Witiko

H21


[(Zu Witiko 21)]1

"Weil ich es so gewollt habe," antwortete Heinrich, "einige bauen auf Weiden andere auf Felsen andere in Wälder, und wenn man einmal des Schuzes bedürfte, so ist dieses Haus sehr verborgen, und unbekannt. Ich bin öfter mit den Meinigen hier, wenn wir nicht anderswo zu sehr fest gehalten werden."

"Es muß auch sehr anmuthig hier wohnen sein," sagte Witiko.

"Ja jezt, und vielleicht auch in künftiger Zeit," erwiederte Heinrich, "der breite Berg, der jenseits der Mihel liegt, wird einmal eine Ortschaft werden, weil er die Ursachen dazu hat, nehmlich guten Boden und Verbindungen, es werden vielleicht dann auch an manchen Stellen rings herum Wohnungen ja sogar Kirchen entstehen und dann, wenn Zeiten sind, die es weniger benötigen, daß der einzelne Mann sich um Schuz umschaue, mögen [seine] die weißen Mauern dieses Hauses weithin leuchten, und manchen ein laden, zu kommen, und sich in ihnen zu vergnügen."

"Möge das Haus viele hundert Jahre dauern," sagte Witiko.

"Wenn die, welche nach mir kommen, so denken, wie ich," antwortete Heinrich, "so wird es dauern. Es können Tage erscheinen, da die Macht und das Ansehen eines Stammes schwinden; aber sie können wieder auferstehen, wenn nur der Stamm selber nicht ausgelöscht ist. Eines Tages kann dieses Haus zerstört und dem Erdboden gleich gemacht werden; aber ein anderes kann an der Stelle sich [wieder] erheben, und wenn einer meiner Nachkommen hier lebt, und wenn er Freude am Walten in Mitte seines Besizthumes hat, so wird hier eine Wohnung sein, die den Besizern behaglich, und den Fremden, die mit offenen Herzen kommen, freundlich ist."

"Ich denke wie ihr," sagte Witiko, "kein Stamm kann untergehen, wenn seine Glieder recht sind, er sinkt und steigt, außer wenn Gott im Tode seines letzten Gliedes ihm ein Ende macht."

"So ist es, wie es ist," sagte Heinrich, "lasset uns weiter gehen."

Sie gingen von dem Hügel durch ein Pförtlein des Gartens weiter dahin, und zwar ungefähr in einer Richtung, in der Witiko mit Bertha gekommen war.

"Da ist meine Wiese, die die Rinder nährt," sagte Heinrich, indem er die Hand erhob, und herum wies. Sie geht bis zu dem Walde, durch den ihr gekommen seid."

Sie schritten auf einem Wege der Wiese gegen Morgen zu.

"Und dort sind meine Felder," sagte Heinrich, indem er auf den Strich wies, der hinter dem Hause dem Walde zu ging, "sie bringen, was das Haus bedarf, und erheischt. Und die Quellen geben uns freigebig ihr Wasser und der Wald seinen Reichthum.

Sie gingen in einem Bogen wieder gegen das Haus, und kamen an dessen Morgenseite, an die auch Witiko mit Bertha gekommen war. Er sah jezt, daß neben der Thür, durch die er mit Bertha hinein gegangen war, auch ein eisernes Thor in einer Mauer war, die von dem Hause hinweg ging. Heinrich führte ihn durch das Thor hinein. Sie gelangten in einen Hof.

"Hier sind Pferde," sagte Heinrich, indem er Witiko gegen einen Stall führte, der rechts von dem Eingange war. Witiko trat in den Stall, und betrachtete die sechs Pferde, welche da standen, sehr genau.

"Hier sind Rinder," sagte Heinrich, indem er Witiko zum Stalle daneben führte. Witiko sah hier zehn Kühe stehen, die gut und schön gebaut waren.

"Hier sind Zugthiere," sagte Heinrich, da er Witiko zu einem weitern Stalle geleitet hatte. Drei Paare schwerer Ochsen standen in dem Stalle.

"Und dort sind Kälber und kleine Tiere und Geflügel," sagte Heinrich, indem er auf weitere Gelasse nur so oberflächlich hin wies, ohne Miene zu machen hin[zu] zu gehen. Er führte Witiko [quer im Ga] quer über den Hof in das Haus, und im Hause durch den Gang in den Saal, in welchem er ihn empfangen hatte.

In dem Saale waren indessen Veränderungen vor sich gegangen. Der Tisch war mit Linnen bedeckt, es standen Gefäße auf ihm, und Teller und Eßgeräthe waren auf ihn gelegt.

Nachdem die Männer eine Weile in dem Saale gewesen waren, ertönte eine Schelle.

Sehr bald darauf öffnete sich die Thür von dem Gange herein, und mehrere Leute traten
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1 Ursprünglich als Beilage zur Seite 21 (vgl.H15) gedacht. Stifter hat die Kennzeichung ald Beilage zu streichen vergessen.