Ich habe dir vor der hochverehrten verwittweten Markgräfin Agnes gesagt," erwiederte Witiko, "daß ich das Gewand, das ich anhabe, deinetwillen und noch eines andern willen, angelegt habe, dann habe ich dir hier allein in diesem Gemache gesagt, daß außer dir und Benno noch ein Mensch ist, dessen Beifall ich erringen möchte. Ich will dir alles erzählen. Ich habe an einem Sonntage, da in dem Wald an der jungen Mihel weit und breit keine Kirche ist, an einem [Baume] Waldbaume gebetet, und am Saume der trokenen Waldwiese, an welcher der Baum stand, erschien ein Mädchen, das dunkelrothe Waldrosen, die du liebst, um das Haupt hatte. Ich sah das gute Zeichen in den Rosen. Ich ging zu dem Mädchen, und wir sprachen. Wir sezten uns auf einen Stein des Waldes, und sprachen weiter. Dann führte mich das Mädchen zu ihrem Vater und ihrer Mutter, die in einem Hause im Walde waren, wo er sich zu dem Steine empor zu heben beginnt, den sie die drei Sessel nennen. Ich aß in dem Hause das Mittagmahl, und ging dann zu den drei Sesseln und zu dem schwarzen See [, der in die xxx gegen den Morgen hin angesiedelt] im Walde ist. Des andern Tages ritt ich meinen Weg in das böhmische Land weiter. Vor nicht vielen Tagen, da ich Zdik den Bischof von Olmüz seiner Sicherheit willen auf einsamen Wegen durch den Wald nach Passau geleitete, war ich zur Nachtherberge in dem nehmlichen Hause. Da der Bischof versorgt war, redete ich mit dem Mann und der Frau des Hauses, dann suchte ich das Mädchen unter den Bäumen. Wir sprachen mit einander, und vereinigten uns in sehr großer Zuneigung zu einander zu einer künftigen Verbindung als Mann und Weib. Ich sagte es dem Vater des Mädchens. Er sprach, daß er Heinrich von Jugelbach sei, daß er jezt vom Inn an die Donau ziehen und mit seinem Bruder Gebhard die Vesten Schauenberg und Stauf bauen werde. Sein Geschlecht sei angesehen, und werde wachsen. Wenn ich, auf den er Hoffnung baue, einen Stammsiz gegründet hätte, darauf ein Geschlecht entstehen könne, ähnlich dem seinen, bedeutsam und wachsend, so sei er mir nicht entgegen. Das Mädchen heißt Bertha, ist jezt zwanzig Jahre alt, hat braune Augen und Haare, und hat rosige Wangen, und denkt anders von Thaten als die Frau Markgräfin Agnes, sie verabscheut wohl auch die ungerechten und schlechten, aber liebt hocherglühend die guten und rechten. Sie meint, ich solle thun, daß mir keiner gleich sei in dem Felde der goldenen Ähren oder in dem Walde der Wipfel der Bäume."

"Ich kenne Heinrich von Jugelbach," entgegnete die Mutter, "er ist ein tapferer unternehmender unstetter Mann. Er ist stolz, strebt nach Gütern, und verschwendet sie, ist seinen Freunden treu, und seinen Feinden auf den Fersen, er hält aber auf Ehre, und wird troz dem er Pracht sucht, seine Güter vermehren. Sie heißen ihn Fahrirre, weil er außer den heiligen Landen, die er schon zwei mal besucht hat, in den Gebieten aller Völker gewesen ist. Man hat auch jezt angefangen, ihn den edlen und mächtigen Mann zu nennen. Seine Gattin Wiulfhilt ist eine hohe stille und christliche Frau. Sie übt die Tugenden ihrer Burg, und erzieht ihre Tochter Bertha. Ich kenne Bertha, sie war wohl ein Kind, da ich sie sah; aber, sie war stark und gut. Und wenn du auch nicht thust, Witiko, daß dir keiner gleich ist in den Feldern der gol-

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