Witiko

H212, S. 274


Von dem Herren des Landes, dem man dient, und von fürstlichen Gebietern mit Verleihungen ausgezeichnet werden ist ein Ruhm und Glanz, weil sie für Thaten geschehen, oder zu Thaten ermuntern, deren man fähig gehalten wird."

"O Thaten, mein guter Witiko," entgegnete Agnes, "Thaten sind sehr verschieden. Die besten Thaten sind die welche zum Heile unserer Seele gereichen und zum Heile der Seelen anderer Menschen, die uns anvertraut oder durch die Nächstenliebe an uns gebunden sind. Wenn der Mann seine Hausfrau liebt, seine Kinder christlich erzieht, seine Habe zusammen hält, und ehrlich mehrt, und wenn er seine Untergebenen schüzt und gut und freundlich ihnen hilft, so hat er manche Thaten gethan. Wer weiß es, ob es nicht eine bessere That ist, wenn wir hier diesen Teppich zum Dienste der Kirche stiken, oder auch nur, daß ein guter müder Greis einen weichen Fußtrit darauf habe, als wenn wir Herzogthümer erobern oder zertrümmern. O du mein guter Jüngling, und ihr Frauen, die ihr hier seid, ich habe Thaten genug gesehen. Wie vieles ist anders geworden, als es sich angeschikt hatte, und wie vieles hat große Bedeutung erlangt, die man nicht erwartete. Ich bin auch sehr jung gewesen, als man mich dem herrlichen Friedrich von Büren vermählte, der die Burg auf dem hohen Staufen erbaut hatte, der der treueste Freund und die Stüze meines Vaters gewesen ist, und den mein Vater zum Herzoge von Schwaben gemacht hat. Ich habe ihm die Söhne Friedrich und Konrad geboren, und der Tod hat ihn dahin geraft. Konrad ist jezt der deutsche König. Noch in dem Todesjahr meines Gatten war es, da mein Bruder Heinrich, es sind jezt sieben und dreißig Jahre, mit einer Heeresmacht bei Regensburg am Regen gegen meinen und seinen Vater gegen seinen Herren und Kaiser stand, da der Kaiser mein Vater mit den Mannen manches braven Fürsten und insbesonders Leopolds des Markgrafen von Österreich und Boriwoys des Herzogs von Böhmen gegen seinen Sohn Heinrich stand, und da in der Nacht vor der Schlacht, an derem guten Ausgange für sich mein Bruder verzweifelte, er den Markgrafen von Österreich gewann, daß er meinem Vater nicht helfe, da dieser es meinem Vater sagte, daß er nicht kämpfen werde, da Boriwoy erklärte, dann sei man zu schwach gegen den Feind, und da mein Bruder in der Nacht zu dem Vater sendete, und sagte, sein kindlich Herz müsse ihn warnen gegen die Verschwörer, die in seinem eigenen Lager seien, und nach seinem Leben strebten, [|warnen|,], und da mein Vater dieses glaubte, weil er ja sah, daß der treueste der Markgraf von Österreich von ihm abgefallen sei, und da er verzweifelnd noch in der Nacht, die vermeintlichen fal<s>chen Seinigen verließ, und entfloh - damals noch in dem Sterbejahre meines Gatten einen Tag nach jener Nacht am Regen im heißen August war es, da mich mein Bruder in sein Lager bringen ließ, und mir sagte, ich sei die Verlobte Leopolds des Markgrafen von Österreich für den Dienst, den dieser ihm erwiesen, daß er nicht für den Vater gekämpft habe[,]. Ich that einen Schrei, und wußte dann nichts mehr. Man zog mich aus einer langen Ohnmacht. Da war deine Mutter bei mir, Witiko. Die andern scheuten meinen Bruder, und wollten sich gegen mich die Widerwillige nicht zu freundlich zeigen. Sie war mit den Ihrigen und andern Frauen in Boriwoys Heere, sie war noch jünger als ich, die ich zwanzig Jahre zählte, und mehrere böhmische Frauen und Mädchen waren zu mir geführt worden, sie kauerte bei mir, als ich erwachte, sie hatte Wasser auf meine Stirne geträufelt, und hatte meine Lippen damit befeuchtet, sie schlang, als meine Augen wieder klar um sich schauten, ihre Arme um meinen Naken, drükte ihre Lippen auf die meinigen, streichelte mich, liebkoste mich, war meine Freundin und meine Schwester, und sagte mir, es werde nicht arg werden, der Markgraf sei ein frommer Mann, und sie blieb bei mir, und ich sagte endlich, daß ich in die Verlobung willige, und sie weinte aus Erbarmen, und drükte mich wieder an ihr Herz. [In kurzer Zeit] Ich ergab mich in Alles, in Kurzem ward ich mit Leopold vermählt, und dreißig Jahre lebte ich mit meinem Eheherrn dem Markgrafen von Österreich in christlicher Liebe und in segnende[n]r [Folgen] Wohlthat des heiligen Sakramentes. Er hat gesühnt, was er gegen meinen Vater gefehlt hat. Da ich mich in Schmerzen über die Vorgänge der Meinigen gegen meinen Vater zu Gott wendete, so unterstüzte er mich, er half mir im Gebethe und in heiligen Werken, förderte die Kirche, er pflegte die Armen, er sorgte für seine Unterthanen, stiftete heilige Münster, wie ihr ja von hier aus das Kloster der neuen Burg sehen könnt, und unterstüzte die Lernenden und Strebenden. Ich habe ihn geliebt mit meinem ganzen Herzen, und eine zahl-

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