Witiko

H184, S. 211b


wurden herbei gebracht, und man sah, daß kein Mann fehle, und nur zwei leicht verwundet seien. [Diepold] Er dankte allen, auch den Reitern Juriks, empfahl den bereit stehenden Ärzten die Pflege der Wunden, und entließ die Männer zu ihren Abtheilungen.

Am andern Tage, als im Grauen des ersten Morgens die Leute von ihren Häusern Giebeln oder Dachluken gegen die Feinde schauten, erblikten sie, wie gegen die Sumpfwiesen hin, über welche Diepold in der Nacht gegangen war, Rauch aufstieg. Er wurde immer mehr, endlich schlugen durch denselben Flammen heraus, und man erkannte, daß es in den Häusern, welche gegen die Wiesen hin zerstreut lagen, brenne. Es brannte ein Haus, dann ein zweites, es wurde eines nach dem andern ergriffen, und man konnte deutlich wahrnehmen, daß dort Leute nicht damit beschäftigt waren, das Feuer zu löschen, sondern es zu erregen. Rechts und links begannen weit von einander abliegende Gebäude zu brennen, und wo es nicht schnell genug ging, dort flogen flammende Kränze, es zu beleben. Ehe ein Viertheil des Vormittages vergangen war, standen alle Häuser in jener Gegend vor der Stadt in Flammen. Der Rauch ging über die Stadt hin, und wo eine breite Lohe sich hob, stand ein Wind auf, und führte die Funken über die Mauern. Die Löscher der Stadt waren auf ihren Stellen aufgestellt, und Diepold hatte die Krieger auf die Zinnen entbothen, wenn etwa der Feind [[in] xxx] in dem Brande einen Sturm unternehmen sollte. Immer stärker hörte man den Lärm der prasselnden Sparren, des Sausens der Lohe, und des Schreiens der Menschen daneben, und es war nicht schwer, zu entnehmen, daß mit der Zerstörung auch der Raub des Beweglichen verbunden war. Wuth Zorn und Rachedurst loderte in der Stadt über diese That empor. Menschen, welche Freunde Verwandte Brüder Schwestern Eltern draußen hatten, rannten mit Jammergeschrei in den Straßen dahin, Schwärme drangen gegen die Mauern, und verlangten, daß man hinaus breche, und ermorde und zerreiße, was man ergreifen könne. Männer rannten zu Diepold, und [verlangten] forderten, unter die Krieger eingeordnet zu werden. Und als die Leute immer mehr wurden, welche Rache heischten, sagte Diepold zu ihnen, dem Feind werde diese That reichlich vergolten werden, sobald die Zeit dazu würde gekommen sein. Die Plazmeister wurden abgesendet, um noch zu sehen, ob alles in Ordnung sei, und ob die Kriegswerkzeuge sich in Bereitschaft zur Vertheidigung befänden. Die Herzogin kam herbei geritten, und sagte, sie wolle Dienste thun wie ein Krieger, und in der Vertheidigung der Herzensstadt des Landes ihre Pflicht erfüllen. Ihr ganzer Oberkörper war in Waffen gehüllt, und ihr goldenes Haar war unter einem glänzenden Helm verborgen. Di[e]mut war von ihrem Pferde gestiegen, und stand mit gezogenem Schwerte hoch auf den Zinnen. Diepold sandte die Männer, welche unter die Krieger wollten, in die Häuser, in denen die Krieger eingereiht, und mit Waffen versehen wurden, und sagte, sie könnten dann alsobald unter ihre Abtheilungen treten.1

Der Feind unternahm an diesem Tage keinen Sturm, auch zündeten die Flammen, die draußen wütheten, nicht in der Stadt, und als der Mittag gekommen war, brannte das Feuer ruhig bis in die Mauern der Häuser hinein nieder. Jezt sah man auch weiter draußen an verschiedenen Stellen Rauchsäulen, zum Zeichen, daß auch dort Häuser und Dächer brennen, und zwar in Gegenden, die gar nicht zu dem Belagerungsraume gehörten. Die Feinde begannen an diesem Tage, die Zerstörungen, die sie erregt hatten, zu ihrer Befestigung zu benüzen. Sie suchten aus Mauertrümmern Balken und Schutt Brustwehren und Wälle gegen die Stadt zu errichten. Auch begannen sie Gräben zu graben, und vor ihnen aus Erde Steinen gefüllten Baumstämmen und dergleichen Dekungen gegen die Geschoße der Stadt zu errichten. Die Arbeiter schoben mit Pferden große Schirme vor, hinter denen sie ihre Werke zu fördern strebten. Diepold sandte, wohin seine Werkzeuge zu reichen vermochten, in großen Bogen Steine gegen die Feinde. Sie antworteten auch gelegentlich mit Würfen, wo sie ein Werk schon weit genug vorwärts ge-

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