Witiko

H197, S. 249


geführt, und es wurde ihm ein Plaz am Tische zur linken Seite Stilichos eingeräumt. An der rechten Seite Stilichos saß zwischen zwei Frauen Irmengard dann zwischen zwei Mädchen Bertha. Neben Witiko saßen noch zwei Männer, die er für Dienstmänner Stilichos hielt. Die zwei Begleiter Witikos saßen unten unter den Knechten und Mägden an dem Tische von weichem Holze, den man zum Mahle zusammen gestellt hatte. Sowohl Irmengard als auch Bertha waren anders und feierlicher gekleidet, als sie am Nachmittage gewesen waren. Selbst Stilicho hatte ein schöneres Wamms an. Da ein Mönch, der unter den Gästen war, ein lautes Gebet gesprochen hatte, wurden die Speisen und Getränke aufgestellt. Sie wurden alle zugleich gebracht. Auf dem oberen Tische waren Fische, es war gebratenes Geflügel es war Hirschfleisch und es waren Kuchen und es war Brod und Wein. Die Leute an dem unteren Tische hatten gebratenes Hammelfleisch Bier und Brod. Da die Dämmerung eingebrochen war, wurden Lampen, die sich auf Armen befanden, welche man von der Wand des Gemaches hervordrehen konnte, angezündet, und sie warfen ein sanftes Licht auf die Tische und auf die Leute, welche an denselben saßen.

Als das Bedürfniß nach Speise und Trank gestillt war, stand man auf, es wurde wieder ein lautes Gebet gesprochen, und die Leute zerstreuten sich. Die Knechte und Mägde verließen das Gemach: die zwei Dienstmannen, welche Stilicho Hartnit und Liutolt genannt hatte, stellten sich zurük an die Wand, und harrten der Befehle ihres Gebieters, deßgleichen thaten die Frauen Irmengards und die Mädchen Berthas. Witiko hatte dieses Verfahren nicht gesehen, als er das erste Mal in diesem Waldhause gewesen war. Seine zwei Begleiter standen an der Ausgangsthür des Gemaches.

Als man einige Reden nach dem Mahle hin und wider geredet hatte, winkte Witiko seine Dienstmannen, und sie entfernten sich aus dem Gemache. Eben so verabschiedete Irmengard die Frauen und Mädchen. Dann führte Stilicho seinen Gast Witiko zu Irmengard. Diese sagte: "Wie ich erfahre, werdet ihr morgen mit dem Anbruche des ersten Lichtes fort reiten, ich muß euch daher heute Lebewohl sagen, und euch für die Freundlichkeit, mit der ihr unsere Gastfreundschaft angenommen habt, danken, da ich eben so erfreut darüber bin wie mein Gatte, dessen Sinn immer der meine ist, und dessen Worte ich in allen Stüken achte und befolge. Mögen euch die Heiligen geleiten, Witiko, und möge alles, was ihr zum Wohle eurer Seele und zum Wohle derer, die euch nahe sind, unternehmen werdet, mit dem Segen Gottes gedeihen."

"Möge es so sein, hohe Frau," sagte Witiko, "ich bitte Gott um seinen Segen, und werde stets bestrebt sein, ihn nicht durch Unwürdigkeit zu verlieren, damit ich außer der gerechten Strafe, die mich träfe, nicht auch noch Ungemach auf jene leite, die ich über alles liebe."

"Denket immer so, Witiko," sagte Irmengard, "und ihr werdet darnach handeln, und die Zukunft kann so sein, wie sie manche wünschen. Lebet wohl, vergesset unser Haus nicht, und wenn euch der Weg an dasselbe führt, so gehet nicht an ihm vorüber."

"Ich werde nicht vorüber gehen," sagte Witiko, "und ich bringe euch meines Herzens tiefsten Dank dar, hohe Frau."

Sie reichte ihm ihre Hand, er küßte sie, und fühlte den Druk der weichen Finger.

Hierauf führte Irmengard Witiko zu Bertha, und sagte: "Weil ihr Bertha morgen nicht mehr sehen werdet, so könnt ihr derselben heute das Abschiedswort sagen, sie hat euch ja, da sie ein Kind war, in unser Haus geführt."

"Ich wünsche, daß Bertha alles Glük und alles Heil erstehen möge, ["]dessen sie würdig ist, und das sie in ihrer Seele sich ersehnet," sagte Witiko, "die sie lieben, werden ihr Glük zu fördern streben, wie sie können."

"Und ich wünsche, daß Witiko erreiche, wornach er trachtet," sagte Bertha, <">und daß sein Leben genannt werde, und daß er zum Heile sei den Seinen und dem Lande. Und so möge er wohl von hinnen ziehen, von guten Wünschen geleitet."

"Und so möge Bertha wohl unter den Ihrigen verweilen," sagte Witiko.

Die zwei jungen Leute sahen sich mit warmen Bliken an, reichten sich die Rechten, und hielten sich fest an denselben.

Stilicho sagte: "Ich werde unsern Gast in seine Stube geleiten.<">

Witiko ließ Berthas Hand fahren, und verneigte sich tief gegen Irmengard und Bertha. Irmengard erwiederte die Verneigung, Bertha neigte sich kaum merklich, und Witiko wendete sich, und schritt an Stilichos Seite der Thür zu. Sie gingen durch dieselbe hinaus, und Witikos Begleiter folgten. Stilicho führte die drei Männer in die Kammern, die ihnen zur Nachtruhe bestimmt waren.

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