Witiko

H167, S. 223


Es wurde eine Anstrengung erregt, als sollten alle beweglichen Dinge, welche sich in der Stadt befanden, auf die Feinde geschleudert werden. Nicht nur, daß man alle jene Gegenstände, welche zum Wurfe hergerichtet waren, gegen die Feinde sendete, daß man alles, was von den Feinden herein kam, und noch tauglich war, wieder gegen ihn hin sendete, sondern man nahm Mauertrümmer Bausteine Treppenstufen Steine, die man aus dem Boden oder alten Gebäuden grub, Metallklumpen Dachrinnen Brunnenständer und ähnliche Dinge, um sie auf die Wurfzeuge zu bringen, daß diese keinen Augenblik ruhen durften. Pfeile und Bolzen aller Arten wurden auf die Feinde geschleudert, selbst Fäßchen mit siedendem Öhle und äzenden Flüssigkeiten, welche im Auffalle zerplazten. Von Feuerstoffen wurden mehr als an jedem andern Tage gegen die Feinde und ihre Werkzeuge und Thürme geworfen, daß sich die rauchenden Bögen in den Lüften kreuzten. Als es schon an mehreren Stellen brannte, und die Menge darauf drang, daß man die Thore öffne, hinaus stürze, und gegen die Feinde unternehme, was nur immer die Wuth eingebe, widerstand Diepold, und verstärkte zur Beruhigung der Menschen nur noch mehr die Anstrengungen gegen die Feinde.

Am Mittage begann die Kirche des heiligen Veit zu brennen. Man macht alle Anstrengungen, den Brand zu löschen; allein in Kurzem ging die Lohe breit und mächtig von dem Gebäude gegen den Himmel empor, daß man dagegen hilflos war, und wie die große Fahne des Herzogs von der Flamme verzehrt worden war, so auch im Innern der Kirche die Kostbarkeiten die Kunstwerke und die alten Pergamente und Rollen in Asche zu sinken drohten. Die Menschen liefen in den Straßen herum, und schrien und heulten, die Weiber rauften sich die Haare, und überließen sich der Verzweiflung. Die Herzogin sendete Herolde und Trompeter nach allen Richtungen aus, und ließ verkünden, daß der Herzog herein ziehe, und morgen die Feinde schlagen werde. Sie selbst zeigte sich an mehreren Stellen, und sprach zu dem Volke. Der Bischof Otto zog mit einer Kreuzschaar durch die Straßen, und verkündete von Gott Erlösung.

Am Nachmittage brannte auch das Kloster der Jungfrauen zum heiligen Georg. Diese wurden von hilfreichen Menschen und durch eigene Anstrengung zu dem heiligen Johann unter dem Petrin [gebracht.] gerettet.

Endlich erschien auch das Ende dieses Tages und die späte Dämmerung der Jahreszeit |trat ein|.. Die Brände der Stadt und des Lagers wurden leuchtender, und die Bogen der geworfenen Brandstoffe feuriger. Aber sie wurden auch seltener, und ehe die völlige Finsternis gekommen war, hörte das Werfen von den Feinden ganz auf. Diepold ließ es jezt auch von den Seinigen einstellen, und der Kampf ruhte. Er ruhte auch noch zu einer späteren Stunde, und ruhte noch um Mitternacht. In den Lüften war jezt Stille, nur düster erglänzte sie von den in sich zusammen sinkenden Bränden, die man begrenzt hatte, und zu denen neue nicht hinzu gekommen waren. Die Herzogin begab sich mit Dimut und Bürgern und andern Begleitern zu der Kirche des heiligen Veit. Sie war ganz in sich hinein zusammen gebrannt. Die Herzogin forschte nach den Dingen, die man dem Brande entrafft und gerettet hatte. Sie waren nur schnell herausgebracht, und in verschiedene Pläze geführt worden. Man mußte ihre Sammlung einer späteren Zeit überlassen.

Die Herzogin ging mit den Ihrigen dann wieder auf die Mauern. Zeit an Zeit entrann, ohne daß der Kampf sich erneuerte. Man sah mit Begierde dem nächsten Morgen entgegen. Ehe noch das Grauen desselben begonnen hatte, waren Menschen auf alle Höhen, die sie gewinnen konnten, geklettert, um in die Ferne zu schauen. Das Licht brach an, man schaute, und erkannte nach und nach, daß die Ferne und das Lager leer sei. Kein Feind war auf irgend einer Seite zu erbliken. Ein Jubel erhob sich, und verbreitete sich durch die Stadt, und derselbe war so außerordentlich, wie früher die Verzweiflung und die Angst gewesen war.

Diepold widersezte sich auch jezt den Forderungen, daß man hinausgehen, und das Lager der Feinde plündern solle. Er ließ die Thore noch mehr besezen und verwahren, als sie es früher gewesen waren. Nur gewährte er denen, welche besonders in dem Kampfe ermüdet wurden, Ruhe. Man lagerte sich auf den Mauern der Stadt. Die Menschen wurden nicht müde, von den Dächern und Thürmen und Zinnen der Häuser sich die Werke zu zeigen, welche Geschoße gegen die Stadt geschleudert hatten, und welche jezt ruhig standen, und sie wurden nicht müde, nach allen Richtungen zu spähen.

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