Witiko

H211, S. 271


Lehnen bedekt waren. Der Wald war gemischt aus Laubholz und Nadelholz. Hie und da sahen Burgen aus dem finsteren ¢Walde¢
Randnotiz: Höhe
nieder. Vorzüglich war es die Burg des Herren Werinhart von Martspach, welche die Augen auf sich zog. In den Niederungen am Saume der Donau standen Hütten und stellenweise Häuschen, und es waren Wiesen und Felder da. Von dem ersten Ufer sah das Haus der Herren von Wesen auf die Wasser hinaus, auf dem linken standen feste Gebäude, wo die obere Mihel und die untere Mihel in die Donau mündete. Fast einen ganzen Tag fuhr das rothschnablige Schif zwischen den Waldlehnen. Als die Sonne schon gegen den Abend neigte, kam es gegen Aschach in der Richtung gegen Mittag hinaus. Man erblikte hier die blauen Berge des Landes Steier, wie sie Witiko von der Stelle des heiligen Thomas am Rande des Waldes an der Moldau erblikt hatte, und das Land war an beiden Seiten der Donau eben. In Aschach wendete das Schif sein Vordertheil, und legte sich an das Ufer, um die Wassermauth zu bezahlen. Da dies gethan, und auch noch Anderes verrichtet war, stieß das Schif wieder ab, wendete sich, und fuhr gegen die Auen nieder, welche man die Aschacher Wörthe nannte. Zwei Stunden fuhr es zwischen den Auen fort. Dann traten die Berge wieder an das Wasser. Rechts stand ein finsteres Haupt empor, auf welchem, wenn auch von der Donau nicht sichtbar die Burg der Herren von Kürenberg stand, davon einer Witiko als Sänger und wakerer Fiedler bekannt war. Beinahe eine Stunde fuhr das Schif an dem finsteren Haupte dahin, dann öffnete sich das Land wieder, und auf dem rechten Ufer des Wassers lag die Stadt Linz. In dieser Abenddämmerung legte sich das Schif an der oberen Leute der Stadt an. Witiko und Raimund führten ihre Pferde über eine errichtete Brüke auf das Land, und dort durch den Wasserthurm in die Stadt. In der Wasserherberge fanden sie Unterkunft. Ehe sie aber die Ruhe suchten, rüsteten sie ihre Pferde, und ritten, daß die Glieder derselben in Bewegung kämen, eine Streke an der Donau abwärts, und dann in die Stadt, und ritten durch die Stadt herum, und betrachteten, da an verschiedenen Stellen Lichter brannten, die Gebäude und die wandelnden Menschen. Dann ritten sie in ihre Herberge zurük, pflegten sich und die Pferde, und begaben sich zur Ruhe.

Als am andern Tage das erste Licht an dem Himmel graute, fuhr das Schif wieder weiter. Witiko und Raimund hatten [mit] samt ihren Pferden die nehmlichen Stellen des Schifes wieder inne, die sie gestern inne gehabt hatten. Das Schif nahm einen Bothen ein, der es durch die Brüke der Stadt steuerte. Unterhalb der Brüke fuhr es von der Stadt gegen die Auen, welche das Wasser säumten. Nach zwei Stunden sah man rechts die Zinnen der alten Stadt Lorch an dem Flusse Enns, dann wieder nach zwei Stunden die Burg der Herren von Welse, und dann fuhr man in eine finstere Schlucht ein, wie die gewesen war, in die man unterhalb Passau gefahren war. Zu beiden Seiten des Flusses war jezt das Land des Markgrafen von Österreich. Da sich in Passau der Inn mit der Donau vereinigt hatte, da in der Gegend von Lorch die großen Flüsse Traun und Enns hinzu gekommen waren, so floß die Donau jezt schon als mächtiger Strom dahin. Als das rothschnablige Schif[f] mit drei eingenommenen Lootsen die gefährlichen Strömungen und Wirbel des Wassers an der Stelle Struden, wo sich Felsen gegen das Wasser drängten, die Zwingthürme trugen, und wo Felsen aus dem Wasser emporragten, auf denen ebenfalls Zwingthürme waren, glüklich zurükgelegt, und als es die verlangten Wasser= und Mauthgelder gezahlt, und die Lootsen entlassen hatte, fuhr es ruhig in der Schlucht weiter. Es kam wieder in freies Land, es kam wieder in Berge, auf denen Burgen ragten, und landete Abends in Melk, wo auf einem Steinriegel die Burg lag, in welcher die ersten Markgrafen von Österreich gehaust hatten, und wo neben der Burg ein freundliches Münster stand. Witiko und Raimund ritten wieder eine Weile herum, und suchten dann die Ruhe.

Des nächsten Morgens fuhren sie mit dem Schiffe wieder weiter. Sie fuhren in eine Schlucht nieder, die finsterer war als alle, durch die sie bisher gefahren waren, und deren Berge alle, die sie bisher gesehen hatten, an Höhe überragten. Sie waren mit lauter Wald bedekt, und viele Burgen, die meisten das Eigen der Herren von Kuenring, sahen trozig und manche von fürstlicher Höhe hernieder. Am Saume des Wassers waren hie und da Stellen und Flächen, die Häuser und Fruchtland hatten. Als man an der starken Veste Dürenstein, die einen Steinberg am linken Donauufer krönte, vorübergefahren war, kam man, als die Sonne bereits im Scheitel stand, bei dem Orte Mautern aus der Schlucht hinaus in freies mit Auen durchzogenes Land. Das Schif ging an den Städten Stein und Krems vorüber, es ging zwischen den Auen fort und fort, sah am Abende das neue Kloster, welches Leopold der Vater des jezigen Markgrafen Heinrich gestiftet hatte, sah den hohen Kalenberg vor sich emporragen, auf die Burg der Markgrafen

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