Witiko

H178, S. 199b


und ich danke ihnen mit diesem Gemüthe dafür; mein Gemal aber der Herzog Wladislaw ist der Gebiether meiner Handlungen, was er in dieser Lage der Dinge für mich als Richtschnur gut findet, werde ich thun."

Darauf antwortete der Herzog: "Weil schon die Herzogin Gertrud in dieser denkwürdigen Lage der Dinge die Anordnung und Leitung eines einzigen Oberhauptes anruft, und meiner Leitung ihre Handlungen anvertraut, so spreche ich wie folgt. Ansehnliche und getreue Bürger! Die Stadt Prag ist uralt und ehrwürdig. In ihr steht seit Menschengedenken der Thron der Herrscher der Länder Böhmen und Mähren. Ehe aber zu Praga, dieser Schwelle der Macht und Herrlichkeit, ein Stein gelegt worden war, stand doch schon in ihrer Nachbarschaft auf dem Wysehrad der goldene Stuhl der [Länder] Herrscher der Länder zu einer Zeit, in die kein Sterblicher jezt mehr zurük bliken kann. Es ist daher billig, und es ziemt sich, daß an dieser Stelle der Herrscher sei und alles, was ihm angehört und ihm theuer ist. Ich vertraue Gertrud die Herzogin der Länder Böhmen und Mähren, die Tochter des frommen Markgrafen Leopold von Österreich, meine erlauchte und vielgeliebte Gemalin eurem Schuze an. Gesellt jenen Theil der Stadtwehrkraft, den ihr für nöthig haltet, zu den Kriegern meines Hauses, und schüzt die, welche ich euch zum Schüzen übergebe, [und] wie Schuzgewährer Schuzbefohlene schüzen sollen."1

Hierauf antwortete Sesin der Kmete der Altstadt Prag: "Habe Dank, hoher Her, für das, was du gewährt hast, wir werden treulich thun, wie du gesagt hast, und ich rufe: Heil dem gütigen Wladislaw, dem Herzoge von Böhmen und Mähren!"

Die Bürger riefen: "Heil dem gütigen Wladislaw, dem Herzoge von Böhmen und Mähren."

Der Herzog aber wendete sich zu seiner Gemalin, und sprach: "Hier sind die Männer, denen du vertrauen darfst, wie allen, welche Wehr und Waffen in der Stadt tragen."

Die Herzogin sagte darauf zu den Bürgern: "Ich vertraue euch, ich übergebe mich euerm Schuze, und wir alle schüzen die Stadt."

"Heil der Herzogin Gertrud," riefen die Bürger.

Und da sie nun Anstalt machten, den Saal zu verlassen, sagte der Herzog: "Bleibet noch, bis wir alle aus diesen Mauern gehen, wir sind ja alle Kinder dieses Landes."

Und darauf ging die Herzogin mit ihrem Geleite zu den Bürgern, und sprach mit ihnen.

Der Herzog aber rief, da dieses vorüber war: "Ich sage euch, Lechen, Herren, Führer und Bürger, noch ein mal Lebewohl, wir sehen uns fröhlich wieder."

Nach diesen Worten verließ die Herzogin mit ihrem Geleite den Saal. Der Herzog grief nach seiner Haube, bedekte sich damit das Haupt, grüßte noch mit der Hand gegen die ganze Versammlung, und verließ gleichfalls im Geleite seines Bruders Diepold das Gemach. Alle andern, welche hier versammelt waren, begannen sich zu zerstreuen.

Bald tönten in der Burg die Hörner zum Zeichen, daß jezt jeder sich zu dem Plaze verfügen könne, der ihm durch die Austheilung der Stadt zugewiesen worden war.

Witiko ging sofort zu den Seinigen. Er berief die Männer von Plan zusammen und die von dem schwarzen Bache und alle andern, welche sich seiner Führerschaft anvertraut hatten.

Da sie zur Stelle gekommen waren, trat er vor sie, und sprach: "Männer, Freunde, und Heimathgenossen! Der erlauchte Herzog Wladislaw, dem wir gegen seine Feinde streiten helfen, geht fort, um Krieger zu sammeln, mit denen er das Heer, welches diese Stadt Prag umringen, und in seine Gewalt bringen will, zerstreuen oder vernichten wird. Er hat mir befohlen, ihn zu begleiten. Ich muß mich daher auf kurze

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