Witiko

H210, S. 269a


schlechter Mann wäre."

"Mir wird er es aber doch nachtragen," sagte Raimund.

"Er wird es dir nicht nachtragen," entgegnete Witiko, "in der Zukunft aber, wenn du mit einem deines Gleichen oder mit einem Schlechteren issest, so iß ihm nicht das Bessere weg."

"Ich bin hungrig wie ein Raubwolf gewesen," antwortete Raimund.

"Es ist gut," sagte Witiko, "komme mit mir in den Hof, daß ich dir den Weg zu den Pferden zeige, wenn ich dich später etwa noch hinabschiken sollte."

Nach diesen Worten stand Witiko auf, und ging entblößten Hauptes, wie er war, aus seinen Zimmern in den Gang und dann zwei Treppen, an denen helle Lampen brannten, hinab in den Hof. Raimund folgte ihm. Von dem Hofe gingen sie in den Stall, in welchem die Pferde standen. Witiko untersuchte die Pflege derselben, ließ in seiner Gegenwart thun, was ihm nöthig däuchte, und ordnete das Nächste an. Dann ging er mit Raimund wieder in seine Stuben. Nach einer Weile kamen zwei Speiseknechte brachten Speisen und Wein, und stellten beides auf den gedekten Tisch. Witiko befahl Raimund sich zu ihm an den Tisch zu sezen, und mit ihm in dem Glanze der Lichter und bedient von den zwei Speiseknechten zu essen. Als der Herr und der Diener gegessen und getrunken, und die Speiseknechte die Überreste weggetragen hatten, ging Witiko noch ein mal in den Stall zu den Pferden. Als er wieder zurük gekommen war, schloß er die Eingangsthür seiner Wohnung, und zeigte im ersten Gemache dem Knechte Raimund sein Lager zur Nachtruhe. Hierauf zündete er im Speisezimmer die Dochte der Nachtlampe, welche an drei von der Deke niedergehenden Ketten hing, an, löschte die andern Lichter aus, ging in sein Schlafgemach, entkleidete sich, legte sich auf sein Lager, legte sein Schwert neben sich, und entschlief.

Als es Morgen geworden war, als Witiko und sein Knecht schon lange angekleidet waren, als sie die Pferde besorgt, und ein Frühmahl, das ihnen gebracht worden war, verzehrt hatten, kam ein sehr zierlicher Diener zu ihnen in die Stuben, sagte, daß er von dem hochehrwürdigen Bischofe Zdik gesendet sei, und an den Knecht Raimund ein Geschenk des hochehrwürdigen Bischofes zu überbringen habe. Er nahm ein Beutelchen von rothem Leder aus seinem Wamse, und gab es Raimund. Als er fort war, öffnete Raimund das Beutelchen, und fand zehn Goldstüke darin, die ganz neu und zierlich geprägt und gerundet waren. Als ihm Witiko den Wert dieser Münzen gedeutet hatte, war er sehr erfreut, und war vollkommen beruhigt.1

Nach einer Zeit ertönten die Gloken des Domes, und die beiden Bischöfe ritten in die Kirche. Es war eine große Menge Volkes zusammen geströmt. Die zwei Bischöfe saßen auf weißen Zeltern. Sie waren in Seide Gold und Edelsteinen. Die Zelter waren reich geschmükt. Neben ihnen gingen Diener, dann kamen Priester, dann kam in einer purpurnen Sänfte das Fräulein Anna von Peilstein und Hagenau die Schwester des Bischofes von Passau mit ihren gleichfalls in Sänften sizenden Frauen, hinter denen Dienerinnen gingen, dann ritten Herren des Hofes von Passau mit ihren Dienern. Der Bischof Regimbert erhob die Finger zum Segen, das Volk stürzte auf die Knie, und Raimund, der unter den Vordersten kniete, schlug mit der Faust an sein Herz.

Nach dem Gottesdienste war ein Mahl in einem großen Saale des Bischofhauses, zu dem Herren Ritter und Frauen und Jungfrauen der Nachbarschaft gekommen waren, an dem Anna von Peilstein und Hagenau Theil nahm, zu dem die Herren des Hofes von Passau mit ihren Hausfrauen und mannbaren Söhnen und Töchtern geladen waren, zu dem auch Witiko gezogen worden war.

Nach mehreren Tagen wurde eine Jagd v[o]an der linken Seite der Donau veranstaltet, in der Art, wie man aber in jener Jahreszeit jagen konnte. Die Bischöfe ritten in hochherrlichem Jagdgewande mit Hüfthorn und Speer an der Spize des Zuges auf dem schmalen Pfade zwischen der Donau und den gegen sie von hoch oben herabstürzenden Wäldern dahin. Ihnen folgten Edelknechte, die Jagdgeräthe und Rüstzeug vor sich auf den Pferden hatten. Dann kam Marquard von Wesen der Schenke des Hochstiftes Passau mit seinen Leuten, dann kam Otto von Aheim der Kämmerer des Hochstiftes Passau mit seinen Leuten, dann kam Chunrat von Heichenbach der Marschalk des Hochstiftes Passau mit seinen Leuten, dann kam Heinrich von Tannenberch der

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