Witiko

H199, S. 253

"Ist er allein gewesen?" fragte Witiko.

"Nein, es ist noch sein Genosse mit gewesen," antwortete der Wirth.

"Mit einem rothen Barte?" fragte Witiko.

"Mit einem rothen Barthe," antwortete der Wirth.

"Sind diese zwei Menschen öfter in der Gegend hier?" fragte Witiko.

"Sie sind einmal Kriegsknechte des seligen Herzogs Heinrich gewesen," sagte der Wirth, <">müssen aus der Nähe von Passau zu Hause sein, und werden sehr oft bei uns und weiter hin gesehen."

"Sind sie in diesem Sommer nicht einmal längere Zeit abwesend gewesen?" fragte Witiko.

"Ich wüßte es nicht," antwortete der Wirth, "aber ich habe sie oft genug hier gesehen, besonders die lezte Zeit."

"Also auch die lezten zwei Wochen?" fragte Witiko.

"Da gewiß," sagte der Wirth.

"Sie sind im Frühlinge von dem Grafen von Formbach eingesperrt gehalten worden, wenn ich die Erlaubniß zu reden habe," sagte der Krämer, welcher herzu kam.

"Wißt ihr das gewiß?" fragte Witiko.

"So gewiß, weil ich dem Rothbarte Linnen von seiner Mutter bringen mußte," sagte der Kärner, "die ich ihm in sein Verlies trug, wo auch der andere war."

"Kennt ihr sie näher?" fragte Witiko.

"Sie kommen hin und wider an meinen Karren, haben mir aber noch nie etwas zu Leide gethan," sagte der Kärner.

"Welche sind ihre Namen?" fragte Witiko.

"Sie heißen beide Heinrich wie der Herzog," antwortete der Kärner.

"Ich danke euch beiden für eure Antworten," sagte Witiko.

Dann ging er zu dem Gefangenen, und sprach zu ihm: "Ich habe dir vor vier Jahren hier gesagt, daß ich dir ein mal einen Dienst leisten werde. Jezt ist die Zeit dazu gekommen. Ich werde dich frei lassen; aber merke dir folgendes: ich bin in diesem Walde öfter, öfter noch in dem der drei Sessel und weiter gegen Morgen, bis wo der Wald gegen das andere Land ausläuft. Ich werde mir in ihm ein Waldhaus bauen, und wenn ich dich noch einmal mit Waffen in dem Walde treffe, daß du Kundschafter in ehrenvolle Haft nehmen, oder bethen gehen, oder dich irren willst, wie du heute gesagt hast, so lasse ich dich auf dem schlechtesten Baume, den ich in meinem Walde habe, aufhängen, und lasse dich so lange hängen, bis du dich gar nicht mehr irren kannst. Sage das auch deinem Genossen, der vernünftiger ist, und Kundschafter kennt. Ich halte mein Wort, wie ich es heute gehalten habe, da ich dir das Leben schenkte, und dich nicht wartern ließ. Raimund, löse ihm die Bande, und nimm ihm die Armbrust."

Raimund band zuerst seinen langen Strik los, dann entfernte er den Knebel, löste die Schleife um die Hände, und nahm ihm die Armbrust von dem Halse.

"So, du Hühnergeier, jezt lauf, so weit dich deine Füsse tragen," sagte er zu ihm.

Der Mann rieb sich mit den Händen die Knöchel, und strich mehrere Male über sein Koller herab. Dann sagte er: "Schönen Dank, schönen Dank.<">

Dann ging er von dem Hause weg gegen die Bäume, welche in einiger Entfernung standen, und verlor sich hinter den Stämmen.

"Jezt zerschlage mit deinem Beile die Armbrust," sagte Witiko zu Raimund.

Dieser zerhieb das Holzwerk der Armbrust und den Strang mit dem Beile. Den eisernen Bogen zerbrach er dadurch, daß er ihn mit der Wölbung nach aufwärts auf die Erde legte, und darauf sprang.

Als dieses geschehen war, und Witiko gezahlt hatte, was für M[a]änner und Thiere zu entrichten war, stiegen sie auf die Pferde, Witiko dankte dem Wirthe, und sie ritten fort.

Sie ritten wieder gegen Mittag aber in einer Richtung, die gegen den Abend geneigt war. Sie ritten über Bühel und durch Höhlungen aber im Ganzen immer abwärts. Die lezten hohen Tannen des großen Waldes standen endlich hinter ihnen, und was jezt kam, war nur jüngeres Holz. Sie erreichten Wiesen Äker Weiden Büsche Hütten und Weiler und sahen im fernen Mittage die blauen Zinnen der

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