Witiko

H195, S. 245


nicht die Jungfrauen, die außerhalb des Schlosses in den großen Häusern Prags wohnen, und mit den Ihrigen auf den Steinen der Stadt oder zwischen den Bäumen der Gärten wandeln, nicht die Jungfrauen, die in dem Hoflager des Königs Konrad sind, oder die in der großen schönen Stadt Nürnberg wohnen, und nicht die Jungfrauen, welche ich sonst gesehen habe, konnten mich vergessen machen, daß ich fast selber noch ein Kind mit dir auf den sonnigen Steinen gesessen bin. Und daß ich nicht zu dir von Plan herüber gekommen bin, war die Scham, daß ich noch gar nichts gethan habe, vor dich treten zu dürfen; aber ich wäre schon gekommen, wenn es heute nur ein Zufall ist, daß ich da bin, ich wäre schon gekommen, um dich zu werben, und zu sehen, ob ich ein klein wenig Neigung von dir gewinnen könnte; nun ist aber alles gelöset, du bist mein Stern, du bist mein Kleinod, du allein wirst meine Gattin, Bertha, oder kein einziges anderes Weib auf allen Ländern der Welt."
Randnotiz: xxx

Bei diesen Worten hatte er sie bei der Hand genommen, und legte seine Rechte um das dunkelveilchenfarbene Gewand ihres Nakens, und küßte sie fest und herzlich auf den Mund.

Sie drükte ihre blühenden Lippen freudig gegen den schönen Mund des Mannes.

"Nun ist alles klar, Witiko," sagte sie.

"Und alles wird sich erfüllen," sagte er.

"Baue dir ein Haus, Witiko," sagte sie, "und wenn dann kein Makel an dir ist, wenn so schön wie dein Körper auch dein Herz ist, dann komme, ich folge dir, und bleibe bei dir. Rede dann öfter in dem Kreise der Männer deines Landes, und stimme für sie zu dem, was recht und gut und groß ist, und thue selber das Recht Gute und Große."

"Ich habe dir gesagt, daß ich das Ganze thun will, was ich kann," antwortete Witiko, "mehr vermag ich nicht."

"Ich will stolz sein," sagte Bertha, "daß dir keiner gleich ist, so weit die Augen [reichen] bliken, es mögen die Wipfel der Waldbäume empor stehen, oder die goldenen Bärte der Ähren.<">1

"Wenn du mich jezt liebst, Bertha," entgegnete Witiko, "so wirst du mich noch mehr lieben; denn ich gedenke nicht ein schlechterer Mann zu werden."

"Und würdest du ein anderer Mann," sagte Bertha, "ich würde als dein Weib von dir gehen, und würde dahin gehen, von wo du nie etwas von mir vernehmen würdest."

"Du wirst so wenig von mir gehen," sagte Witiko, "als du jezt von mir gehst, sondern dich vielmehr zu mir auf diese Bank sezest, die du gewiß selber hast richten lassen."

"Ich habe sie richten lassen," entgegnete Bertha, "so wie auf meinen Antrieb die Steine auf der Sperwiese gelegt worden sind, auf denen wir vor vier Jahren gesessen sind.<">

Bei diesen Worten sezten sich beide auf die Holzbank, die an der Wand des Steines angebracht war.

"Das ist ein schöner Plaz," sagte Witiko.

"Er ist von den Hauchen der Mitternacht und des Abends geschüzt, und gewährt an milden Tagen ein schönes Verweilen," antwortete Bertha.

"Besuchest du ihn öfter, wenn ihr [hier verweilet?"] in dem Walde seid?" fragte Witiko.

"Ich bin oft da gesessen," entgegnete Bertha, "und habe über die Ahorne geschaut und über unser Haus und über den Wald, und habe gelauscht, wenn mir Wolf von dir erzählt hat."

"Und ich bin auf den Kreuzberg gegangen," sagte Witiko, "und habe auf den weiten Kranz der lange hingehenden Wälder geschaut, auf welchen ich mir etwa eine Burg bauen solle,

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