Witiko

H192, S. 237


welches in der Kammer stand, und auf dem Witiko sonst immer geschlafen hatte, da er sich in Plan befand, und das andere auf einem ähnlichen Gestelle in der Stube. Martin der Knecht und die Magd gingen aus der Stube, und da die zwei Männer allein waren, schloß Witiko die Thür, und führte seinen Gast in die Kammer. Er selber legte sich auf das Gestelle in der Stube.

Da der Morgenschein durch die Fenster des Häuschens drang, waren die Männer schon angekleidet, die Pferde hatten ihre Morgennahrung bekommen, und Lucia brachte ein wohlbereitetes Frühmahl aus geräuchertem Schweinfleisch und Klößen, dem sie einen Krug mit Bier zugesellte. Als die Menschen und Thiere erquikt waren, und als man alles zur Abreise gerichtet hatte, bestiegen Witiko und sein Begleiter ihre Pferde, und auch Raimund mußte sein Pferd, das ihm Witiko zu dem Kriegszuge angeschafft hatte, besteigen, um den Männern zu folgen. Er war in der gewöhnlichen grauen groben Tracht, trug eine kurze Wurflanze, und hatte in die Schleife seines Sattels ein kleines Beil gestekt. Man nahm von Martin und Lucia Abschied und die Männer ritten morgenwärts in der Richtung gegen den Wald des heiligen Thomas; aber nach kurzer Zeit bogen sie rechts in einen Waldpfad, der gegen Mittag führte, und ritten auf diesem Pfade fort. Nach wenig Frist gelangte der Pfad zu den Wassern der Moldau, und stieg in sie hinab. Witiko ritt der erste den Abhang hinunter, ihm folgte der Mann in dem braunen Gewande, und Raimund machte den Schluß. Sie durchritten die Wasser der Moldau, welche an dieser Stelle sehr breit und seicht waren. Vom jenseitigen Ufer dehnten sich breite Sumpfföhrengründe und |Wörthe| hin, die Männer aber ritten auf einem festen Rasenbande neben einem großen entgegen sprudelnden Bache dahin. Sie ritten im Gestrippe sachte aufwärts immer fort und fort. Da sie bei höherem Sonnenscheine zu den Wäldern der Glökelberge gekommen waren, wo ein anderer Bach rauschte, stiegen sie wieder ab, banden ihre Pferde an die Bäume, und erquikten sie von den mitgebrachten Vorräthen, wie sie sie gestern in dem Walde erquikt hatten.

Dann ritten sie in den dichten von sehr hohen Tannen und Buchen bestandenen ebenen Wald hinan.

Als sie die hochgelegene Ebene des Waldes erreicht hatten, und als sie wohl eine Stunde lang über diese Ebene geritten waren, gelangten sie über einen steilen Abhang auf dem Pfade in das Aigen hinunter. Sie konnten jezt auf das finstere Waldband zurük bliken, durch das sie gekommen waren, und das die bairischen Lande von Böhmen trennte. Sie sahen die noch größeren Wälder, die gegen Abend zogen, und das schwarze Haupt des Hochfichtes zeigten.

Im Aigen hielten sie nicht an, sondern ritten auf bairischem Grunde in der Richtung zwischen Abend und Mitternacht weiter. Sie ritten dem Laufe der Mihel entgegen. An einer Quelle fütterten sie noch ein mal die Pferde, und aßen selber auch von dem Brote, das sie mit hatten, und schöpften sich Wasser aus der Quelle.

Da die Sonne schon eine ziemliche Streke über ihren Mittagbogen hinab gesunken war, ritten sie auf dem Wiesenpfade [neben] gegen de[m]n klaren rinnenden Bach[e] dem Hause Stilichos zu, in welchem Witiko von seinem Wege von Passau nach Böhmen an einem Sonntage sein Mittagsmahl eingenommen hatte, und [neben] unweit welchem er das Rosenmädchen Bertha gefunden hatte.

Die Männer ritten bis an das Thor des Hauses heran. Da öffnete sich ein Schubfach in demselben, und ein dunkler struppig welliger Kopf sah durch die Öffnung heraus. Sogleich verschwand er wieder, und in kurzer Zeit öffnete der [das Thor] schlanke behende Mann, dem dieser Kopf angehörte, das Thor, indem er mit lautem Lachen immer nach Witiko hinsah, und mit dem Kopfe nach ihm hinneigte, wobei er eine Menge schöner tüchtiger Zähne bliken ließ. Unter dem geöffneten Thore stand aber auch die Gestalt Stilichos. Er näherte sich Witiko, und sagte zu ihm: "Seid mir gegrüßt, es ist recht gut von euch, daß ihr meine Einladung nicht vergessen, und mein Haus wieder besucht habt. Ihr seid mit den Eurigen sehr willkommen."

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