Witiko

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ist zu tragen, daß es mir nicht einmal fehlt, wenn ich es brauche," sagte Witiko.

"Daran thut ihr nicht unrecht," sagte Heinrich, "und wenn ihr von den Sesseln zurük kommt, werdet ihr die Nachtherberge bei uns nehmen?"

"Ich reite morgen wieder weiter," entgegnete Witiko, "habe mein Pferd bei den Köhlern an der Mihel, und muß heute wieder dahin zurükkommen."

"So werden wir die Zeit so einrichten, daß ihr es könnt," sagte Heinrich.

Nach diesen Worten wendete er sich gegen den Tisch, rükte zwei Stühle zurecht, wies auf einen, und er und Witiko sezten sich nieder.

Dann sagte er zu Bertha: "Gehe zur Mutter, und verkündige ihr, daß wir einen Gast haben.<">

Bertha ging gegen einen Fensterpfeiler, und hing ihren Kranz mit Rosen an einen Nagel.

"Warum hängst du denn dein Goldreiflein zu den Waffen?" fragte der Vater.

"Lasse die Rosen heute bei den Waffen hängen," antwortete Bertha.

Dann ging sie durch eine Thür in das weitere Innere des Hauses.

Nach einigen Augenbliken kam sie mit der Mutter bei dieser Thür wieder heraus. Die Mutter hatte wie Bertha braune Haare und Augen. Sie hatte feine Hände und Glieder. An ihrem Körper war ein enges blaues Wamms mit Silberrändern, die Vorderärmel und das weite Unterkleid waren aus blaßgelber Wolle. Die Haare dekte ein weites Nez mit Goldfädlein.

"Wiulfhilt," sagte Heinrich, "der junge Reiter Witiko von Pric der Sohn Woks und Wentilas ist unser Gast."

"So habt ihr meinen Vater gekannt?" fragte Witiko.

"Ich habe euren Vater gekannt, mein junger Reitersmann, und kenne eure Mutter," sagte Heinrich.

"Wir kennen die feine gute Wentila," sagte die Frau, welche eingetreten war, "und wenn ihr der Sohn derselben seid, so heiße ich euch in unserem Hause willkommen."

"Ich bin der Sohn derselben," sagte Witiko, welcher auf gestanden war, "und so bin ich in einem Hause, in welchem meine Eltern gewesen sind."

"In diesem Hause sind sie nie gewesen," sagte Heinrich, "wohl aber in einem andern."

"So seid ihr uns in diesem Hause gegrüßt," sagte Wiulfhilt.

"Ich freue mich des Grußes,["] edle Frau," entgegnete Witiko, "und verzeiht, wenn ich eure Sorge mehre."

"Meine Sorgen für das Haus sind meine Freude," sagte die Frau, "und für einen Gast doppelte Freude."

"Wenn ich es nur verdiene," entgegnete Witiko.

"Ihr verdient es, weil ihr der Sohn eurer Eltern seid," antwortete Wiulfhilt, "und werdet es auch außerdem verdienen. Und wenn es auch nicht wäre, so wäret ihr der Gast."

"Wiulfhilt," sagte Heinrich, "der Reiter will heute noch auf den Sesselfels gehen, und Abends zu den Köhlern im Klaffergrunde zurükkehren. Sorge für ein zeitiges Mahl."

"So erlaubt, daß ich mich bis zum Mittagessen beurlaube," sagte die Frau.

"Thut nach eurem Rechte," entgegnete Witiko.

"Und ich werde der Mutter folgen," sagte Bertha.

"Daran thust du recht," erwiederte der Vater. Und die Mutter und die Tochter verließen den Saal.

"Wenn es euch genehm ist, so suchen wir bis zum Mittage die freie Luft auf," sagte Heinrich zu Witiko.

"Es ist mir sehr genehm," entgegnete Witiko.

Der Herr des Hauses führte seinen Gast nun durch eine andere Thür in den Garten. Er schürzte sein faltiges Gewand durch einen Gürtel, den er anzog, höher, und schritt in die Beete voran. Witiko folgte. Im Garten waren Küchengewächse duftende Kräutlein und an [Latten] Mauerlatten die Birnstaude. Am Ende des Gartens erhob sich ein Hügel, von dem sie den Garten das Haus und den Wald übersehen konnten.

Witiko sagte: "Ich habe nie gewußt, daß hier ein solches Haus steht, obgleich ich schon in dem Walde gewesen bin."

"Es ist sehr abgelegen," antwortete Heinrich, "die Pfade gehen unten an der Mihel vorüber, und keiner geht herauf, der weiter in die Länder liefe, weil hinter dem Hause gleich der hohe Wald beginnt, über den kein Fußweg steigt. So ist es rückwärts umfangen von der Wand der Sessel und des Blökensteins, und vor ihm geht der Forst bis zu der Mihel hinunter. Wenn einmal die Wälder gereutet werden, dann können es die Menschen vom Weitem her erbliken, da es hoch gelegen ist. Die Sesselwand und der Blökenstein werden wohl nie gereutet werden, weil sie steil sind und nur Waldgrund haben, und dann wird es licht gegen die hintere dunkle Waldhöhe abstehen."

"Ist das Haus schon lange da?" fragte Witiko.

"Ich habe es erbaut," entgegnete Heinrich.

"Und warum habt ihr es denn in den abgelegenen Wald gebaut?" fragte Witiko<.>
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1 Ursprünglich als Beilage zu H/S.20 (vgl.H14) gedacht