Witiko

H191, S. 236b


was die Hütten hatten: klares frisches Wasser Gerstenbrod Milch Eier Butter Käse und geröstete Grüze. Als sie hier zwei Stunden gerastet hatten, zäumten sie ihre Pferde wieder, zahlten, was sie verzehrt hatten, und ritten wieder in den Wald mittagwärts weiter.

Als sie in die Lichtung kamen, auf welcher die Hütten standen, die Tis hießen, hielten sie nicht an; da sie aber im Verfolge ihres Weges wieder zu einer kleinen freien Stelle gelangten, auf welcher ein Bach floß, erquikten sie ihre Pferde wieder so, wie sie dieselben am Vormittage an einem Bache erquikt hatten. Als die Sonne schon tiefer stand, und ihre schiefen Strahlen durch das Laubwerk und die Nadeln und zwischen den Stämmen zuweilen herein fielen, und lichte Stellen auf dem schwarzen Pfade bewirkten, kamen sie zu dem sehr dichten Walde des heiligen Apostels Andreas, welchen die Leute den Andreasberg oder den Andreaswald zu nennen pflegten. Sie ritten unter der Deke des Laubes der Buchen und Ahorne oder der Nadeln der Tannen und Fichten dahin, und legten den langen Bergabhang und das weitgestrekte Thal und den jenseitigen Berghang zurük. Da kamen sie zu einem Striche, der kleine Föhren und Buschwerk hatte, und den die Leute Ogfolds Haide hießen. Die Wipfel der Föhren und die Häupter der Büsche waren roth von der untergehenden Sonne und dem Glühen des Himmels. Witiko und sein Begleiter ritten durch das Buschwerk dem Walde zu, der sie jenseits desselben wieder aufnahm. Sie ritten eine Streke hinan, dann wieder hinab, dann wieder eine Streke hinan, dann wieder hinab. Der blasse Himmel und die der Sonne nachziehende Mondessichel machten, daß sie noch die Stämme und den Weg und die Büsche unterscheiden konnten. Als sie nach einem langen Abhange von den Bäumen in freies Land gelangten, sahen sie zu ihrer Rechten an dem kaum noch merklich hellen Himmel einen flachen kegelartigen Berg, und da sie an ihm vorüber geritten waren, erschien an seinem mittäglichen Fuße der keildachige Thurm und die Kirche und es erschienen die zwischen Waldbäumen vor der Kirche mittagwärts hinab stehenden Häuser und Hütten des oberen Planes. Die zwei Männer ritten zwischen den Hütten hinab, beugten dann links, und ritten im Sternenscheine auf einem schmalen Pfade von den Hütten hinweg gegen das Häuschen Witikos.

Da sie an demselben angekommen waren, sahen sie, daß seine Bewohner schon schliefen, weil man im Sommer ohne Leuchte zu Bette geht. Witiko stieg von seinem Pferde, nahm es mit den Zügeln an seine Hand, führte es an das Häuschen, und klopfte mit einem Knöchel der andern Hand leise an ein Fenster. Es öffnete sich, und der Kopf des alten Martin sah heraus. Als er Witiko erblikte, that er einen Schrei, zog sein Haupt zurük, und gleich darauf öffnete er in seinem Nachtgewande das Thor, welches in den Hof führte. Witiko ging mit seinem Pferde und sein Begleiter ritt an seiner Seite in den Hof. E[r]<s> war nunmehr auch Raimund der Knecht und Lucia die Magd herbei gekommen. Sie hatten sich ein wenig angekleidet. Als man nun in Besorgnisse ausbrach, daß man die zwei Pferde nur in den Stall werde unterbringen können, wenn man Kühe daraus entferne, und in den Schoppen stelle, schikte Witiko den alten Martin, der noch immer im Hemde und mit nakten Füssen dastand, in die Stube, half seinem Begleiter von dem Pferde, ließ durch Lucia ein Licht in einer Laterne bringen, und stellte die Pferde in den Schoppen. Man entzäumte sie, band sie an, versorgte sie wohl mit Deken und reichlicher Streu, und gab ihnen in Trögen Nahrung. Darauf lüftete man die Sättel, und machte aus Strohbünden eine Mauer, um die Thiere vor der Nachtkälte etwas zu schüzen. Martin war auch wieder besser angekleidet herzu gekommen, und half. Als die Thiere mit den ersten Erfordernissen versehen waren, gingen die Männer in die Stube. Witiko legte seine Haube und sein Schwert auf eine Bank, und sein Begleiter sezte sich wieder auf die Bank neben dem Tische. Lucia brachte Milch Butter Käse und Brot. Witiko ließ nicht zu, daß sie in der Nacht noch Leute weke, um Bier bringen zu können, sondern verlangte als Getränke das klare frische Wasser, welches aus dem Ständer hinter dem Hause in eine Steinkufe rann. Da die Männer ihren großen Hunger und Durst gestillt hatten, da die Pferde auch mit Hilfe Raimunds getränkt worden waren, und den lezten Rest ihres Futters verzehrt hatten, und da man das Thor des Hofes wieder wohl geschlossen hatte, suchten die zwei Wanderer die Ruhe. Lucia und Raimund hatten aus Stroh und Linnen zwei Lager bereitet, eines auf dem Tannengestelle,

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