Witiko

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[vielen Wurfdingen Geschosse zu entsenden. Sie grüßte ihn und er grüßte sie mit ruhigem Ernste. Der Zupan Diwis sah sie. Er hatte seine Haube verloren, und seine weißen Haare glänzten in der Luft. Er befestigte seine Bolzengerüste und ordnete die Vertheidigung an seiner Mauerstelle. Er grüßte die Herzogin mit Ehrfurcht, und seine Leute erhoben einen Jubelruf gegen sie. Die Herzogin und Dimut grüßten freundlich entgegen. Chotimir sah sie, und Jurik, und andere. Die Waldleute waren auch näher herzu gezogen worden. Rowno trat einen Augenblik hervor, da die Herzogin kam, und begrüßte sie mit Ergebenheit. Die Männer des Waldes halfen zusammen, und warfen Dinge auf die Feinde hinunter, von denen man glaubte, daß sie von Menschenhänden nicht zu bewältigen sein könnten. Tom Johannes saß hinter einer Berge, und schrie Worte, die niemand vernahm, und machte mit seinen beiden Händen Zeichen der Befehle, auf die niemand achtete. Da die Herzogin mit Dimut gegen die Männer heran ritt, und das Schwert zum Grusse gegen sie schwenkte, erhoben sie ein Geschrei, daß gar nichts mehr dagegen zu vernehmen war.

Als das Stürmen an verschiedenen Stellen zwei Stunden angedauert hatte, trennte sich plözlich eine größere Schaar Feinde von den Ihrigen, als man bisher gesehen hatte, eilte gegen einen Theil der Mauer, der weniger Männer zu enthalten schien, suchte in Schnelligkeit Reisigbündel, Sandsäke, Rasen, Leitern und andere Dinge, und klomm empor. Aber in derselben Zeit ertönte in der Stadt ein Frauengeschrei, weil man die Absicht der Feinde erkannte, und die Mittel hatte, sie zu vereiteln. Die Männer drängten sich zur Vertheidigung herbei, daß man meinte, die Stadt hätte so viele Menschen gar nicht fassen können. Was der Krieg für solche Ereigniße in Bereitschaft hatte, Wurfstüke, Geschoße, Lanzen, Pfeile, brennende und brühende Dinge wurden auf die Feinde nieder geschüttet, und wenn man meinte, das Schütten sei am heftigsten, so wurde es noch heftiger. Menschen, die gar nicht zu den Vertheidigern gehörten, kamen herzu, und trugen in ihren Händen oder in ihren Kleidern Steine, Ziegel, Eisen, Blei, daß sie auf die Feinde geworfen würden, wenn man derlei Dinge bedürfte, und der Vorrath nicht reichte. Der Kampf war sehr kurz, und bald gegen die Feinde entschieden. Sie glitten zurük, verließen Alles, und wichen gegen die Ihrigen. Auch an den anderen Orten hörte das Stürmen auf, und die Feinde gingen gegen die Ihrigen zurük. Diepold ließ das Thor öffnen, drang mit einer Schaar aus der Stadt, eilte den zurük gehenden Feinden nach, und was das Schwert zu erreichen vermochte, wurde durch das Schwert geschlagen. Da die Feinde sich den Ihrigen näherten, und von dort ein Angrif vorbereitet wurde, wendete Diepold sein Pferd um, kehrte schleunig zurük, und wurde in das Thor aufgenommen.

Jezt wurde Ruhe und Stille auf den Mauern, und die Gloken des heiligen Veit hörten zu läuten auf.

Nun kamen die Frauen der Herzogin zu ihrer Herrin auf die Mauern. Es kamen auch noch andere Frauen und Männer, und es kam der Bischof Otto mit Priestern von seiner Kampfesstelle herbei. Sie sahen nach denjenigen, welche Wunden erhalten hatten, und nach denen, welche an diesem Tage an den Zinnen von Prag ihr Leben hatten verlieren müssen. Manche gingen herum und bluteten an diesem oder jenem Theile ihres Körpers, und achteten dessen nicht. Andere saßen auf Steinen oder Trümmern, oder lagen an die Mauer gelehnt, und harrten, daß man ihnen helfe. Hie und da war ein Todter, der in starrer Ruhe von den Schatten der Finsterniß überkommen war, und nicht mehr wußte, was geschah. Die Ärzte und ihre Diener und die Wärter waren beschäftigt, die Verwundeten zu verbinden, zu laben, und denen zu übergeben, die sie an die Verpflegungsorte zu tragen hatten. Die Herzogin und ihre Frauen halfen, der Bischof und die Priester leisteten Hilfe, und es halfen alle, die herbei gekommen waren. Der Priester von Daudleb wusch Moyslaw die Wunde eines Lanzenstiches, die er an der Achsel erhalten hatte, und verband sie ihm. Zwest der an der Mauer daher kam, schnitt er die Spize eines Pfeiles aus dem Arme, und verband ihm die Wunde. Jurik der Sohn Juriks, dem ein Stein das Knie gestreift hatte, und Zdeslaw, der Sohn Diwis, der von einer Lanze verwundet worden war, wurden von Ärzten verbunden. Träger kamen mit Bahren herbei, um die Todten weg zu schaffen.

Hierauf gingen die Herzogin, Diepold, der Bischof, die Äbte, der Priester Daniel und Lechen und Führer in die Verpflegungsstätte der Verwundeten und Kranken, und sprachen mit ihnen und trösteten sie. Die Siechen freuten sich darüber, und manche sagten, daß sie wünschen, Gott möge den Brüdern auf den Mauern den Sieg über die Feinde schenken.]1

Nach einer Zeit [kam] ritt eine Schaar von Feinden gegen die Mauern, mit schwarzen Fahnen [bittend], welche die Bitte anzeigten, daß ihnen gestattet werde, ihre Todten und Verwundeten weg zu bringen. Diepold ließ eine schwarze Fahne der Gewährung errichten. Sogleich gingen die Feinde daran, die Ihrigen zu bergen. Die Männer auf den Mauern sahen auf sie, und konnten die Gewänder erkennen, wie sie in dem einen oder in dem anderen Striche des Landes getragen wurden, und wenn einer Verwandte unter ihnen gehabt [hätte,], und auf sie hinab gesehen hätte, so hätte er ihre Angesichter zu erkennen vermocht.

Am Abende des Tages wurde ein [feierlicher] ernster Lobgesang in der Kirche des heiligen Veit gehalten. Diepold, [D]die Herzogin, [Diepold, die] und alle Führer [und viele Krieger und andere Menschen] wohnten bei[. Unter den Kriegern waren auch die Waldleute, und der Schmied von Plan hatte, da er kniete, seine eiserne Keule neben sich lehnen.

In der Nacht wurden noch die Arbeiten begonnen, um die Vorräthe der Wurfdinge wieder zu ergänzen, und es wurden die Vorbereitungen gemacht, daß man an dem anderen Tage zur Ausbesserung der schadhaften Stellen der Mauern und anderer Dinge schreiten könnte.]
, und so viele Krieger, als die Kirche zu fassen vermochte. Die Waldleute knieten in ihren rauhen Gewändern auf dem Boden der Kirche.

Als die Nacht anbrach, ging man, die Wurfdinge zu ergänzen, daß sie zum Gebrauche wieder hergerichtet wären.
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1 Die äußeren Tilgungsklammern zeigen die Streichung durch Schraffierung an. Fortsetzung des getilgten Textes von H S.203. Textersatz auf der Beilage zu H S.203.