Witiko

H185, S. 213b

Die Herzogin ritt auch noch zu den Kranken und Verwundeten, tröstete sie, untersuchte die Anstalten, und machte Verordnungen. In den Strassen der Stadt sprach sie zuweilen mit verschiedenen Leuten, und flößte ihnen Muth ein.

Endlich war die Veste der Feinde fertig geworden, und man konnte sie von der Stadt aus deutlich überschauen. Gegen Morgen in der Mitte der vornehmsten Werke mehrere hundert Schritte von den vordersten Brustwehren zurük, hinter denen die Zerstörungswerkzeuge standen, wehete ein großes weißes Banner, das größte, welches in dem Lager zu erbliken war, das Banner Konrads von Znaim, den sie ihren Herzog nannten. Dorthin war das größte Gedränge von Bewegungen der Feinde, von Gehenden und Kommenden. Weiter gegen Mittag hin war auf einer Erhöhung das Banner Wratislaws von Brünn. Es war kleiner, in der größten Fläche weiß, und zeigte nur als Fassung die grünen Streifen, die er zu führen gewohnt war. In einer Entfernung schräger zurük war das Banner Ottos von Olmüz. Es hatte viele Fähnlein seiner Dienstleute um sich. Ob Spitihnew und Leopold die Söhne Boriwoys des Oheimes des Herzogs Wladislaw und ob Wladislaw der Sohn Sobeslaws des andern Oheims des Herzogs Wladislaw eigene Stellen und Banner hatten, war nicht zu erkennen. Dafür zeigte man sich Zeichen, wo Häupter der Bewegung standen: der trozige Bogdan, der schlaue Domaslaw, der alte Mikul, dann weit zurük auf einem Hügel Kochan, von dem man sagte, daß er nur gekommen sei, zu sehen, wie sich beide Herzoge zerstörten, nicht aber mit zu wirken, weil er jeden Herzog aus den Ländern entfernt wissen wollte, dann der alte Rodmil, der reiche Strich von Plaka, in dessen Hofe die erste große Versammlung gegen Wladislaw gewesen war, dann Groznata, Mirota, Soben und andere. Ihre Anhänger und Dienstmannen waren um sie.

Im Anbruche des Tages, der auf die Vollendung der feindlichen Veste folgte, begannen die Werkzeuge ihre Wirksamkeit. Alle Wurfdinge, welche der Krieg kannte, wurden gegen die Stadt geschleudert: Steine sollten die Mauern lokern und zertrümmern, Steine in hohen Bögen geworfen sollten die Werke und Arbeiter hinter den Zinnen treffen, und Kugeln und Balken und Pfeile und Bolzen jeder Größe sollten durchbohren zerstören oder tödten, wohin sie gelangten.

Diepold entgegnete den Angrif. Große Trümmer schlugen an die Stellen, wo sich die Wurfzeuge der Feinde befanden, und Steine und Eisen und Blei und Balkenpfeile und Pfosten Bolzen und Belagerungslanzen und Geschoße jedes Namens strömten dahin, wo sich Feinde [befanden.] gestellt hatten. Jeder Führer auf den Zinnen war eifrig, und ordnete an, und that, was ihm oblag.

Gegen d[en]ie [Mittag] Mittagszeit begann sich eine Stelle der Mauer zu lokern. Diepold ließ die Rahmen mit dem Geflechte über sie hinab, und wenn ein Geflechte sich zu zerfasern anfing, ersezte er es durch ein anderes. Und da die Würfe der Feinde besonders gegen die Stelle gerichtet waren, dekte man sie mit diken Stierhäuten, und brachte immer neue solche Häute.

Den ganzen Tag dauerte mit kurzen Unterbrechungen der Angrif und die Vertheidigung. Und die Nacht sezte den Anstrengungen kein Ziel. Da sie heiter und licht war, gingen die Bemühungen der Belagerer fort, und es antwortete ihnen die der Vertheidiger.

Und so war es mehrere Tage und Nächte. Und wenn Fristen der Ruhe eintraten, so endeten sie bald wieder, und der Drang, zu gewinnen und zu vertheidigen [trat] rükte erhöht an ihre Stelle.

Diepold war unausgesezt auf den Mauern. Wenn ein Stillstand des Angriffes und der Vertheidigung war, ruhete er entweder, und genoß zuweilen einigen Schlummer, oder er nahm etwas Speise und Trank zu sich. Den größten Raum dieser Fristen aber benüzte er zu weiteren Anordnungen für das, was da kommen sollte. Der alte Bolemil war auf seinem Stuhle, und wich nicht, und ordnete an, wie er in seinen jungen Tagen gethan hatte. So war auch Lubomir und Diwis und die andern. Die Kriegerschaaren wurden in den Anstrengungen abgelöst, die Führer waren immer im Waffendienste.

Randnotiz: Z wie ein Mann Seite vertikal mit Stift gestrichen